Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr

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Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr Schwerpunkte Klausurenkurs

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als auch eine Sicherheit im Aufnahmestaat zu hinterlegen ohne die Möglichkeit einer Anrechnung, ist nach Ansicht des EuGH nicht durch zwingende Erfordernisse gedeckt[61]. Gewerbezulassungsschranken wie Qualifikationsanforderungen für die Ausübung bestimmter Berufe lassen sich aber durch den Schutz der Bevölkerung vor unqualifizierten Gewerbetreibenden rechtfertigen[62]. Die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen hat aber insoweit auch für das Sicherheitsgewerbe Erleichterungen gebracht, als sie die Berücksichtigung des in einem anderen Mitgliedstaat erlangten Sachkundenachweises des Gewerbetreibenden[63] iSd § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GewO oder eines Unterrichtungsnachweises für das Bewachungspersonal iSd § 34a Abs. 1a S. 1 Nr. 2 GewO gebietet[64]. Der deutsche Gesetzgeber hat die richtlinienrechtlichen Gebote nunmehr übergreifend in § 13c GewO geregelt.

      c) Ermessen

      139

      Die Untersagung der Gewerbefortsetzung steht nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO im Ermessen der Behörde. Für die Ermessensausübung sind die Kriterien des § 40 VwVfG maßgeblich. Hier kommt ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs in Betracht, sofern die Stadtverwaltung die verfassungsrechtlichen Grenzen der Ermessenseinräumung verkannt hat[65]. Die Fortsetzungsuntersagung könnte sich im Hinblick auf die Gewerbefreiheit der MS Ltd. als unverhältnismäßig erweisen, wenn sie allein auf die formelle Illegalität des Bewachungsbetriebs gerichtet ist, der Betrieb sich aber als materiell genehmigungsfähig erweist[66]. Indes ist die formelle Gewerberechtswidrigkeit ausreichend für eine Untersagung nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO, wenn der Betriebsinhaber kategorisch eine Antragstellung ablehnt[67]. So stehen die Dinge nach den klaren Äußerungen der MS Ltd. hier. Auf die materielle Genehmigungsfähigkeit des Bewachungsbetriebs kommt es deshalb im Ergebnis nicht an. Da die Genehmigungspflicht als solche mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, gebietet auch das Unionsrecht kein Absehen vom Erlass der Verfügung.

      4. Besonderes öffentliches Vollzugsinteresse

      140

      Die Rechtmäßigkeit der Fortsetzungsuntersagung begründet allein noch nicht ein das Aussetzungsinteresse der MS Ltd. überwiegendes Vollzugsinteresse der S. Nach § 80 Abs. 1 VwGO stellt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage die vom Gesetzgeber vorgesehene Regel dar, der Sofortvollzug die Ausnahme. Im Fall von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO beruht der ausnahmsweise Sofortvollzug im Unterschied zu § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 VwGO zudem nicht auf gesetzgeberischer, sondern nur auf behördlicher Anordnung. Daher ist er in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig. Dazu genügt nicht bereits die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes[68], weil ansonsten jeder rechtmäßige Verwaltungsakt für sofort vollziehbar erklärt und das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis verkehrt werden könnte. Es muss daher zusätzlich ein besonders öffentliches Interesse bestehen, das über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgeht[69]. Das Erlaubnisverfahren dient dem Schutz der Allgemeinheit vor unqualifiziertem Sicherheitspersonal. Infolge der Weigerung der MS Ltd., eine Erlaubnis zu beantragen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Fehlverhalten auch während des Hauptsacheverfahrens fortsetzen wird, so dass eine akute Gefahr für die Allgemeinheit gegeben ist. Diese erfordert eine sofortige Einstellung der Tätigkeiten und rechtfertigt damit nicht nur die Fortsetzungsuntersagung, sondern darüber hinaus die Anordnung des Sofortvollzugs[70].

      5. Ergebnis

      141

      Bei summarischer Prüfung der Rechtslage ist die Fortsetzungsuntersagung rechtmäßig und es besteht ein besonders öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Damit überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse der S das Aussetzungsinteresse der MS Ltd.

      C. Gesamtergebnis zum 1. Teil

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      Ein Antrag der MS Ltd. auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wäre zwar zulässig, aber unbegründet.

      2. Teil: Rechtmäßigkeit des an B gerichteten Bescheids

      A. Ermächtigungsgrundlage

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      Bei der Untersagung handelt es sich um einen (formellen) Verwaltungsakt iSv § 35 VwVfG, der wegen § 1 GewO bzw wegen Art. 12 Abs. 1 GG einer Rechtsgrundlage bedarf. Als Grundlage für den an B gerichteten Bescheid kommt einerseits § 35 Abs. 7a S. 1 GewO in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann „die Untersagung“ auch gegenüber der mit der Leitung des Betriebs beauftragten Person ausgesprochen werden. Damit ist die Untersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO gemeint, also die Untersagung der selbstständigen Ausübung des Bewachungsgewerbes durch B[71]. Aus § 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 letzte Alt. GewO folgt die Befugnis, B auch die selbstständige Ausübung anderer oder aller Gewerbe iSv § 35 GewO zu untersagen. Schließlich liefert § 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewO nicht nur die Möglichkeit, B die Betriebsleitung im bislang ausgeübten Bewachungsgewerbe zu untersagen, sondern die gewerbliche Leitungsposition generell zu unterbinden[72].

      Hinweis:

      Grundsätzlich handelt es sich um unterschiedliche materielle Verwaltungsakte, die aber von der Behörde regelmäßig in einem formellen Bescheid miteinander verbunden werden. Von den Bearbeiter/innen ist verlangt, die jeweilige Eingriffsgrundlage zu identifizieren, was Genauigkeit und ein wenig Knobelei erfordert.

      Voraussetzung ist aber, dass § 35 Abs. 7a GewO anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 7a GewO könnte ausgeschlossen sein, wenn ein Fall des § 35 Abs. 8 GewO vorliegt. Nach § 35 Abs. 8 S. 1 GewO sind § 35 Abs. 1–7a GewO nicht anwendbar, soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Die zweite Variante scheidet aus. Zwar kann eine Erlaubnis für das Bewachungsgewerbe nach §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben werden, wenn der Gewerbetreibende iSv § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewO unzuverlässig (geworden) ist; allerdings besitzt die MS Ltd. keine Erlaubnis, die aufgehoben werden könnte.

      Fraglich ist, ob die Anwendbarkeit von § 35 GewO wegen der möglichen – und rechtmäßig erfolgten (siehe Teil I) – Fortsetzungsuntersagung nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ausgeschlossen ist. Dies wäre dann zu bejahen, wenn § 15 Abs. 2 S. 1 GewO auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellte. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO soll hingegen allein das Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis sanktionieren. § 35 GewO kann deshalb neben § 15 Abs. 2 S. 1 GewO zur Anwendung kommen[73]. Da gegen die MS Ltd. nach § 35 Abs. 1 GewO eingeschritten werden kann, gilt dies auch für ein Vorgehen gegenüber dem Betriebsleiter. Deshalb deckt § 35 Abs. 7a GewO auch ihm gegenüber eine erweiterte Untersagung für noch nicht ausgeübte erlaubnispflichtige Tätigkeiten[74].

      Hinweise:

      Gegen das nach dem Wortlaut von § 35 Abs. 8 GewO recht eindeutige Ergebnis werden sich vermutlich einige Bearbeiter/innen intuitiv sperren, weil in verkürzender und unzutreffender Wahrnehmung § 35 GewO allein als Eingriffsgrundlage für das erlaubnisfreie Gewerbe identifiziert wird. Gleichwohl wird nur ganz vereinzelt eine Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO für die Anwendung von § 35 Abs. 1 GewO vertreten[75]. Diese Auffassung verkennt Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen: Während § 15 Abs. 2 S. 1 GewO nur die Untersagung des konkreten Betriebs zB durch Sperrung und Versiegelung der Räume ermöglicht, ist § 35 Abs. 1 GewO personenbezogen grundsätzlich auf die Ausübung des jeweiligen Gewerbes gerichtet, dessen Ausübung im gesamten Geltungsbereich der GewO gesperrt

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