Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr

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Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr Schwerpunkte Klausurenkurs

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rechtswidrig, wenn das Vollzugsinteresse der Stadt S nicht das Aussetzungsinteresse der MS Ltd. überwiegt. Dabei sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von entscheidender Bedeutung[28]. Stellt sich die Untersagung bei summarischer Prüfung als rechtswidrig dar, kann an deren sofortigem Vollzug kein überwiegendes Interesse bestehen.

      Hinweis:

      Anders als in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 VwGO ist das Vollzugsinteresse in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig, weil der Sofortvollzug nicht auf einer Anordnung des Gesetzgebers, sondern einer solchen der Behörde beruht. Für die (materielle) Rechtmäßigkeit der Anordnung ist deshalb maßgeblich, dass das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse überwiegt[29]. Dies muss im Obersatz zum Ausdruck kommen.

      1. Ermächtigungsgrundlage

      129

      Wegen der Gewerbefreiheit nach § 1 Abs. 1 GewO bedarf die Untersagung einer Ermächtigungsgrundlage. Eine solche könnte sich in § 15 Abs. 2 S. 1 GewO finden, der die zuständigen Behörden ermächtigt, die Fortsetzung eines Betriebs zu untersagen, der ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben wird.

      Hinweis:

      Grob fehlerhaft wäre ein Abstellen auf § 15 Abs. 2 S. 2 GewO, da die Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person in Deutschland anerkannt ist[30]. Im Übrigen macht der Sachverhalt hinreichend deutlich, dass die Fortsetzungsuntersagung auf die fehlende gewerberechtliche Erlaubnis gestützt wird.

      2. Formelle Rechtmäßigkeit

      a) Zuständigkeit

      130

      Die sachliche Zuständigkeit der Stadtverwaltung von S für die Fortsetzungsuntersagung nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ergibt sich aus § 1 ZuVO Rh-Pf Gewerberecht.

      Hinweis:

      Die Zuständigkeit bestimmt sich gemäß § 155 Abs. 2 GewO nach Landesrecht.

      b) Verfahren

      131

      Laut Sachverhalt wurde die MS Ltd. gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angehört.

      c) Form

      132

      Formverstöße sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt eine Begründung für die Fortsetzungsuntersagung gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG vor.

      3. Materielle Rechtmäßigkeit

      a) Tatbestandliche Voraussetzungen

      133

      Nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO kann die Fortsetzung des Betriebs verhindert werden, wenn ein Gewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben wird. Fraglich ist deshalb, ob der Betrieb des Bewachungsgewerbes erlaubnisbedürftig ist. Die Erlaubnisbedürftigkeit könnte sich aus § 34a GewO ergeben. Nach § 34a Abs. 1 S. 1 GewO bedarf der Erlaubnis, wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will.

      Vorausgesetzter Gegenstand der Bewachung ist ua das fremde Eigentum. Maßgeblich hierfür sind nicht die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse[31]. Selbst wenn in den Juwelier- und Handygeschäften Waren angeboten werden, die nicht im Eigentum des Ladeninhabers stehen, liegt folglich fremdes Eigentum als Bewachungsgegenstand vor.

      Fraglich ist hingegen, ob die Tätigkeit der Mitarbeiter der MS Ltd. die Kriterien der Bewachung erfüllt. Bewachung ist die auf den Schutz fremden Eigentums gerichtete aktive personale Obhutstätigkeit[32]. Nach dem Sachverhalt beobachten die Mitarbeiter der MS Ltd. aktiv das Verhalten der Kundschaft in den Geschäften und beschränken sich nicht auf passive Tätigkeiten zB eines „Haushüters“[33]. Fraglich könnte aber – in Abgrenzung zu Detekteien iSv § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GewO – die Schutzintention dieser Tätigkeit sein, denn nach dem Sachverhalt schreiten die Mitarbeiter erst dann ein, sobald ein Ladendieb mit der weggenommenen Ware die Kassenzone passiert hat. Allerdings führt diese „Gewahrsamslockerung“ bezogen auf den Eigentumsschutz nicht zu einer Ablehnung des Merkmals der Bewachung. Das Abwarten der Mitarbeiter vor dem Zugriff dient vor allem Beweiszwecken. Es ist nicht gleichzusetzen mit der Ermittlungstätigkeit von Detektiven und rechnet noch der präventiven Bewachung zu[34].

      Schließlich setzt die Erlaubnispflicht die Gewerbsmäßigkeit der Bewachung fremden Eigentums voraus. Dies erfordert eine selbstständige, auf Dauer angelegte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht. Die MS Ltd. übernimmt die Bewachung selbstständig und fungiert nicht etwa als angestellter „Werkschutz“. Sie ist auch dauerhaft mit Gewinnerzielungsabsicht tätig. Folglich liegen die Voraussetzungen der Erlaubnisbedürftigkeit nach § 34a Abs. 1 GewO vor.

      Hinweis:

      In Anbetracht dahingehender vereinzelter Stimmen in Judikatur und Schrifttum[35] wäre es vertretbar, die Erlaubnispflicht nach § 34a Abs. 1 GewO mangels Bewachungstätigkeit abzulehnen. In diesem Fall würde sich die Frage der Vereinbarkeit der Genehmigungspflicht mit dem unionalen Primärrecht nicht mehr stellen. Da die Bearbeiter/innen aber zu einer erschöpfenden Diskussion der aufgeworfenen Rechtsfragen angehalten sind, sind auch in diesem Fall Ausführungen zur Vereinbarkeit mit Europarecht zu erwarten.

      b) Erlaubnisfreiheit wegen Niederlassungsfreiheit?

      134

      Möglicherweise verstößt aber die Erlaubnispflicht nach § 34a Abs. 1 GewO gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV und muss wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zurücktreten (s.a. Fall 3).

      Hinweis:

      Weil mit der Genehmigungspflicht die tatbestandsmäßige Voraussetzung einer Untersagung in Frage steht, empfiehlt sich die Diskussion auch an dieser Stelle und nicht erst im Rahmen der Ermessensausübung.

      aa) Unmittelbare Anwendung

      135

      Die Grundsätze der Unionstreue und der einheitlichen Wirksamkeit des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 3 EUV) gebieten seinen Anwendungsvorrang vor kollidierendem nationalen Recht[36]. Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV ist eine unmittelbar anwendbare Norm, die von allen mitgliedstaatlichen Instanzen zu beachten ist. Indes scheidet ein unmittelbarer Durchgriff auf die Grundfreiheiten regelmäßig aus, wenn der Sachverhalt abschließend durch das unionale Sekundärrecht geregelt wird[37]. Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit des Bewachungsgewerbes wird aber von der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen nicht abschließend geregelt, weshalb sie laut Bearbeitungshinweis auch nicht zu prüfen ist. Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG nimmt in Art. 2 Abs. 2 lit. k das Bewachungsgewerbe von vornherein aus ihrem Anwendungsbereich aus.

      Die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit setzt einen grenzüberschreitenden Bezug voraus. Dieser liegt vor, wenn ein Selbstständiger aus einem anderen Mitgliedstaat in Deutschland eine (Zweig-)Niederlassung begründet oder begründen will. Auch diese Voraussetzung

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