Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr

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Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr Schwerpunkte Klausurenkurs

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      VII. Art. 352 AEUV – Flexibilitätsklausel

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      Auf der Grundlage der Flexibilitätsklausel kann die Union Rechtsakte erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich erscheint, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und wenn in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind (Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV).

      Gleichwohl dürfen die auf der Flexibilitätsklausel beruhenden Maßnahmen keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den Fällen beinhalten, in denen die Verträge eine solche Harmonisierung ausschließen (Art. 352 Abs. 3 AEUV). Genau das regelt aber Art. 168 Abs. 5 AEUV im Bereich des Gesundheitsschutzes.

      Außerdem sind die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten: Aus dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass die Kommission den Deutschen Bundestag und den Bundesrat nach Art. 352 Abs. 2 AEUV im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 Abs. 3 EUV auf die Vorschläge aufmerksam gemacht hätte. Zudem haben der Deutsche Bundestag und der Bundesrat der Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung nicht nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG zugestimmt. Das aber verlangt das BVerfG, weil die Flexibilitätsklausel in ihrem Anwendungsbereich unbestimmt ist und im nahezu gesamten Anwendungsbereich des Primärrechts eine Zuständigkeit der Union schaffen kann. Die Übertragung einer Blankettermächtigung auf die Union wäre verfassungsrechtlich unzulässig.

      Im Ergebnis scheidet Art. 352 AEUV als Rechtsgrundlage aus.

      VIII. Verletzung des Subsidiaritätsprinzips, Art. 5 Abs. 3 EUV

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      Wie ausgeführt kommt der Union allenfalls für die Harmonisierung des Pressemarktes und anderer Medien eine vertragliche Rechtsgrundlage zu. Hierfür ist das Vorliegen der Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips zu prüfen.

      Das in Art. 5 Abs. 3 EUV geregelte Subsidiaritätsprinzip stellt nach mittlerweile herrschender Meinung eine Kompetenzausübungsregelung dar, dh es bestimmt, in welchen Fällen die Union von einer ihr durch den Vertrag zugewiesenen Kompetenz Gebrauch machen darf.

      1. Ausschließliche Zuständigkeit der Union?

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      Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 3 EUV ist zunächst, dass die beanstandete Regelung nicht einen Bereich betrifft, der in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt. Die Rechtsangleichung auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 AEUV gehört nicht zur ausschließlichen Zuständigkeit der Union (Art. 3 AEUV).

      2. „Nicht ausreichend“ auf mitgliedstaatlicher Ebene; „besser“ auf Unionsebene

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      Mit dem Lissabon-Vertrag wurden die verfahrensrechtlichen Vorgaben erheblich erweitert: Die Kommission muss zunächst umfangreiche Anhörungen durchführen (Art. 2 Subsidiaritätsprotokoll) und ihre Gesetzesentwürfe dem Unionsgesetzgeber und den nationalen Parlamenten gleichzeitig zuleiten (Art. 4 Abs. 1 Subsidiaritätsprotokoll). Diese Entwürfe sind zu begründen (Art. 5 Subsidiaritätsprotokoll). Den mitgliedstaatlichen Parlamenten kommt die Befugnis zu, binnen acht Wochen eine begründete Stellungnahme abzugeben (Art. 6 Subsidiaritätsprotokoll). Daran schließt sich ein „Verhinderungsverfahren“ an (Art. 7 Subsidiaritätsprotokoll). Hier hat die Kommission ihren Vorschlag für eine Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung weder dem öffentlichen Anhörungsverfahren unterzogen, noch diesen den nationalen Parlamenten vorher mitgeteilt. Die Verordnung ist deshalb rechtswidrig zustande gekommen.

      B. Verstoß gegen die Grundrechte

      I. Rechtsgrundlage der europäischen Grundrechte

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      Nach Art. 6 Abs. 1 EUV erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der GRC niedergelegt sind.

      Die GRC gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC). Die Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung ist eine Maßnahme der Union und deshalb an den europäischen Grundrechten zu messen. Auch soweit die Mitgliedstaaten im Vollzugswege die Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung durchzuführen haben, sind sie an die europäischen Grundrechte gebunden.

      II. Meinungsfreiheit

      1. Schutzbereich

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      Art. 11 GRC bestimmt, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

      Nach Art. 6 Abs. 3 EUV sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Deshalb hat die EMRK bei der Bestimmung der Rechte, die das Unionsrecht schützt, und des Umfanges des gewährten Schutzes besondere Bedeutung als Inspirationsquelle (vgl. a. Art. 52 Abs. 3 GRC).

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