Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff
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IV. Der Konzern gem. § 18 AktG
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Ein Konzern i.S.d. § 18 AktG wird gebildet durch die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung. Obwohl der daraus resultierende Zusammenschluss Namensgeber für das gesamte Konzernrecht ist, knüpfen die entsprechenden Regelungen nur vereinzelt an das Vorliegen eines Konzerns in diesem engen Verständnis an.[1]
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Wesentliches Merkmal stellt die einheitliche Leitung dar.[2] Umstritten ist dabei, auf welche Unternehmensbereiche sich diese einheitliche Leitung erstrecken muss.[3] Die Vertreter eines engen Konzernverständnisses verlangen insofern eine einheitliche Planung der Konzernspitze für alle zentralen unternehmerischen Bereiche, die gegenüber den Konzernuntergesellschaften ohne Rücksicht auf deren rechtliche Selbstständigkeit durchgesetzt wird.[4] Zu diesen zentralen Bereichen werden insbesondere das Finanz- sowie das Personalwesen gezählt, deren einheitliche Leitung demnach zur Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Konzerns i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG ist. Die Vertreter eines weiten Konzernverständnisses sehen beim Vorliegen einer einheitlichen Finanz- und Personalplanung ebenfalls ein Konzernverhältnis als gegeben.[5] Darüber hinaus halten sie aber auch die einheitliche Planung in einzelnen zentralen Unternehmensbereichen wie Einkauf, Organisation oder Verkauf für ausreichend.[6]
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Ein weiteres Merkmal des Konzerns stellt nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG die Zusammenfassung der beteiligten Unternehmen dar. Während die heute wohl überwiegende Meinung diesem Merkmal neben dem Vorliegen einer einheitlichen Leitung keine eigenständige Bedeutung beimisst,[7] sehen einzelne Autoren hierin den Anknüpfungspunkt für die notwendige Abgrenzung des Konzerns von einem Kartell.[8] Diese Auffassung verlangt dabei eine beständige und somit über den Einzelfall hinaus – und damit für eine im Voraus nicht festliegende Zahl von Fällen – existierende Zusammenfassung von Unternehmen, im Gegensatz zur bloßen Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens im Einzelfall.[9]
1. Eingliederungskonzern, Vertragskonzern, und faktischer Konzern
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Betrachtet man den Konzern im Sinne des § 18 AktG, so ist zwischen dem Eingliederungskonzern, dem Vertragskonzern sowie dem faktischen Konzernen zu unterscheiden.
a) Eingliederungskonzern
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Bei der Eingliederung handelt es sich um die denkbar engste Verbindung rechtlich selbstständiger Unternehmen.[10] Unterschieden wird zwischen der Eingliederung hundertprozentiger Tochtergesellschaftern (§ 319 AktG) sowie der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss (§ 320 AktG). Voraussetzung ist in beiden Fällen das Vorliegen von zwei Aktiengesellschaften.[11] Im Rahmen der Eingliederung i.S.d. § 319 AktG muss die künftige Hauptgesellschaft gem. § 319 Abs. 1 S. 1 AktG über 100 % des Aktienkapitals der einzugliedernden Gesellschaft verfügen. Die Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft kann die Eingliederung sodann beschließen. Erforderlich ist darüber hinaus gem. § 319 Abs. 2 S. 1 AktG ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft. Ein Grund für das Zustimmungserfordernis ist insbesondere in der Übernahme der Verbindlichkeiten der einzugliedernden Gesellschaft zu sehen.[12]
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Eine Eingliederung ist gem. § 320 AktG aber auch dann möglich, wenn die zukünftige Hauptgesellschaft noch nicht über 100 % des Aktienkapitals der einzugliedernden Gesellschaft verfügt. Die Hauptversammlung dieser einzugliedernden Gesellschaft kann die Eingliederung dann durch Mehrheitsbeschluss herbeiführen. Erforderlich ist jedoch, dass auf die künftige Hauptgesellschaft zu diesem Zeitpunkt 95 % des Aktienkapitals fallen. Die übrigen Aktionäre erhalten dann einen Abfindungsanspruch, der gem. § 320b Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich auf die Zuteilung von Aktien der Hauptgesellschaft gerichtet ist.[13]
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Durch die Eingliederung erhält die Hauptgesellschaft die Möglichkeit, weitgehend frei über das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft zu verfügen.[14] Hierzu erhält sie gem. § 323 Abs. 1 S. 1 AktG ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft. Gleichwohl die beteiligten Unternehmen ihre rechtliche Selbstständigkeit erhalten, wird durch dieses Weisungsrecht die grundsätzlich bestehende Unabhängigkeit des Vorstandes der beherrschten Tochtergesellschaft i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG verdrängt.[15] Der Hauptgesellschaft steht es dabei auch frei, gegenüber der eingegliederten Gesellschaft für diese nachteilige Weisungen zu erteilen.[16] Allein rechtswidrige Weisungen müssen und dürfen nicht befolgt bzw. umgesetzt werden.[17] Bedeutsamer Ausgleich dieser umfassenden Rechte ist die Haftung der Hauptgesellschaft nach § 322 AktG. Danach haftet die Obergesellschaft ab dem Zeitpunkt der Eingliederung für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft gegenüber deren Gläubiger als Gesamtschuldnerin, und zwar unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeiten vor oder nach Eingliederung entstanden sind.[18] In dieser strengen Haftung mag schließlich auch ein wesentlicher Grund für die relativ geringe Verbreitung von Eingliederungskonzernen in der Praxis liegen.[19]
b) Vertragskonzern
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Deutlich häufiger als Eingliederungskonzerne sind hingegen Vertragskonzerne. Die Rechtssituation verglichen zur Eingliederung ist hier ähnlich, aber eben keinesfalls identisch.[20] Der Vertragskonzern wird durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG herbeigeführt.[21] Im Unterschied zur Eingliederung ist hier zunächst der Verbleib von außenstehenden Aktionären möglich.[22] Im Rahmen eines Beherrschungsvertrages unterstellt ein Unternehmen seine Leitung auf vertraglicher Grundlage einem anderen Unternehmen.[23] Das herrschende Unternehmen erwirbt auch hier ein Weisungsrecht gegenüber dem beherrschten Unternehmen gem. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG, das die eigenverantwortliche und weisungsunabhängige Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG verdrängt.[24] Das Weisungsrecht aufgrund eines Beherrschungsvertrages ist verglichen mit der Situation nach der Eingliederung jedoch eingeschränkt, sofern im Rahmen des § 308 Abs. 1 AktG verlangt wird, dass die Weisung wenn nicht dem reinen Interesse der beherrschten Gesellschaft, dann aber wenigstens einem Gesamtkonzerninteresse dient. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, ist die Befolgung der Weisung gem. § 308 Abs. 1, 2 AktG zu verweigern.[25] Um Gläubiger und weitere Aktionäre der beherrschten Gesellschaft zu schützen, sehen §§ 300 bis 305 AktG verschiedene Schutzmechanismen wie die Verpflichtung zur Schaffung von Rücklagen (§ 300 AktG) oder die Begrenzung der Gewinnabführung zwischen beherrschter und herrschender Gesellschaft (§ 301 AktG) vor.[26] Größerer Bedeutung kommt dabei der Regelung des § 302 Abs. 1 AktG zu, wonach die herrschende Gesellschaft grundsätzlich die Verluste der beherrschten Gesellschaft auszugleichen hat.[27] Im Vergleich zur Eingliederung haftet die Obergesellschaft eines Vertragskonzerns jedoch nicht primär als Gesamtschuldnerin für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften, eine dem § 322 AktG vergleichbare Regelung gibt es für den Vertragskonzern nicht.
c) Faktischer Konzern
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Jeder Konzern, der nicht aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder durch Eingliederung entsteht, ist indes faktischer Konzern.[28] Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen durch andere Unternehmensverträge i.S. der §§ 291 f. AktG verbunden sind.[29] Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG führt damit nicht zum Entstehen eines Vertragskonzerns. Regelmäßig werden dann aber eine Abhängigkeit und damit – aufgrund der Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG – ein faktischer Konzern entstehen.[30]
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