Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff
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Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfolgen durch die Begründung von Vertragskonzernen, wie vor allem den Regelungen zum Verlustausgleich, kommen faktische Konzerne in der Praxis weit häufiger vor.[37] Dies gilt insbesondere hinsichtlich Tochtergesellschaften, die als GmbH ausgestaltet sind.[38] Anders als bei der Aktiengesellschaft, wo allein das Weisungsrecht gem. §§ 308 Abs. 1, 323 Abs. 1 AktG die Unabhängigkeit des Vorstandes der Tochtergesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG verdrängen kann, bestehen bei einer GmbH auch ohne Beherrschungsverträge gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weitgehende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung.[39] Sofern dennoch auch im Bereich der GmbH Beherrschungsverträge abgeschlossen werden, dient dies vor allem der Umgehung der aufwendigen Einflussnahme durch die förmliche Gesellschafterversammlung sowie der Erreichung der körperschaftssteuerrechtlichen Privilegien aus der Organschaft gem. §§ 14, 17 KStG.[40] Die weitgehenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter im Rahmen einer GmbH auch ohne Beherrschungsvertrag führen jedoch zum Vorliegen anderer Grundvoraussetzungen im Vergleich zum faktischen Konzern betreffend eine beherrschte Aktiengesellschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslagen scheidet damit auch die analoge Anwendung des § 311 AktG aus, der von einer grundsätzlichen Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes ausgeht.[41] An die Stelle der Kodifizierungen betreffend den faktischen Aktienkonzern tritt insbesondere die allgemeine Treuepflicht der Gesellschafter einer GmbH gegenüber der Gesellschaft, bei deren Verletzung im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.[42]
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Liegt ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vor, ist die Konzernvermutung aus § 18 Abs. 1 S. 2 AktG unwiderlegbar. Die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für das Vorliegen eines faktischen Konzerns kann hingegen widerlegt werden. Erforderlich ist dann der Nachweis des Fehlens einer einheitlichen Leitung. Zu beachten ist aber, dass wesentliche Rechtsfolgen – wie etwa die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG – sich bereits aus dem Vorliegen der Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 1 AktG ergeben, das Vorliegen eines faktischen Konzerns i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 AktG damit diesbezüglich ohnehin nicht erforderlich ist.[43]
2. Gleichordnungs- und Unterordnungskonzern
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Neben Vertragskonzernen, der Eingliederung und faktischen Konzernen kann zudem zwischen Gleichordnungs- und Unterordnungskonzernen unterschieden werden. Während es sich bei Unterordnungskonzernen um den Regelfall einer Unternehmensverbindung zwischen beherrschendem und beherrschtem Unternehmen handelt, existiert in einem Gleichordnungskonzern gem. § 18 Abs. 2 AktG zwar eine einheitliche Leitung, aber keine Abhängigkeit zwischen den Beteiligten.[44] So ist etwa denkbar, dass den beteiligten Unternehmen ein sofortiges Kündigungsrecht zusteht, um die Unterwerfung unter eine einheitliche Leitung jederzeit und kurzfristig lösen zu können.[45]
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Um eine Abgrenzung dieser eher seltenen Erscheinung zu gewöhnlichen Kooperationsverhältnissen zu ermöglichen, werden hierbei an die einheitliche Leitung besonders hohe Anforderungen gestellt.[46] So genügt auch den Vertretern eines weiten Konzernverständnisses anders als beim Unterordnungskonzern nicht lediglich die einheitliche Leitung in einzelnen, wesentlichen unternehmerischen Bereichen.[47] Erforderlich ist vielmehr auch nach dieser Ansicht hier eine einheitliche Leitung der gesamten Unternehmung. Anderenfalls wäre schnell jedes Kartell als Gleichordnungskonzern zu qualifizieren.[48]
Anmerkungen
Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 16, 22 ff; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 2; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 36; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 222.
Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 28; Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 8; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 1.
Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 28; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3.
So etwa Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 939, 941; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 84.
Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 9; Vetter in: Schmidt/Lutter, § 18 AktG Rn. 9; Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 31. Sofern beide Ansichten das Vorliegen einer einheitlichen Finanzplanung ausreichen lassen, stehen sie insofern in Übereinstimmung mit der Auffassung des BGH vgl. BGH NJW 1989, 1800 (1803); BGH NJW 1991, 3142 (3143).
Ein weites Konzernverständnis wird etwa vertreten von Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 15; Vetter in: Schmidt/Lutter, § 18 AktG Rn. 11; Hirschmann in: Hölters, § 18 AktG Rn. 15; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3; Schall in: Spindler/Stilz, § 18 AktG Rn. 14. Im Ergebnis auch Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 32 f., der zugleich auf die im Ergebnis geringe Bedeutung des Streits hinweist. Die kaum vorhandene Relevanz attestieren überdies auch Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 34.
Vgl. nur Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 7; Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 27; Hirschmann in: Hölters, § 18 AktG Rn. 10; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 27.
So vor allem Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 19 ff.