Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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Weil bei der normativen Ausgestaltung der Einzelheiten des Anschluss- und Benutzungszwangs durchgängig das rechtsstaatliche Übermaßverbot zu beachten ist, kann sich gegebenenfalls ein Anspruch auf Ausnahmegenehmigung (vgl o. Rn 277) aus dem Grundrecht ableiten lassen[28].
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Belastende Wirkungen bringt die Festlegung eines Anschluss- und Benutzungszwangs aber auch namentlich für solche Gewerbetreibende mit sich, die entsprechende Einrichtungen bislang auf privater Basis betrieben haben. Hier steht die Judikatur der obersten Bundesgerichte auf dem Standpunkt, der private Betreiber habe von Anfang an damit rechnen müssen, dass eine öffentliche Einrichtung geschaffen und ein Anschluss- und Benutzungszwang begründet werde. Insofern habe er nur eine – von den Art. 12 und 14 GG nicht geschützte – risikobehaftete wirtschaftliche Chance wahrgenommen und sich in eine Position begeben, die insoweit mit der des vorgenannten Grundstückseigentümers vergleichbar sei, dessen latente situationsbedingte Pflichtigkeiten sich leicht alsbald zu aktuellen Verpflichtungen verdichten könnten[29].
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Angesichts der besonderen Begründungsbedürftigkeit für öffentliche Monopole[30] wird aber darüber hinaus auch zu fragen sein, inwieweit durch die Schaffung und auch durch die Aufrechterhaltung eines Anschluss- und Benutzungszwangs berufliche Entfaltungschancen Privater übermäßig behindert werden[31]. Gegebenenfalls muss dem durch eine Befreiungsregelung (o. Rn 277) Rechnung getragen werden.
Teil I Kommunalrecht › § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang › V. Rechtsfragen aus dem Benutzungsverhältnis
1. Entgelt
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Auch wenn für eine der Volksgesundheit dienende Einrichtung ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet ist, kann die Gemeinde nach ihrem Ermessen die Einzelheiten der Benutzungsverhältnisse privatrechtlich, nach Maßgabe entsprechender AGB, regeln. Anschluss- und Benutzungszwang einerseits und die eher verwaltungsökonomisch orientierte Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses einschließlich der einschlägigen Entgeltregelungen andererseits gehören nicht dergestalt zusammen, dass nur eine einheitliche (öffentl.-rechtl.) Ausgestaltung akzeptabel wäre. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Gemeindeordnungen nur von „öffentlichen“, nicht aber von „öffentlich-rechtlichen“ Einrichtungen sprechen und seit langem vielfach Träger der entsprechenden Einrichtung gar nicht die Gemeinde selbst, sondern eine privatrechtliche Organisation (Bsp.: Stadtwerke GmbH) ist (vgl oben Rn 247). Schließlich lässt das Kommunalabgabenrecht selbst bereits erkennen, dass für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ein privatrechtliches Entgelt möglich ist (vgl Art. 8 I 2 bay.KAG; § 5 I 1 nds.KAG; § 6 I 1 KAG NRW)[32].
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Lösungshinweis zu Fall 8 (Rn 267):
Daher sind im Ausgangsfall A die organisationsbezogenen Einwände des W zurückzuweisen. Gleiches gilt für die monierte Abstufung hinsichtlich der tariflichen Entgeltfestsetzung, die in Orientierung an den strukturellen Besonderheiten des Versorgungsgebietes erfolgte und als legitime Ermessensausübung hinsichtlich des Entgeltmaßstabes keine Verletzung des Gleichheitssatzes impliziert.
2. Durchsetzung
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Beim gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang steht die Pflicht des Adressaten im Vordergrund, es zu unterlassen, andere Einrichtungen als die betreffende gemeindliche zu benutzen. Auch nach Vornahme des angeordneten Anschlusses bedarf es daher ggf behördlicher Zwangsmaßnahmen zur Sicherstellung einer entsprechenden Benutzung. Zwangsgeld zur Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs darf daher auch nach tatsächlich erfolgtem Anschluss ggf noch weiter beigetrieben werden[33].
3. Haftungsfragen
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Beim Betrieb der mit Anschluss- und Benutzungszwang ausgestatteten öffentlichen Einrichtung können einem Benutzer Schäden erwachsen. Sind die Rechtsbeziehungen privatrechtlich geregelt, so ist auf die diesbezüglichen vertraglichen und deliktischen Haftungsnormen zu verweisen[34]. Bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung ist zunächst an eine Haftung aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis nach vertragsähnlichen Grundsätzen zu denken[35], die aber für leicht fahrlässiges Handeln durch Satzung ausgeschlossen werden kann, soweit dies durch sachliche Gründe (Bsp.: Sicherung der Kostengünstigkeit der Leistungserbringung) gerechtfertigt ist und den Benutzern keine unverhältnismäßigen Opfer abverlangt werden[36].
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Die bundesgesetzlich geregelte Amtshaftung (§ 839 BGB iVm Art. 34 GG) kann jedoch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung durch eine kommunale Satzung nicht beschränkt werden[37].
Wiederholungs- und Verständnisfragen
1. | Welche Voraussetzungen müssen für die Schaffung eines Anschluss- und Benutzungszwangs vorliegen? Rn 268, 272, 276 |
2. | Unter welcher Voraussetzung können wegen Unzumutbarkeit Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zugelassen werden? Rn 277 |
3. | Welche Grundrechte sind durch den Anschluss- und Benutzungszwang insbesondere betroffen? Rn 278 |
Anmerkungen
Vgl § 11 bd.wtt.GO; Art. 24 I Nr 2 bay.GO; § 12 II BbgKVerf; § 21 I Verf.Bremerhaven; § 19 II Hess.GO; § 15 m.v.KVerf; § 13 NKomVG; § 9 GO NRW; § 26 rh.pf.GO; § 22 I saarl.KSVG; § 14 I sächs.GO; § 11 LSA KVG; § 17 II schl.h.GO; § 20 II Nr 2 thür.KO.
Vgl allgemein Faber, Der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang, 2005.