Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht. Christina Konzelmann

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Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht - Christina Konzelmann Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

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eine grenzüberschreitende Verwaltungssitzverlegung einer Gesellschaft an der mit einem Statutenwechsel einhergehenden fehlenden Anerkennung im Zuzugsstaat. Seit den Entscheidungen des EuGH über die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften gilt nunmehr, dass EU-Auslandsgesellschaften uneingeschränkt nach ihrem Gründungsrecht anzuerkennen sind, das den Maßstab für alle gesellschaftsrechtlichen Fragen bildet. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass die Niederlassungsfreiheit nach Artt. 49, 54 AEUV selbst als versteckte Kollisionsnorm zu verstehen sei bzw. die Vorgabe der Gründungstheorie durch den EuGH im Sinne eines gesellschaftskollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzips folge. Es bleibt daher zu klären, ob die Vorgabe der Gründungstheorie tatsächlich aus der Niederlassungsfreiheit folgt oder das anzuwendende Gründungsrecht auf die EU-Auslandsgesellschaft nicht vielmehr aus dem europarechtlichen Prinzip des Anwendungsvorrangs resultiert.

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      Den weiteren Gegenstand der Untersuchung bildet dann die Auswirkung der Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit auf das deutsche Strafrecht. Denn auch nationale Strafnormen dürfen grundsätzlich weder zu einer Diskriminierung führen, noch unionsrechtliche Grundfreiheiten beschränken. Kollidiert im Einzelfall eine Strafvorschrift mit unmittelbar geltendem Unionsrecht, bewirkt der Anwendungsvorrang eine „Neutralisierung“ der Norm mit der Folge, dass bereits der objektive Tatbestand ausgeschlossen ist. Dies betrifft jene Straftatbestände, die über ihre akzessorische Ausgestaltung über normative Tatbestandsmerkmale oder Blanketttatbestände auf das Gesellschaftsrecht oder gesellschaftsrechtliche Verhaltenspflichten verweisen. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann in diesen Fällen daraus folgen, dass der Straftatbestand an Verhaltenspflichten anknüpft, für die sich im Gründungsrecht der Gesellschaft keine Entsprechung findet oder an die durch die nationale Norm strengere Anforderungen gestellt werden.

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      Die Fremdrechtsanwendung wird sodann am Beispiel der spanischen SL als einer in Deutschland ansässigen sogenannten Scheinauslandsgesellschaft verdeutlicht. Die mit einer Fremdrechtsanwendung einhergehenden Probleme zeigen sich besonders deutlich innerhalb der Buchführungsdelikte der §§ 283 I Nr. 5-7, 283b StGB, die auf das Handelsrecht verweisen. Dies betrifft zum einen die Frage, ob eine kollisionsrechtliche Einordnung der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zur Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung vorzunehmen ist oder nur europarechtliche Erwägungen ein anwendungskonformes Ergebnis erzeugen können. Damit einher geht die Frage, ob die §§ 283 ff. StGB überhaupt einen Verweis auf das ausländische Handelsrecht zulassen, der eine Fremdrechtsanwendung ermöglicht. Bei Blankettstrafgesetzen wurde eine Fremdrechtsanwendung – sofern diese nicht auf unionsrechtlich gesetztes Recht verweisen – mangels demokratischer Legitimation im Hinblick auf Art. 103 II GG als verfassungswidrig abgelehnt. Von diesem Verständnis wird vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit durch unterschiedliche Lösungsansätze zum Teil abgerückt. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die durch das Bestimmtheitsgebot und den Parlamentsvorbehalt an die Verweisungen durch Strafblankettgesetze gestellt werden, bedürfen daher einer eingehenden Prüfung, für die auch die Differenzierung normativer Tatbestandsmerkmale von den Blanketttatbeständen von Relevanz ist.

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      Im Folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über die Organisationsverfassung der SL sowie auf diese anzuwendenden Rechtsgrundlagen gegeben werden.

      Anmerkungen

       [1]

      EuGH Slg. 1999, I-1459 = EuZW 1999, 216 – Centros; EuGH Slg. 2002, I-9919 = EuZW 2002, 754 – Überseering; EuGH Slg. 2003, I-10155 = EuZW 2003, 687 – Inspire Art.

       [2]

      EuGH Slg. 1993, I-6097 = NJW 1994, 121 – Keck und Mithouard.

       [3]

      BGH NStZ 2010, 632.

      Inhaltsverzeichnis

       I. Allgemeines

       II. Gründung einer SL

       III. Sitz der Gesellschaft

       IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der SL

       V. Die Organisationsverfassung der SL

       VI. Die zivilrechtliche Haftung des Verwalters

       VII. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Verwalter

       VIII. Buchführungs- und Bilanzierungspflichten bei der SL

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