Soldatengesetz. Stefan Sohm
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3. Freiheitliche demokratische Grundordnung
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Im SRP-Urt.[48] hat das BVerfG die FDGO definiert als ein Prinzip, das „unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“. Als wesentliche Elemente dieser Ordnung nennt das BVerfG die Achtung vor den im GG konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit aller polit. Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Zusammengefasst sind unter FDGO die in Art. 1 und 20 GG enthaltenen Grundsätze, die gem. Art. 79 Abs. 3 GG einer Verfassungsänderung entzogen sind, zu verstehen.
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Diese Definition der FdGO gilt unangefochten bis heute.[49] Sie findet sich einfach gesetzlich so auch in § 4 Abs. 2 des BVerfSchG.
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Zu weiteren Einzelheiten, Problemstellungen und Verfahrensfragen s. die Komm. zu § 37 Rn. 23 ff.
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Die SK sind gem. Art. 12a, 87a GG Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung. Sie gehören nicht zu den Institutionen, welche die FdGO konstituieren.[50]
4. Die Pflicht zur Anerkennung und zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung
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In der Literatur (auch in der 3. Aufl. dieses Kommentars) wird z.T. zwischen der Pflicht zur Anerkennung der FdGO und der Pflicht, für ihre Erhaltung einzutreten differenziert. Die Anerkennung sei ein rein innerer Vorgang,[51] während das Eintreten das nach außen tretende Handeln oder Unterlassen sei, durch die ggf. die innere Einstellung dokumentiert würde. So argumentiert auch der 2. WDS in einer aktuellen Entscheidung (BVerwG 2 WD 17. 19), in der er ausdrücklich zwischen den beiden Alternativen des § 8 (Anerkennen und Eintreten) unterscheidet. Bei diesem Verständnis stellt § 8 zwei unterschiedliche Dienstpflichten auf.
Richtig ist, dass bei der politischen Treuepflicht regelmäßig zwei Ebenen berührt sein können: die innere Einstellung oder Überzeugung des Soldaten und sein Agieren nach außen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass ein rein innerer Vorgang nicht ausreicht, um eine Dienstpflichtverletzung eines Soldaten zu begründen. Ein Verstoß gegen § 8 liegt erst dann vor, wenn der Soldat nach außen hin zu erkennen gibt, dass er sich nicht mit der FDGO identifiziert.[52]
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Rspr. und Lit. wiederholen in diesem Zusammenhang immer wieder die Aussage, dass „das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe,“ für die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht nicht ausreiche, sondern ein Dienstvergehen erst vorliege, wenn aus der Überzeugung Folgerungen für die Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung von Dienstpflichten, für den Umgang mit Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten gezogen werden.[53]
Dies erscheint überdifferenziert und letztendlich auch inkonsistent.
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Zum einen kann die reine Mitteilung eines Soldaten, dass er eine Überzeugung habe, die mit der FdGO nicht übereinstimme, durchaus ein Dienstvergehen darstellen, selbst wenn über diese Mitteilung hinaus keinerlei Aktivitäten entfaltet werden. Es wäre h.E. bspw. widersprüchlich, einem Soldaten, der bspw. durch eine schlichte Äußerung im Kameradenkreis mitteilt, er sei überzeugter Nationalsozialist, kein Dienstvergehen anzunehmen, während das Tragen von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichen Symbolen (völlig zu Recht!) als Dienstvergehen angesehen wird – gerade mit der Begründung, durch die Tätowierung würde ein Bekenntnis dauerhaft dokumentiert, wobei das Dienstvergehen nicht an der Gesinnung oder inneren Haltung, sondern am äußeren Handeln anknüpfe. Dementsprechend konstatiert auch die Rspr., dass das geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer Überzeugung nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht sei. Zwischen dem „bloßen“ Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren lägen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen.[54] Hier klare Grenzlinien zu ziehen dürfte schwierig sein. Dass eine rein innere Haltung kein Anknüpfungspunkt für ein Dienstvergehen sein kann, folgt im Grunde schon daraus, dass diese letztendlich gar nicht feststellbar ist, wenn sie nicht in irgendeiner Form nach außen tritt.
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Ein zweiter Aspekt kommt hinzu. Die Dienstpflicht des § 8 quasi als Kombination aus dem Haben einer Überzeugung und einem nicht ganz klar definierten „Mehr“ (i.S. e. Außenwirkung) aufzufassen, kann auch zu kurz greifen. So sind h.E. disziplinar zu ahndende Verletzungen von § 8 SG denkbar, selbst wenn die betroffenen Soldatinnen oder Soldaten überhaupt keine verfassungsfeindliche Überzeugung haben.[55] Dies erscheint gerade bei dem Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole möglich, das nicht zwingend Ausdruck einer entsprechenden reflektierten Überzeugung sein muss. In der Sache verfassungsfeindliche Äußerungen können aus Gründen der Provokation oder aus sonstigen Motiven getätigt werden, nicht nur als Ausfluss einer entsprechenden politischen Haltung. Besonders deutlich wird dies in den Fällen fehlender Distanzierung oder unterbliebenem Eingreifen gegenüber verfassungsfeindlichen Umtrieben anderer, was anerkanntermaßen eine Verletzung von § 8 begründen kann.[56] Hier spielt die Überzeugung des Unterlassenden nicht zwingend eine Rolle, vielmehr möglicherweise die Furcht vor Isolierung oder der Wunsch nach Akzeptanz.
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Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, die Vorgabe des § 8 als eine einheitliche soldatische Pflicht zu qualifizieren, die im Kern darin besteht, nach außen keinerlei Distanz oder Ablehnung zur verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland erkennen zu lassen, unabhängig von der dahinterstehenden Motivation oder Überzeugung.[57] Davon unberührt bleibt, dass die Motivation bei der disziplinaren Maßnahmebemessung eine Rolle zu spielen hat. So im Ergebnis völlig zu Recht der 2. WDS[58]. Von seinem Ausgangspunkt, dass § 8 zwei verschiedene Dienstpflichten enthalte, führt dies aber zu der systematischen Eigentümlichkeit, dass der (im konkreten Fall) fehlende Verstoß gegen § 8 1. Alt. (anerkennen) als „Milderungsgrund“ bei der Maßnahmebemessung hinsichtlich des vorliegenden Verstoßes gegen § 8 2. Alt. herangezogen wird. Unklar ist bei dieser strikten Unterscheidung zwischen Anerkennen und Eintreten weiterhin, wie sich denn ein isolierter Verstoß gegen § 8 1. Alt. darstellen könnte, wenn es dabei nur um die innere verfassungsfeindliche Gesinnung geht. Eine Gesinnung kann schließlich nur durch eine Manifestation nach außen identifiziert werden. Diese dürfte aber wieder bereits die 2. Alt. erfüllen. Auch dies spricht eher dafür, die innere Einstellung als Bemessungsgrund für die Disziplinarmaßnahme zu qualifizieren und nicht als Tatbestand der Pflichtverletzung selbst. Dies ließe