Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
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Das hier darzustellende materielle Recht gewinnt seine volle Funktion freilich erst in der vorausschauenden gestalterischen Rechtsanwendung.
Bei Übereignungs- und bei Zahlungsforderungen (nach § 433, ebenso aber nach Bereicherungsrecht etc.) sollte regelmäßig daran gedacht werden, auch die Gegenleistung anbieten zu müssen (§ 320 Abs. 1) sonst ist der Anspruch nicht durchsetzbar; A hätte im vorigen Beispiel die Einrede des nichterfüllten Vertrages, weil er nur Zug-um-Zug gegen Bereitstellung der Ware zahlen muss. Das setzt sich in einer Klageschrift fort, als dort dann idealerweise der Leistungsantrag mit der Feststellung des Gläubigerverzugs hinsichtlich der Annahme einer allfälligen Gegenleistung verbunden werden sollte (§§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2, 298), um vollstreckungsrechtlich überhaupt Erfolg haben zu können (vgl. §§ 894 S. 2, 726 Abs. 2 ZPO).
Ähnlich sollte zumindest in der Praxis überlegt werden, einen Anspruch auf Herausgabe (oder Übereignung) einer Sache mit einer Fristsetzung zur Herausgabe zu verbinden (im Hinblick auf den dann an seine Stelle tretenden Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, § 281 Abs. 1 S. 1), um dem Schuldner nicht wegen des geschuldeten Gegenstands „ewig hinterherlaufen zu müssen“. Noch wichtiger ist das spätestens im Klageverfahren, den Antrag auf Herausgabe ggf. mit einer Fristsetzung und einem Schadensersatzantrag für den Fall der Nichtherausgabe (als „unechter“ Hilfsantrag) zu verbinden.
Beide Beispiele sollen andeuten, dass Die beiden zuletzt angedeuteten prozessualen Ergänzungen beruhen schlicht auf den zum relevanten Basiswissen gehörenden Einwendungen bzw. Gestaltungsrechten.
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse
B. Austauschschuldverhältnisse
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Vom Schuldinhalt her differenziert das BGB nach der charakteristischen Hauptleistung. Diese kann gerichtet sein auf Güterumsatz (Kauf) oder auf Überlassung zu Gebrauch oder Nutzung (Miete und Pacht). Des Weiteren können Arbeitsleistung und Herstellung eines Werks geschuldet sein, die je nach näherer Konkretisierung Dienst-, Werk- oder Werklieferungsvertrag sind. Daneben existieren Aufnahmeverträge (Verwahrung). Bedeutsam sind schließlich Kredit- und Kreditsicherheitenverträge (Darlehen, Bürgschaft und das Wertpapierrecht). Erwähnenswert sind schließlich noch klarstellende Verträge (Schuldanerkenntnis und Kontokorrentverhältnis). Schließlich regelt das BGB bei den Verträgen auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Nochmals zu erwähnen ist, dass diese Verträge im Wesentlichen nur Planungscharakter haben, also Umsatz, Werkerstellung oder z.B. die Inanspruchnahme einer Kreditsicherheit stets davon abhängen, dass zu der vertraglich geschaffenen Verpflichtung auch die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Verpflichteten hinzutreten müssen. Der Güterumsatz selbst ist erst die (sachenrechtliche, manchmal nur tatsächliche) Erfüllung des Schuldgeschäfts und von diesem strikt zu trennen.
Nicht jedes gesellschaftliche, persönliche Versprechen begründet notwendigerweise ein vertragliches Schuldverhältnis.[38] Außerrechtliche Gefälligkeitsverhältnisse (z.B. auf etwas oder jemanden aufzupassen, ihn im Auto mitzunehmen, etwas nutzen zu dürfen etc.) entstehen, wenn mind. einem der Partner der sog. Rechtsbindungswille fehlt und dies dem anderen erkennbar ist (etwa aufgrund der Lebensumstände unter Freunden, geringer wirtschaftlicher Bedeutung, offenzuhaltender privater Planung). Hier entsteht dann kein Erfüllungsanspruch (wie sonst etwa aus Verwahrung, Dienstleistung, Leihe etc. als rechtsverbindlichen Schuldverhältnissen). Allenfalls ist an vertragsähnliche Schutzpflichten (vgl. §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1) zu denken,[39] etwa dass der Versprechende ggf. zu angemessener Zeit vorher absagen und ansonsten den anderen stellen muss, als hätte er rechtzeitig umplanen können (Ersatz des sog. negativen Interesses: nur vermeidbare Mehrkosten, nicht der Kosten der anderweitigen Erfüllung an sich); indes können Aufklärungspflichten über gefahrträchtige Besonderheiten der „geliehenen“ Sache (korrekt: gefälligkeitshalber überlassenen Sache; denn Leihe ist ein Schuldverhältnis, § 598) haftbar machen.
Wird ein Gefälligkeitsverhältnis durchgeführt, greifen auch keine vertraglichen Haftungsmilderungen (vgl. §§ 521, 599, 690). Es bleibt beim Maßstab objektiver Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1) der deliktischen (ggf. auch der vorvertraglichen, § 280 Abs. 1) Schadensersatzpflicht (§§ 823 ff.; wenn nicht sogar Gefährdungstatbestände greifen wie z.B. § 833 S. 1 beim Überlassen eines Reitpferdes). Das bloße Gefälligkeitsverhältnis begründet also einerseits keine Leistungspflichten, kann aber andererseits zu einer strengeren Deliktshaftung führen als ein vergleichbares Schuldverhältnis.[40]
Umgekehrt kann im Gefälligkeitsverhältnis z.B. mangels rechtsverbindlicher Leihe auch nicht gegen das Verbot der Weitergabe einer Leihsache (§ 603 S. 2) verstoßen werden. Wird eine geliehene Sache unerlaubt vom Entleiher weitergegeben, haftet der Entleiher verschuldensunabhängig für Schäden durch den Dritten. Für die Schadenszurechnung genügt nämlich schon der haftungsbegründende Vertragsverstoß nach § 603 S. 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1. Der „Gefälligkeitsentleiher“ hat dagegen nur Verschulden zu vertreten (für ihn ist eben nicht „eine strengere Haftung bestimmt“ i.S.v. § 276 Abs. 1).
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse › I. Kauf
I. Kauf
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Der Kauf dient dem Umsatz von handelbaren Vermögensgegenständen. Es sind reine Liefergeschäfte, ohne spezifisch persönliche Leistungspflichten. Der Kauf unterscheidet sich von insb. Überlassungs- sowie Dienst- und Werkverträgen deshalb darin, dass es auf die Person des Vertragspartners – abgesehen von seiner Kreditwürdigkeit – weniger ankommt, als auf die Qualität der Ware.
Kaufgeschäfte reichen von privaten Kleinstumsätzen, bei denen sich etwa Nachbarn etwas „abkaufen“,[41] bis zum Großumsatz. Sein wirtschaftlicher Schwerpunkt liegt als Warenumschlagsgeschäft im Handelsrecht. Für alle Formen gelten die §§ 433 ff. gleichermaßen, allerdings als dispositives Recht, also durch gemeinsame Abrede der Parteien jederzeit änderbar und anders gestaltbar. Ergänzende Vorschriften gelten für den Handelskauf, §§ 373–382 HGB. Im BGB werden alle Erscheinungsformen des Kaufs und alle Kaufobjekte weitgehend einheitlich behandelt, mit nur geringfügigen Unterschieden in einzelnen Beziehungen. Auch hierbei erschwert die stark systematisierende und schulmäßige Darstellung des BGB Verständnis und Anwendung der Regelungen auf konkrete Erscheinungsformen der Kaufgeschäfte.
1. Kaufobjekte
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Das Umsatzgeschäft des Kaufs besteht im Austausch von Gütern und Geld,[42] meist zur Befriedung wirtschaftlicher Bedürfnisse. Der Grundtyp ist der Warenaustausch, auf den der Kauf von Rechten, insb. also von Wertpapieren, verweist (§ 453 Abs. 1). Nicht dazu gehört also der „Kauf“ von Fahrkarten und Eintrittskarten, welche vielmehr sog. Inhaberzeichen für die Rechte aus einem Werkvertrag sind. Software