Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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Levin –, Rn. 10 f.; Urt. v. 11.11.2010, C-232/09 – Danosa –, Rn. 39).

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      Dem Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen mithin sämtliche dem Wirtschaftsleben im Binnenmarkt zuzuordnende Leistungen, die für einen Auftraggeber nach dessen Weisung gegen Entgelt erbracht werden. Unerheblich ist dagegen, ob der Arbeitgeber als Unternehmer direkt am Wirtschaftsleben teilnimmt. Es können daher auch Tätigkeiten künstlerischer, sportlicher und sozialer Art vom Schutzbereich erfasst sein (EuGH, Urt. v. 16.3.2010, C-325/08 – Olympique Lyonnais –, Rn. 27 f.). Lediglich verbotene Tätigkeiten, wie der Verkauf von Betäubungsmitteln, sind vom Schutzbereich ausgenommen (EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 42). Die Prostitution ist vom Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit dagegen erfasst, da sie in den meisten Mitgliedstaaten zumindest geduldet und oft sogar reglementiert wird (EuGH, Urt. v. 20.11.2001, C-268/99 – Jany –, Rn. 49).

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      Allerdings muss es sich um eine „tatsächliche und echte“ Tätigkeit handeln (EuGH, Urt. v. 20.11.2001, C-268/99 – Jany –, Rn. 33). Der EuGH versteht hierunter, dass aufgrund ihres geringen Umfangs völlig untergeordnete und unwesentliche Beschäftigungen vom Schutzbereich ausgenommen sind. Insofern ist bei Teilzeitbeschäftigungen oder Gelegenheitsarbeiten aufgrund einer Gesamtbewertung im Einzelfall zu prüfen, ob die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden bzw. die Dauer des Arbeitsverhältnisses die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch rechtfertigen (EuGH, Urt. v. 26.2.1992, C-357/89 – Raulin –, Rn. 15). Eine Untergrenze hat der EuGH bislang allerdings nicht festgelegt. Selbst bei einer weniger als einen Monat dauernden Beschäftigung ist die Qualifizierung als Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen (EuGH, Urt. v. 4.6.2009, C-22/08 – ARGE Nürnberg –, Rn. 29 f.).

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      Der Arbeitnehmer muss zudem als Gegenleistung eine Vergütung für seine Tätigkeit erhalten. Als Vergütung in diesem Sinne sind nicht nur Entgeltzahlungen anzusehen, sondern auch Naturalleistungen, wie z.B. Unterkunft und Verpflegung (EuGH, Urt. v. 7.9.2004, C-456/02 – Trojani –, Rn. 22). Die Höhe der Vergütung ist dabei unerheblich und kann unterhalb des Mindesteinkommens im jeweiligen Mitgliedstaat liegen. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer von seinem Einkommen seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Betroffene die Vergütung durch eine finanzielle Unterstützung des Aufnahmemitgliedstaates zu ergänzen sucht (EuGH, Urt. v. 23.3.1982, 53/81 – Levin –, Rn. 11 ff.; Urt. v. 4.6.2009, C-22/08 – ARGE Nürnberg –, Rn. 28).

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      Erforderlich ist schließlich, dass die Tätigkeit in einem Unterordnungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis erbracht wird, in dem der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers unterliegt. Das Element der Weisungsunterworfenheit dient insoweit auch der Abgrenzung zur → Niederlassungsfreiheit, bei der es sich um eine selbständige Erwerbstätigkeit handelt. Die Qualifizierung der Tätigkeit ist in einer Gesamtschau aller relevanten Faktoren und Umstände vorzunehmen. Typische Merkmale für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sind v.a. freie Wahlmöglichkeiten bezüglich der Art der auszuführenden Arbeiten und Aufgaben, die freie Bestimmung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie der Einsatz eigenen Personals. Die Beteiligung an den geschäftlichen Risiken des Unternehmens kann ebenfalls ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit sein (EuGH, Urt. v. 14.12.1989, C-3/87 – Agegate –, Rn. 35 f.). Gesellschafter und sogar Mitglieder der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft können allerdings dennoch Arbeitnehmer sein, wenn sie im Übrigen hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit den Weisungen des Arbeitgebers unterliegen (EuGH, Urt. v. 10.12.1991, C-179/90 – Merci –, Rn. 13; Urt. v. 11.11.2010, C-232/09 – Danosa –, Rn. 47).

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      Der Status des Arbeitnehmers wird durch eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit nicht eingeschränkt (EuGH, Urt. v. 19.6.2014, C-507/12 – Saint Prix –, Rn. 27). Dagegen führt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zu einem Verlust der Arbeitnehmereigenschaft, wobei dem Arbeitnehmer allerdings noch bestimmte Folgerechte zustehen, wie z.B. das Bleiberecht gem. Art. 45 Abs. 3 Buchst. d) AEUV. Zudem kann die Arbeitnehmereigenschaft trotz der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses weiterhin anzuerkennen sein, wenn sich der Arbeitnehmer umgehend um eine Folgeanstellung bemüht. Wie sich aus Art. 45 Abs. 3 Buchst. a) und b) AEUV ergibt, ist auch derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, als Arbeitnehmer zu qualifizieren (EuGH, Urt. v. 12.5.1998, C-85/96 – Martinez Sala –, Rn. 32; Urt. v. 13.12.2012, C-379/11 – Caves Krier –, Rn. 26).

      bb) Gewährleistungsdimensionen

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      Der Gewährleistungsumfang der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist in Art. 45 Abs. 1–3 AEUV beschrieben. Art. 45 Abs. 1 AEUV enthält die allgemeine Aussage, dass innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Diese umfasst gem. Art. 45 Abs. 2 AEUV die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art. 45 Abs. 3 AEUV gibt den Arbeitnehmern das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben, sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, sich dort aufzuhalten, um unter den gleichen Bedingungen wie Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats eine Beschäftigung auszuüben und nach deren Beendigung dort zu verbleiben.

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      Der primärrechtliche Gewährleistungsinhalt der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 Abs. 1–3 AEUV ist durch sekundärrechtliche Bestimmungen näher konkretisiert und erweitert worden. Die näheren Modalitäten für die Ausübung der Aufenthalts- bzw. Mobilitätsrechte aus Art. 45 Abs. 3 AEUV wurden etwa in der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) geregelt. Dies betrifft z.B. das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen (Art. 7 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie) oder die Dauer des Fortbestands des Aufenthaltsrechts des Arbeitnehmers nach Beendigung einer Tätigkeit (Art. 7 Abs. 3 Freizügigkeitsrichtlinie).

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      Eine Erweiterung der Gewährleistungen aus Art. 45 AEUV erfolgt insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Rechte der Arbeitnehmer. So ist z.B. das Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gem. Art. 45 Abs. 2 AEUV durch Art. 7 Abs. 2 der Freizügigkeitsverordnung (VO [EU] Nr. 492/2011) um das Recht ergänzt worden, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer zu erhalten (EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-401/15 – Depesme –, Rn. 36). Die Gewährung sozialer Rechte erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit praktisch gefährdet wäre, wenn den Arbeitnehmern bei einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat sozialrechtliche Nachteile entstünden – etwa in Bezug auf Rentenansprüche, Leistungen im Krankheitsfall oder bei Arbeitslosigkeit.

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      Die Arbeitnehmerfreizügigkeit setzt weiterhin, wie alle Grundfreiheiten (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren), das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes voraus. Anders als in Art. 49 AEUV für die Niederlassungsfreiheit und Art. 56 AEUV für die Dienstleistungsfreiheit ist dieses Erfordernis zwar für die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht ausdrücklich im AEUV normiert. Es ist dennoch anerkannt, dass rein interne Sachverhalte,

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