DS-GVO/BDSG. David Klein
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Eine Videoüberwachung von öffentlichen Räumen durch Private kann im Lichte damit einhergehender öffentlicher Interessen ebenfalls national geregelt werden.[615] Der Fall, in dem die mutmaßlichen Täter des Nagelbombenanschlags in Köln-Mülheim nur von einer privaten Videoüberwachung erfasst wurden und diese Bilder maßgeblich zur Aufklärung der Straftat herangezogen wurden, belegt dies beispielhaft.[616] Es ist diskutabel, ob dieses Szenario ausreicht, private Überwachungsinteressen grundsätzlich auch als öffentliche Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 2, 6 Abs. 1 lit. e einzuordnen. Es bestünde dabei die Gefahr, dass damit jedes Privatinteresse in ein öffentliches Interesse umschlagen kann und eine Differenzierung zwischen ebendiesen beiden Interessensebenen aufgehoben wäre. Der Gesetzgeber hat die Wertungsfrage aber entschieden: Die Durchführung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch nichtöffentliche Stellen kann als gesetzliche Aufgabe von öffentlichem Interesse verstanden werden.[617]
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Der EDSA hat im Januar 2020 eine Leitlinie zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen der DS-GVO für die Videoüberwachung verabschiedet. Jede Videoüberwachung aufgrund eines berechtigten Interesses muss demnach von solchem Gewicht sein, dass es die Rechte der betroffenen Person überwiegt.[618] So verlangt die Verhältnismäßigkeit, dass Videoüberwachung nicht immer das mildeste Mittel zur Gewährleistung von Sicherheit darstellt und in einer jeweiligen Einzelfallbetrachtung bewertet werden muss. Alternativ zum Betrieb einer Videoüberwachungsanlage kann so im Einzelfall die Umzäunung des Grundstücks, die bessere Beleuchtung des Geländes oder der Einbau von Sicherheitsschlössern vorzugswürdig sein, da diese Maßnahmen mildere Mittel darstellen.[619] In der Abwägung sind somit immer das Ziel der Videoüberwachung in der konkreten Situation und die Erwartungen der betroffenen Personen besonders zu würdigen. In der Konsequenz können Personen in öffentlichen Räumen in Umgebungen, die typischerweise für Regeneration und Entspannung wie z.B. in Restaurants, Parks, Kinos oder Fitnessstudios gedacht sind, nicht Ziel von Videoüberwachung zu sein.[620]
d) Grenzen des berechtigten Interesses
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Der EDSA hat in seinen Leitlinien auch zur automatischen Gesichtserkennung in Verbindung mit Videoüberwachung Stellung genommen, da diese im besonderen Maße eingriffsintensiv ist. Schließlich werden dafür biometrische Daten verarbeitet. Biometrische Daten sind gem. Art. 4 Nr. 14 „mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglichen oder bestätigen“. Für die automatische Gesichtserkennung erfolgt nach der Videoaufzeichnung einer zweite Verarbeitungsphase, z.B. in Form der automatisierten Berechnung und Verarbeitung von Gesichtsmaßen zum Zwecke der Identifikation einzelner Personen.[621] Da es sich bei biometrischen Daten um besondere Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 handelt, gelten die entsprechend höheren Anforderungen an die Rechtmäßigkeit solcher Datenverarbeitungen. Im Falle des Einsatzes von automatischer Gesichtserkennung durch private Unternehmen, etwa durch Hotels, dürfte nur die Einwilligung gem. Art. 9 Abs. 2 lit. a als belastbarer Erlaubnistatbestand dienen.[622]
e) Hilfsweise Legitimation der Videoüberwachung über Art. 6 Abs. 1 lit. f (Ansatz der DSK)
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Der Streit, ob Interessen i.S.d. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 berechtigt sind, ist für das Ergebnis der Zulässigkeit der Videoüberwachung insofern akademisch, als die Interessen, die im Rahmen von Abs. 1 Nr. 2 und 3 angesprochen sind, jedenfalls im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f berücksichtigt werden können. Das hat nicht zwingend zur Folge, dass die vom Bundesgesetzgeber in Abs. 1 S. 2 normierte Gewichtungsvorgabe die unionsrechtliche gebotene Interessenabwägung (Art. 6 Abs. 1 lit. f ) beeinflusst.[623] Ungeachtet der Regelung in § 4 BDSG bewertet die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) in ihrem Kurzpapier Nr. 15 zur „Videoüberwachung nach der Datenschutz-Grundverordnung“ die Videoüberwachung ausschließlich anhand der DS-GVO.[624] Geht es nach der DSK so spielt § 4 BDSG schon mit Blick auf die Zulässigkeit der Videoüberwachung keine Rolle. Sie richtet sich ihrer Auffassung nach allein nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f. Da diese Norm die Videoüberwachung nicht in Bezug nimmt, verweist die DSK auf den Maßstab der „vernünftigen Erwartungen“ aus ErwG 47. Bei der Interessenabwägung komme es darauf an, was bei einer Videoüberwachung „in bestimmten Bereichen der Sozialsphäre typischerweise akzeptiert oder abgelehnt werde.“[625] Auch bei den Lösch- und Informationspflichten, geht die DSK nicht auf die Konkretisierung der Transparenzpflichten in § 4 Abs. 2 und 4 BDSG auf Grundlage der Öffnungsklausel in Art. 23[626] ein. Sie hält, namentlich mit Blick auf die Informationspflichten, Art. 12 ff. für anwendbar und definiert Mindestanforderungen für die Informationspflicht bei der Videoüberwachung, die weit über die nach § 4 BDSG hinausgehen.[627] Die praktische Umsetzung der Pflicht „zum Zeitpunkt der Erhebung“ – anders als nach BDSG zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ – dürften die Praxis, denkt man an Videoüberwachung von (Autobahn)tankstellen oder eine Kennzeichenerfassung bei der Einfahrt in Parkhäusern, vor Herausforderungen bis an die Grenze der praktischen Unmöglichkeit führen. Hervorzuheben ist allerdings, dass die DSK bei den Transparenzanforderungen im Rahmen einer Videoüberwachung, anders als in ihrem Kurzpapier Nr. 10 zur Dritt- und Direkterhebung[628]eine Art Medienbruch durch Aushang zulassen möchte. Das für Art. 13 originär maßgebliche Kurzpapier 10 lehnt eine weiterführende Information im Internet oder „auf dem Papierweg“ ausdrücklich ab.[629]
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Rechtlich betrachtet handelt es sich bei der DSK um einen „losen Zusammenschluss“ der deutschen Aufsichtsbehörden ohne formale Konstitution oder gar Rechtspersönlichkeit. Es ist auch unklar, an wen eine kritische Eingabe zu DSK-Positionen zu adressieren wäre. Ob nationale Zusammenschlüsse von Aufsichtseinrichtungen nach Anwendbarkeit von Art. 68 im Rahmen des EDSA eine Rolle spielen werden, erscheint zweifelhaft und i.S. e. einheitlichen europäischen Rechtsanwendung auch fragwürdig.