Mord in Switzerland. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mord in Switzerland - Группа авторов страница 5

Mord in Switzerland - Группа авторов

Скачать книгу

Dafür hatte sie jetzt Mühe, die richtigen Worte zu finden.

      Gab es überhaupt Worte für das, was passiert war?

      «Wie hätte ich ahnen sollen, dass er mich gleich umbringt?»

       Aarau, vor über einer Woche

      «Also, was haben Sie getan?»

      «Ich habe sie ins Bett gelegt!» Murbach unterdrückte ein Schluchzen. «Ich weiss, ich hätte sie nicht anfassen dürfen, aber ich konnte sie doch nicht einfach so hängen lassen …» Er schlug die Hände vors Gesicht. Gisiger meinte, ihn zwischen den Fingern hindurch blinzeln zu sehen.

      «Von Anfang an», wiederholte Markovic streng.

      «Ja also, ich war ein paar Tage in den Bergen, im Engadin, wir haben dort ein Haus. Und als ich zurückkam … als ich zurückkam … da sah ich sie … und …»

      «Hier?»

      «Nein, in der Küche – ich ging in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen, und da …»

      «Zeigen Sie es uns.»

      Als sie aufstanden, knackten Gisigers Knie. Ich sollte wirklich, dachte er. Wirklich was? Wirklich etwas ändern. Etwas tun. Murbach führte sie zurück in die Eingangshalle und von da in die Küche. Ein geräumiger, gemütlicher, altmodischer Raum, der seltsam unbenutzt wirkte. Ein Stuhl lag auf dem Boden, von einem schmiedeeisernen Gitter an der Decke, an dem auch ein paar grosse Pfannen hingen, baumelte ein Stück gelbe Wäscheleine. Eine Inszenierung, dachte Gisiger. Eine schludrige dazu. Wie in seinen Filmchen.

      «Und dann?»

      «Ich habe – ich glaube, ich hab geschrien! Es kam einfach über mich – ich bin ein emotionaler Mensch, verstehen Sie. Dann hab ich den Stuhl aufgestellt, bin draufgestiegen und hab sie gepackt, hab sie hochgehoben, um den Zug der Wäscheleine zu lockern – aber es war zu spät. Ich fühlte es – es war kein Leben mehr in ihr.»

      «Sie fühlten es? Haben Sie es ihr nicht in erster Linie angesehen?»

      «Angesehen?» Murbach schien ehrlich verwirrt. «Ich hab die Leine durchgeschnitten, sie nach oben getragen … ich weiss, ich hätte das nicht tun sollen … aber ich konnte nicht klar denken, ich bin nun mal …»

      « … ein emotionaler Mensch, ich weiss.» Markovics Stimme verriet nichts.

      Er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, dachte Gisiger. Er sah es vor sich, wie eine Szene aus einem von Murbachs nicht ganz zu Ende gedachten Videofilmen. Eine Frau sitzt auf dem Sofa, mit dem Rücken zur Tür, blättert in ihrem Magazin, hört ihn nicht hereinkommen. Er packt sie von hinten, erwürgt sie mit ihrem eigenen Schal, wird dann von plötzlicher Reue übermannt. Er trägt sie ins Schlafzimmer, legt sie ins Bett, den Blick von ihrem Gesicht abgewandt, von ihren blutunterlaufenen Augen, der geschwollenen Zunge. Er deckt sie zu, als würde sie schlafen. Dann Panik – er macht eine Flasche auf, im Dusel denkt er sich diese Inszenierung aus, wählt die Nummer des Notrufs. Er muss sich für sehr viel klüger halten, als er ist – oder uns für sehr viel dümmer.

      Die gerichtsmedizinische Untersuchung würde eindeutig zeigen, ob ein Seidenschal oder eine Wäscheleine die Kehle der Toten zugeschnürt hatte. Und ob der Zug waagrecht von vorn nach hinten oder schräg nach oben verlaufen war. Fehlte nur noch das Motiv. Doch das würde er ihnen bestimmt auch gleich liefern:

      «Und hier, das lag auf dem Tisch!»

      Murbach langte in seine Hemdtasche, zog ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus. Er hielt es erst Markovic hin, und als dieser nicht danach griff, Gisiger. Gisiger zog betont umständlich ein sauberes Taschentuch hervor, legte es über seine Finger und fasste dann das Stück Papier an einer Ecke an. Er schüttelte es ein paarmal, bis es sich öffnete. Es war kein Brief, sondern eine Seite aus einem Notizbuch, unsorgfältig herausgerissen, mit fliehenden Buchstaben bedeckt. Verzweifelte Worte, an niemanden gerichtet, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Kein Brief.

       Ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr ich Du siehst mich nicht. Ich weiss nicht mehr, wer ich bin.

       Es gibt mich nicht mehr

       Wo bist du wo bin ich

       Bitte bitte bitte

       Ich muss hier raus

       ich kann nicht mehr

      «Sehen Sie, sie war gar nicht mehr sie selbst! Sie konnte sich nicht einmal mehr klar ausdrücken … sie war total verwirrt! Und dann ruft mich ihr Anwalt an und sagt, sie habe die Scheidung eingeleitet, das Haus verschenkt … Das hätte sie nie getan, sie war nicht bei sich … das ist doch eindeutig!»

      «Ihr Anwalt hat Sie angerufen? So spät?»

      «Nein, das war …»

      « … bevor Sie ihre Frau ‹gefunden› haben?» Markovic zeichnete mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft. Dann schaute er zu Gisiger hinüber und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, als zählte er Geld. Gisiger griff in seine Hosentasche und holte sein Portemonnaie heraus.

      «Meine Herren?» Der Amtsarzt stand in der Tür.

      «Wo ist das Schlafzimmer?», fragte Gisiger.

      «Ich zeig es Ihnen.»

      «Nichts da!» Markovic hielt Murbach zurück. «Wir beide warten hier!»

      Murbach nickte. «Die Treppe hoch, die letzte Türe am Ende des Flurs.»

      Der Arzt ging voraus, er sagte nichts, hielt den Kopf gesenkt. In Gedanken versunken. Vielleicht war er auch nur müde. Sie waren alle müde.

      Vor der Schlafzimmertür blieb er stehen und liess Gisiger den Vortritt. Gisiger öffnete die Tür. Das Zimmer war so gross, dass das Bett in seiner Mitte fast klein wirkte. Es war ein Himmelbett aus dunklem, reich geschnitztem Holz, mit weissem Leinen bezogen. Auf der weissen Überdecke lag sie auf dem Rücken. In einem grün-weiss gemusterten Wickelkleid, die langen braunen Haare auf dem Kissen ausgebreitet, um den Hals ein Stück gelbe Wäscheleine, starrte sie mit offenen Augen an die Decke.

      Mit offenen Augen?

      Der Arzt machte einen Schritt auf das Bett zu, bückte sich, berührte ihren Hals mit zwei Fingern. Dann richtete er sich wieder auf und schaute Gisiger an. Sein Blick war schwarz.

      «Wollt ihr mich verarschen?»

       Vancouver Island, heute

      «Es bin nicht ich, es ist ein Inukshuk», sagte Amanda. «Ein Wie-ein-Mensch.»

      Officer Lovechild nickte. «Wie das Olympia-Maskottchen!» Er zog seinen Schlüsselanhänger aus der Tasche, an dem eine versilberte Version der klobigen, aus Steinblöcken zusammengesetzten, menschenähnlichen Figur baumelte.

      «Genau.»

      Amanda hatte einen solchen zum erstenmal in einer Ausstellung über die Kunst der Ureinwohner des amerikanischen Nordens, aus Alaska, Grönland,

Скачать книгу