Die kapitalistische Gesellschaft. Boike Rehbein

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Die kapitalistische Gesellschaft - Boike Rehbein

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beschäftigen.

      Das Einkommen kann man in Konsum verwandeln (und damit gleichsam verlieren) oder verwahren (sparen). Die Arbeiterschaft muss den größten Teil ihres Einkommens für notwendigen Konsum aufwenden – auch wenn die Definition des Notwendigen sich im Laufe der Zeit ändert. Wenn das Einkommen für den Konsum verbraucht ist, muss die Arbeitskraft erneut verkauft werden. Bleibt darüber hinaus noch etwas übrig, kann es gespart werden. Weder das ersparte noch das für den Konsum aufgewendete Geld ist Kapital. Nur wenn das Ersparte so investiert wird, dass es einen nicht konsumierten Profit abwirft, der über der Wachstumsrate liegt, sich also vermehrt, verfügt man über potentielles Kapital.

      Allerdings sind nicht einmal alle Menschen, die über potentielles Kapital verfügen, im ökonomischen Sinne als Kapitalisten zu bezeichnen. Wer ein paar Aktien eines Großunternehmens besitzt, hat keinen Einfluss auf die Firmenpolitik und den Aktienkurs. Es handelt sich lediglich um eine andere Art des Sparens, nicht um eine kontrollierbare Investition. Kleine Sparer sind den Großaktionären und der Unternehmensleitung vollkommen ausgeliefert. Sie sind keine Kapitalisten. Das zeigt sich auch an den Profitraten. Während kleine Sparer froh sind, wenn sich ihr Geld überhaupt vermehrt, streben die Kapitalisten stets Profitraten von mehreren Prozent pro Jahr an. Die Sparer vermehren ihr Vermögen kaum, die Kapitalisten erzielen in Deutschland einen Gewinn von mindestens 4,6 Prozent auf ihre Geldvermögen.1 Ferner finanzieren Kapitalisten ihren Lebensunterhalt aus dem Profit, während die Sparer für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen. Schließlich sind Kapitalisten nur in Verbindung mit einer sozialen Klasse zu interpretieren. Darauf werde ich im Verlauf des Kapitels mehrfach zurückkommen.

      Die Kapitalisten stellen dem Rest der Bevölkerung Kapital gegen eine Art Nutzungsgebühr zur Verfügung. Ein geringer Teil der Nutzer setzt dieses Kapital selbst als Investition ein, muss aber eine Nutzungsgebühr abführen. Wer Boden nutzt, bezahlt eine Pacht. Wer Maschinen benutzt, bezahlt eine Pacht. Und wer Geld leiht, muss einen Zins entrichten. Die Nutzer versuchen, das Kapital so einzusetzen, dass sie selbst einen Gewinn machen. Auf diese Weise sichern sie sich ihr Überleben. Die Mittel zum Überleben kaufen sie jedoch letztlich wieder vom Kapitalisten, so dass ihr Lohn oder Gewinn an den Kapitalisten zurückfließt. Der große Rest der Bevölkerung erarbeitet mittels des Kapitaleinsatzes seinen eigenen Lebensunterhalt und den Profit der Kapitaleigner. Und die Kosten für den Lebensunterhalt fließen an die Verkäufer der Lebensmittel zurück, also an die Kapitaleigner.

      Es ist wichtig, sich diesen Punkt genau klarzumachen. Ein beträchtlicher Teil der Einkommen und Vermögen der Menschen, die keine Kapitalisten sind, landet letztlich bei den Kapitalisten. Wir alle bekommen nur Konsumgüter zur Verfügung gestellt. Aus dieser Perspektive macht es keinen Unterschied, ob jemand 1800 oder 8000 Euro netto im Monat verdient. Bei 1800 Euro liegt der bundesdeutsche Durchschnitt für Haushalte, mit 8000 Euro gehört man zu den fünf Prozent der Topverdiener.2 Wer 1800 Euro verdient, muss etwa 500 bis 900 Euro Miete bezahlen, die oft ein Kapitalist einstreicht, ungefähr 300 Euro für Versicherungen, die Kapitalisten gehören, rund 500 Euro für Nahrungsmittel und Kleidung, die von Kapitalisten verkauft werden, und den Rest für Unterhaltung, die von Kapitalisten angeboten wird. Wer 8000 Euro verdient, zahlt mit etwa 2000 Euro ein Eigenheim ab. Das Geld streicht eine Bank ein, die Kapitalisten gehört. Mindestens 1000 Euro wendet er für Versicherungen auf und bis zu 1000 Euro für Nahrungsmittel. Für Unterhaltung und insbesondere für Verkehrsmittel wendet er relativ viel auf, möglicherweise bis zu 1000 Euro. Ferner hat diese Person im Zweifelsfall ein Ferienhaus, vielleicht ein Boot und Aufwendungen für Berufskleidung, Bewirtung und ähnliches, die sicher noch einmal 1000 Euro ausmachen. Die restlichen 2000 Euro wird die Person entweder für Luxuskonsum einsetzen oder für die Altersvorsorge, die wiederum von einem kapitalistischen Unternehmen angeboten wird.

      Man mag einwenden, dass beide Personen Steuern an den Staat abführen, der nicht im Besitz von Kapitalisten ist. Was aber macht der Staat mit den Steuern? Er gibt es für Sozialleistungen aus, die für den Konsum eingesetzt werden, für Infrastruktur, die von kapitalistischen Unternehmen errichtet wird, für Zinsen auf Schulden, für Rüstung und den Beamtenapparat, der das Geld einsetzt wie eine Person im Beispiel des vorangehenden Absatzes. Nur bei wenigen Posten, etwa Bildung und Gesundheit, fließt das Geld nicht unbedingt vollständig in die Taschen der Kapitalisten.

      Selbstverständlich kann in der demokratischen Gesellschaft jeder Mensch ökonomisches Kapital investieren. Wer keines hat, kann einen Kredit aufnehmen. Allerdings tut das kaum jemand, weil das Risiko hoch ist und die wirtschaftlichen Zusammenhänge kaum bekannt sind. Tatsächlich ist der wirtschaftliche Erfolg für einen Außenseiter sehr unwahrscheinlich. Kapitalisten hingegen haben fast immer bereits vor dem wirtschaftlichen Erfolg Kapital, da die meisten Kapitalisten Erben sind. Sie müssen es nicht erwerben und nicht einmal selbst unbedingt investieren, sie können von den Zinsen leben.

      Das Kapital im Sinne einer kontrollierbaren Investition gehört im Kapitalismus einer kleinen Gruppe. Alle anderen können nur überleben, wenn ihnen erlaubt wird, dieses Kapital zu nutzen und einen Teil der Profite zu erhalten – mit denen sie Konsumgüter kaufen, deren Erlös wiederum an die Kapitalisten fließt. Die prinzipiell auf Arbeit angewiesenen Menschen, die mindestens 99,9% der Bevölkerung ausmachen, sind weder freie Menschen noch Sklaven, sondern Abhängige. Sie sind darauf angewiesen, vom Kapital einen Lebensunterhalt zugeteilt zu bekommen. Warum bekommen sie ihn? Sie bekommen in dem Maße einen Anteil, in dem sie Dienste für die Kapitalisten verrichten, die ohne diese kein Essen, keine Häuser und keine Annehmlichkeiten hätten. Und sie bekommen einen Anteil, weil sie ihn über Jahrhunderte erkämpft haben. Eine logische oder natürliche Notwendigkeit, für Arbeit einen Lohn zu bezahlen, gibt es nicht.

      3.2 Wachstum

      Wer bezahlt eigentlich den Gewinn der Kapitalisten? Das kann geschehen durch die Vermehrung der Geldmenge, Raub, Umverteilung von unten und Wirtschaftswachstum. Alle vier Möglichkeiten werden tagtäglich ergriffen. Die ersten drei sind negativ zu bewerten. Das Drucken von Geld hat eine Inflation zur Folge: Da es insgesamt dieselbe Menge an Waren, Kapital und Arbeit gibt, aber mehr Geld, muss man für jeden Gegenstand mehr Geld bezahlen. Volkswirtschaftlich ändert sich durch die Vermehrung der Geldmenge nichts. Tatsächlich gewinnen aber relativ die Menschen, die über Eigentumsgüter verfügen, welche nicht die Form von Geld haben, während die Menschen, die allein Geld zur Verfügung haben, also die Armen, mehr Geld für das Notwendige ausgeben müssen. Raub kann viele Formen haben, nicht selten ist er mehr oder weniger legal, beispielsweise die Landnahme durch Verwandlung von Boden in Eigentum, ein Vertragsabschluss bei ungleicher Verteilung von Informationen oder die Nutzung von Steueroasen. Mittel zur Umverteilung von unten nach oben sind beispielsweise die Kürzung von Löhnen, Steuererleichterungen für Vermögende und Spitzenverdiener, Verbrauchsteuern (die für alle gleich sind, aber prozentual zum Einkommen für die Konsumenten stärker ins Gewicht fallen als für Kapitalisten), Konsumkredite und Staatsschulden. Das Wirtschaftswachstum kann gut oder schlecht sein. Es kann auf der Plünderung von Ressourcen, Bevölkerungswachstum und Einsparung von Arbeitskräften beruhen. Das ist eher negativ zu bewerten. Lediglich das Wachstum, das auf Steigerung der Produktivität beruht, kann positiv sein – wenn die Allgemeinheit daran beteiligt wird. Meist aber werden trotz Wachstums die Löhne nicht angehoben und nicht mehr Arbeitskräfte beschäftigt. Dann kommen die Früchte des Wachstums fast ausschließlich den Kapitalisten zugute.1 Der Profit – oder, wie man oft lieber sagt, der Gewinn – der wenigen Kapitalisten wird fast immer von der Allgemeinheit bezahlt.

      Der Marxismus geht davon aus, dass Profit durch Ausbeutung von Arbeitskraft erzeugt wird. Mit dieser Annahme verknüpft er eine naturwissenschaftliche Sicht auf die Wirtschaft. Er meint, dass man die Profitrate berechnen könne. Tatsächlich erwächst der größte Teil des Profits im Kapitalismus jedoch aus Prozessen, die Verwandtschaft mit dem Raub aufweisen. Die gesamte Struktur des Kolonialismus bestand darin, dass sich Kaufleute und Staaten Rohstoffe, Waren und Menschen in den Kolonien nahezu kostenlos angeeignet haben. Diese Struktur wurde lediglich durch andere Formen der Kapitalinvestition ergänzt. Noch heute wird ein großer Anteil am weltweiten Handel von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellt: Öl, Wasser, Holz, Edelsteine,

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