Die kapitalistische Gesellschaft. Boike Rehbein

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die kapitalistische Gesellschaft - Boike Rehbein страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Die kapitalistische Gesellschaft - Boike Rehbein

Скачать книгу

weiterer Teil des Profits wird durch kurzfristigen Betrug erzeugt, für den tendenziell die Allgemeinheit aufkommen muss, falls es die geschädigten Personen nicht vermögen. Wer Falschgeld druckt und damit bezahlt, macht einen Profit, auch wenn dadurch die gesamte Geldmenge wächst und alle Waren etwas teurer werden. Ähnlich verfahren Banken, wenn sie Wertpapiere für nicht existente Werte auflegen, was die Ursache der Krise von 2008 war.2

      Der Gewinn entsteht oft aus Raub. Das Wirtschaftswachstum hingegen wird im Wesentlichen durch die Integration neuer Rohstoffquellen und Absatzmärkte erzeugt. Kostenlose Aneignung von Ressourcen ist ein zentrales Element des Kapitalismus, vom Kolonialismus bis zur Abholzung der Regenwälder. Zieht man das prozentuale Bevölkerungswachstum und den Wert neu entdeckter Ressourcen ab, bleibt eine Rate des Wirtschaftswachstums übrig, die kaum über der nicht-kapitalistischer Gesellschaftsformen liegt. Ferner müssen wir im Grunde auch den Wert aller Betrugsfälle abziehen. Es bleibt die Ausbeutung der Arbeitskraft, also die Produktivität, als Quelle eines echten Wachstums im Sinne des Marxismus, das allerdings sehr gering ist und für den Kapitalismus eine untergeordnete Rolle spielt. Tabelle 2 zeigt, dass Ressourcenabbau, Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum weitgehend parallel verlaufen.

1850 1900 1950 2010
Verbrauch von Kohle pro Kopf in Gigajoule Ca. 2 Ca. 18 Ca. 18 Ca. 24
Anteil von Wald an der Erdoberfläche 50% 48% 44% 38%
Bevölkerung in Milliarden 1,2 1,65 2,53 6,9
BSP in Billionen USD 2011 Ca. 1,5 Ca. 3,4 Ca. 13 Ca. 94

      Tab. 2: Wachstum von Bevölkerung, Wirtschaft und Ressourcenabbau weltweit (Quelle: ourworldindata.org, theoildrum.com/node/9023).

      Eine Investition muss nicht unbedingt in produktive Tätigkeit fließen, sondern kann auch reine Spekulation mit fiktiven Werten sein. Und die produktive Investition muss keine Arbeitsplätze schaffen, sondern kann gerade dazu dienen, Arbeitsplätze zu vernichten, indem beispielsweise Maschinen gekauft werden, die Arbeit einsparen. Investitionen dienen in erster Linie dazu, Profite zu erwirtschaften. Wenn die Politik also davon redet, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, ist damit in erster Linie gemeint, dass die Profite gesteigert werden sollen.

      Wachstum ist das Schlüsselwort im öffentlichen Diskurs. Wirtschaftssteuerung heißt Förderung des Wachstums, indem Kosten gesenkt und Absatzmöglichkeiten erweitert werden. Die Steuergesetze der meisten Staaten sollen dazu dienen, Investitionen zu fördern. Wo die Unternehmen investieren, bleibt ihnen überlassen. Unternehmenskredite werden verbilligt, die öffentliche Nachfrage wird gestärkt und die Arbeitnehmer werden zur Zurückhaltung bei Lohnforderungen gedrängt. Dadurch soll das Wachstum angekurbelt werden, in Wahrheit werden aber nur die Profite gesteigert.

      3.3 Großunternehmen und Konkurrenz

      Der Kapitalismus zeichnet sich durch eine Organisation des „Marktes“ oder der „Wirtschaft“ aus, die vorrangig dazu dient, den Profit der Kapitaleigner zu sichern. Dabei konkurrieren die Kapitaleigner miteinander und müssen sich gegen Aufsteiger, also gegen Konkurrenz von unten, zur Wehr setzen, um ihre soziale Position zu bewahren. Die Konkurrenz reicht oft sogar in die Familien der herrschenden Klasse hinein. Sie sorgt für eine ständige Instabilität des Systems und einen Zwang zur Expansion. Im Bereich der kapitalistischen Wirtschaft hingegen ist die Konkurrenz minimal. Die Rechtfertigung des Kapitalismus als effizienter Wirtschaftsform wegen marktförmiger Konkurrenz trifft auf ihn nicht zu.

      Die zentralen Bereiche der kapitalistischen Wirtschaft sind im Wesentlichen Monopole oder Oligopole: Die Großunternehmen sind entweder durch Absprachen oder durch direktes oder indirektes Eigentum miteinander verbunden. Die frühen Großunternehmen, von den niederländischen und englischen Kolonialgesellschaften bis zu den amerikanischen Eisenbahn- und Ölgesellschaften, hatten Monopole inne, zumindest für ein bestimmtes Territorium. Wenn der Staat eine Konkurrenz erlaubte, wurde sie durch Verschmelzung der Unternehmen oder Zerstörung des Konkurrenten aufgehoben. Heute scheinen in jedem großen Bereich der Wirtschaft – Finanz, Autos, Chemie, Maschinen, Computer, Software – mehrere Großunternehmen gegeneinander zu konkurrieren. Wir werden jedoch weiter unten sehen, dass fast alle heutigen Großunternehmen der Welt sich gegenseitig gehören. Sie bilden ein einziges Konglomerat mit dem Ziel, den größtmöglichen Profit für eine winzige Zahl von Teilhabern zu generieren. Das wird in den Medien, von der Politik und durch die Wissenschaft verdeckt, die vom „Markt“ reden. Auch rechtlich wird der Anschein einer Konkurrenz erzeugt, indem das Kartellamt überall die Existenz mehrerer Unternehmen fordert – dass sie einander besitzen und allesamt von einer kleinen Gruppe von Kapitalisten besessen werden, spielt keine Rolle. Damit verklärt das Kartellamt faktische Monopole zu legalen Oligopolen.

      Einen Wettbewerb zwischen den Großunternehmen gibt es nicht (mehr). Sie kooperieren miteinander und sichern der Gesamtgruppe der Kapitalisten somit das Gleichgewicht zwischen maximaler Sicherheit und maximalem Profit. Diese Tendenz haben Paul BaranBaran, Paul und Paul SweezySweezy, Paul schon in den 1960er Jahren konstatiert.1 In der Theorie ist der Kapitalismus effizient, weil zahlreiche Anbieter im Preis und in der Qualität konkurrieren. Dadurch sollen bestmögliche Bedürfnisbefriedigung, Chancengleichheit und Produktivität erzielt werden. So hatte sich bereits Adam SmithSmith, Adam den Kapitalismus vorgestellt.2 Und noch heute wird behauptet, dass er so funktioniere. Tatsächlich aber werden die profitablen Bereiche der Wirtschaft von wenigen Großunternehmen beherrscht. Der Konsument kann nur noch nachfragen, was von den Großunternehmen angeboten wird. Heute wird die Weltwirtschaft von weniger als 150 Großkonzernen beherrscht, die etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes erzielen.3 Kleinbetriebe können nur überleben, wenn sie etwas herstellen, was die Großbetriebe nicht wollen oder können (z.B. Handarbeit), oder als Zulieferer.

      Verdeutlichen Sie sich das einmal am Beispiel des Automarkts. Welche Marken sehen Sie auf deutschen Straßen? Sie werden keine 20 Marken finden. 1920 gab es beispielsweise in Frankreich noch 140 Autohersteller.4 Nun müssen Sie bedenken, dass einige Marken zu demselben Konzern gehören, beispielsweise VW, Audi und Porsche. Im nächsten Schritt betrachten Sie die globale Situation und stellen fest, dass in den meisten Ländern dieselben Automarken zu finden sind, wenn auch in anderer prozentualer Verteilung. In einem weiteren Schritt können Sie erkennen, dass fast alle Autokonzerne Aktien der angeblich konkurrierenden Autokonzerne besitzen.5 Schließlich finden Sie heraus, dass die Autokonzerne ständig wegen gemeinsamer Absprachen gerichtlich belangt werden.6 Man denke auch an den „Dieselskandal“. Daran, dass die angeblich konkurrierenden Tankstellen ihre Benzinpreise stets gemeinsam ändern, haben wir uns längst gewöhnt – obwohl das dem Prinzip des Wettbewerbs genau widerspricht. Nicht anders verhält es sich bei den Autoherstellern.

      Die Größenunterschiede der Unternehmen implizieren Machtungleichgewichte und Abhängigkeiten. Einfluss auf ein Großunternehmen hatten bis 2009 nur Großaktionäre, Banken und Management. Die deutschen Großbanken vertreten den größten Teil des Grundkapitals auf den Hauptversammlungen, entweder direkt oder für einen Großaktionär oder über Depotstimmrecht, also in Vertretung der Anleger. Ein Großaktionär ist meist an mehreren Unternehmen beteiligt. Er hat nicht mehr das Interesse, ein bestimmtes Unternehmen zu fördern, sondern will eine möglichst hohe Gesamtrendite erwirtschaften. Kleinaktionäre sind dagegen meist

Скачать книгу