Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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wir auch nicht „um des Kommunizierens willen“, sondern verfolgen neben dem konstanten Ziel der Verständigung mit unserem/unserer Kommunikationspartner·in stets auch die Realisierung von (inhalts- und/oder situationsbezogenen) Interessen, die den eigentlichen Anlass unserer kommunikativen Aktivitäten darstellen und diese überhaupt erst hervorbringen.

      Diese Unterscheidung ist für die (alltägliche) Kommunikationsrealität von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Aus der vorgenommenen Differenzierung der kommunikativen Intentionalität geht nämlich hervor, dass konkrete Ziele (= jeweils spezielle Interessen), die über kommunikatives Handeln realisiert werden wollen, erst dann eine Chance auf Verwirklichung besitzen, wenn der kommunikativ Handelnde auch das konstante Ziel jedes kommunikativen Handelns verfolgt, nämlich Verständigung zwischen sich und seinem Kommunikationspartner anstrebt.

      Die bisher eingeführten Merkmalsbestimmungen kommunikativen Handelns stellen nun einen bereits konkret fassbaren Bereich menschlichen Verhaltens in den Mittelpunkt. Allein: kommunikatives Handeln ist noch nicht Kommunikation (!). Kommunikatives Handeln ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen bzw. Ablaufen eines Kommunikationsprozesses. M.a.W. eine kommunikative Handlung ist lediglich ein (notwendiger) Anstoß, der Kommunikation entstehen lassen kann – aber nicht unbedingt entstehen lassen muss. Oder in den Worten von Niklas Luhmann (1996: 14): „Kommunikation kommt nur zustande, wenn jemand sieht, hört, liest – und so weit versteht, dass eine weitere Kommunikation anschließen könnte. Das Mitteilungshandeln allein ist also noch keine Kommunikation.“

      Kommunikation wurde eingangs als Prozess der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen beschrieben. Damit ist implizit bereits darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein Geschehen, um einen Ablauf handelt. Kommunikation ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Vorgang, der zwischen (mindestens zwei) Lebewesen abläuft, der sich also ereignen muss. Ein kommunikatives Handeln (oder Verhalten) nur eines einzigen Menschen (oder Tieres) kann einen derartigen Prozess bestenfalls initiieren, stellt ihn jedoch selbst noch nicht dar.

      Damit Kommunikation überhaupt stattfinden kann, ist es notwendig, dass (mindestens zwei) Lebewesen zueinander in Beziehung treten – sozialwissenschaftlich formuliert: dass sie interagieren. Kommunikation als ein Ereignis, das zwischen Lebewesen abläuft, kann als eine spezifische Form der sozialen Interaktion begriffen werden.10

      In seiner formalen Bedeutung weist der Terminus Interaktion auf Prozesse der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung zwischen zwei oder mehreren Größen hin (vgl. Graumann 1972: 1111). Demgemäß lässt sich soziale Interaktion als wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehreren Lebewesen begreifen, sie liegt dann vor, „wenn die Aktivität einer Person die Aktivität einer anderen Person auslöst“ (Klima 2011: 315). Man kann sie als „ein gegenseitiges Aufeinanderabstimmen von Handlungen“ (Vester 2009: 48) begreifen. Dieses doppelseitige Geschehen ist das zentral Bedeutsame an jedem Interaktionsprozess: „Jedes (Individuum) erfährt Einwirkungen vom anderen oder von den anderen, und zugleich gehen von ihm selbst Wirkungen auf den anderen oder die anderen aus. Mit dem Begriff der Interaktion bezeichnen wir also das Insgesamt dessen, was zwischen zwei oder mehr Menschen [bzw. Lebewesen, R.B.] in Aktion und Reaktion geschieht“ (Lersch 1965: 53). Im Gegensatz zum sozialen Handeln, bei dem man sich zwar am Verhalten anderer orientiert, aber dennoch stark auf die jeweils eigenen Vorstellungen (Motive, Absichten etc.) fokussiert, „legt der Begriff soziale Interaktion den Akzent von vornherein auf das ‚Dazwischen‘ der Akteure“ (Vester 2009: 48).

      Damit ist die Skala möglicher Interaktionsarten breit gefächert. Speziell was den hier v. a. interessierenden Bereich menschlicher Interaktion betrifft, reicht sie vom mehr oder weniger zufälligen Berührungskontakt in einer dichtgedrängten Menschenmenge bis zur Übermittlung einer Geheimbotschaft via Internet. In jeder dieser beiden willkürlich herausgegriffenen Extremsituationen treten Menschen zueinander in Beziehung, es liegt also soziale Interaktion vor.

      –Die eine Situation (dichtgedrängte Menschenmenge) ist v. a. durch direkten Berührungskontakt gekennzeichnet. Unterstellt sei hier ein tatsächlich zufälliges und daher absichtsloses „Anstoßen“ einer Person in nächster Nähe (etwa beim Einsteigen in eines der häufig überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel …). In diesem Fall wird man dieser Person (in der Regel wenigstens) nichts „bedeuten“ wollen, man verfolgt also mit dem Anstoßen keinen bestimmten Zweck. Trotzdem liegt „soziale Interaktion“ vor, denn üblicherweise sind solche Situationen mit wechselseitiger Wahrnehmung verbunden und die Folge(-Aktion) ist meist der beiderseitige Versuch, diesem engen Berührungskontakt zu entkommen.

      –Die andere Situation (Übermittlung einer Geheimbotschaft via Internet) ist v. a. dadurch gekennzeichnet, dass die Interaktionspartner·innen von einem direkten Berührungskontakt weit entfernt sind: Sie befinden sich vielleicht sogar in verschiedenen Kontinenten, treten aber dennoch über eine (technische) Vermittlungsinstanz (= Internet) zueinander in Beziehung. Darüber hinaus tun sie dies auch nicht zufällig, sondern beabsichtigen, einander etwas Bestimmtes mitzuteilen. Es sei zusätzlich angenommen, dass dabei auch bestimmte Interessen im Spiel sind – sie wollen beispielsweise die Eskalation eines Konflikts verhindern.

      Die genauere Betrachtung dieser beiden Extremsituationen führt zu dem Schluss, dass es sich im ersten Fall (dichtgedrängte Menschenmenge) um „bloße“ (soziale) Interaktion handelt, während im zweiten Fall (Übermittlung einer Geheimbotschaft via Internet) Kommunikation vorliegt.

      –In der Tat handelt es sich im ersten Fall lediglich um ein doppelseitiges Geschehen, mit dem – so wurde unterstellt – keiner der Interaktionspartner das Ziel verfolgt, auch nur irgendwelche Bedeutungsinhalte zu vermitteln.

      –Im zweiten Fall sind dagegen jene Merkmale auffindbar, die bisher für kommunikative Interaktion eingeführt wurden: Eine Person handelt sozial bzw. kommunikativ, denn sie will einer anderen etwas Bestimmtes (hier: eine Geheimbotschaft) mitteilen. Anlass dafür ist das Interesse an der Deeskalation eines Konflikts. Kommunikative Interaktion liegt vor, weil auch diejenige Person, an welche die Botschaft gerichtet ist, kommunikativ in Richtung auf den Sender der Botschaft handelt: Sie will die Mitteilung empfangen – also die Bedeutungsinhalte „mit dem Sender teilen“ – und sie tut dies (so wurde oben unterstellt) aus demselben Interesse heraus. Aber auch für den Fall unterschiedlicher (womöglich sogar divergenter) Interessen liegt wohl eine kommunikative Interaktion vor.

      Daraus lässt sich schlussfolgern: Gelingende menschliche Kommunikation setzt voraus, dass (mindestens zwei) Personen ihre kommunikativen Handlungen wechselseitig aufeinander richten und damit das Zustandekommen von Kommunikation aktiv versuchen. Der interaktive Charakter von Kommunikation impliziert also: Einer Mitteilungshandlung auf der Senderseite (A) muss eine Verstehens-Handlung auf der Empfängerseite (B) entsprechen.11

      Abb. 2: Kommunikation als Verständigungsprozess (eigene Darstellung)

      Allerdings ist auch vorstellbar, dass diese Kommunikationsversuche trotz gegenseitiger Bemühungen nicht gelingen und damit erfolglos bleiben.

      Etwa dann, wenn der·die Übermittler·in der Geheimbotschaft eine Sprache bzw. einen Code verwendet, die bzw. den der·die Empfänger·in nicht verstehen bzw. entschlüsseln kann. Aber selbst wenn der·die Empfänger·in die Botschaft versteht, kann es sein, dass dies nicht zur Deeskalation des führt.

      Wechselseitig aufeinander gerichtete Kommunikationsversuche sollten also „erfolgreich“

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