Der Blick in den See. Mart Rutkowski
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Blick in den See - Mart Rutkowski страница 11
Mart: „Die braucht erst mal Kaffeepause. Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass die Leute noch nicht so lange zusammenarbeiten und es einige Wechsel gegeben hat – die haben also vermutlich noch keinen angemessenen Raum für Konflikte gehabt.“
Rebekka: „Na, da werden sie in den drei Tagen noch genug Gelegenheit haben. Aber Kaffeepause ist gut – vielleicht müssen die sich auch einfach in informellem Rahmen besser kennen lernen. Wie wäre danach etwas zum Runterkommen – irgendwas mit viel Wertschätzung und so?“
Mart: „Ich hoffe, das wird mir nicht zu nett. Mir wäre wichtig, dass die Teilnehmer über Ihre Fähigkeiten und die Ressourcen des Teams etwas erfahren – vielleicht in Form von einer Steckbriefwand à la >Meine Macken – meine Stärken – meine Wünsche<?“
Rebekka: „Wäre mir noch zu früh. Ich glaube, wir brauchen nach dem Floßbau erst mal etwas, was die Gruppe wieder stabilisiert.“
Mart: „OK. Dann erst mal eine Weitschätzungsrunde – und dann? Mal was Normales zwischendurch? Lagerbauen, Feuerholz sammeln und so?“
Rebekka: „Würde ich die Gruppe fragen. Wir können ihnen das vorschlagen, wenn sie noch platt vom Floßbau sind. Wenn noch Energie da ist, würde ich mit dem Programm weitermachen. Irgendein kleines Teamtask?“
Mart: „Balltransport könnte ich mir an der Stelle gut vorstellen – das ist intensiv aber nicht so hochdynamisch. Oder aber wir machen eine >Was-ich-im-Team-schon-immermal-sagen-wollte-Runde< nach Schulz von Thun.“
Rebekka: „Das beißt sich aber mit der Wertschätzungsrunde. Das wird dann zu viel. Statt dessen, Ok. Also wir schauen dann, was davon am besten passt. Dann ist der erste Tag auch schon bald rum. Irgendein besonderer Tagesabschluß?“
Mart: „Irgendeine Nachtaktion zum Genießen für den Einzelnen – nur für die, die wollen.“
Rebekka: „Und dann kommt der nächste Tag. Wenn wir jetzt noch mal auf das Richtziel schauen – passt das bislang? Wenn alles so läuft wie gedacht, hat der erste Tag der Gruppe dann was gebracht?“
Mart: „Wir müssen auf jeden Fall flexibel genug sein um spontan alles umzuwerfen, falls sich plötzlich ein anderes Thema ergibt.“
Rebekka: „Machen wir doch sowieso immer.“
Wie an Hand dieses Beispiels ersichtlich wird, ist die Planung von Programmen ein Balanceakt zwischen „Wir müssen einen Plan haben, was wir machen.“ und „Wir können erst in der Situation entscheiden, was wir gerade brauchen und was den Prozess voranbringt.“ Es ist ein Dilemma, dass gemäß aller Theorie Prozesse nicht antizipierbar sind, wir aber so tun müssen, als seien sie es, um handlungsfähig zu bleiben. Rein prozessorientiertes Arbeiten gleicht einer Art Dauerimprovisation, die viele Methoden im Handwerkskoffer braucht.
Das Prozessplanungsschema hilft uns dennoch immer wieder, uns durch eine Planungssituation zu hangeln, weil es den ständigen Querbezug zwischen Medien und Absicht herstellt. Auf diese Weise wird das Schaffen von Isomorphien vereinfacht.55 Im zweiten Beispiel wollen wir nun zeigen, wie sich Teile dieses Schemas innerhalb eines laufenden Prozesses bemerkbar machen.
Praxisbeispiel 2: Dialog des Leitungsteams bei der Übung Blindflug
Blindflug
(Bei dieser Übung muss die Gruppe mit verbundenen Augen eine in mehrere Teilabschnitte aufgeteilte Strecke nur mit Hilfe von Erinnerungen an bestimmte Geländemerkmale ablaufen. Im Vorfeld hatte die Gruppe sehend eine bestimmte Vorbereitungszeit um sich die Strecke einzuprägen.)
Mart: „Jetzt wissen die beiden Vorderen den Weg nicht mehr.“
Rebekka: „Sie beraten sich – meinst Du, sie machen weiter?“
Mart: „Wir warten noch ab – was machen wir, wenn sie noch weiter in die falsche Richtung laufen? Die finden nicht mehr zum letzten Schild zurück.“
Rebekka: „Wir bieten Ihnen einen Deal an? Zurück zum letzten Schild und dafür 5 Minuten Zeitabzug?“
Mart: „Warte mal – da tut sich was. Die drehen um! Wir warten noch ab?“
Rebekka: „Mal schauen, wo sie als nächstes hinlaufen. Siehst Du die hinteren zwei? Die trauen der Führung nicht mehr, so selbstständig, wie die herumtasten – das sieht man total deutlich!“
Mart: „Auf welches Thema richten wir nachher die Reflexion aus?“
Rebekka: „Warte mal kurz. (Zur Gruppe) Ok. Leute – Leider seid Ihr gerade auf dem besten Weg Euch weiter zu verfransen – wir bieten Euch den Deal an, Euch zurück zum letzten Schild zu bringen – gegen 5 Minuten Zeitabzug.“
Aus der Gruppe: „Wie viel Zeit haben wir denn noch?“
Rebekka: „Na, allmählich müsst Ihr Euch schon anstrengen. Aber 5 Minuten Zeitabzug sind schon noch drin.“
(In Wirklichkeit haben wir bereits gnadenlos überzogen. Die Zeit ist längst überschritten, aber wir wollen den spannenden Prozess nicht abbrechen. Darum auch die vage Aussage. Die tatsächliche Zeit ist für den Prozess bei dieser Übung vollkommen unerheblich – viel interessanter ist der Umgang der Gruppe mit dem vermeintlichen Zeitdruck. Die Gruppe wird nun blind zum letzten Schild geführt – eine Stimmung zwischen Verwirrung, Erleichterung und Diskussion entsteht. Die Gruppe einigt sich darauf, dass nur die vordersten Personen sprechen dürfen, damit die Konzentration in der Gruppe höher ist.)
Mart: „Auf welches Thema gehen wir in der Reflexion?“
Rebekka: „Das hier sieht nach ziemlichen Unstimmigkeiten zwischen Fremdbildern und Selbstbildern aus.“
Mart: „Stimmt. Die Alphas sind gerade mit vollem Elan ins Gemüse gelaufen, während die stille Tine vorhin alle langsam aber vollkommen sicher zur nächsten Station geführt hat. Hätte sicher von denen auch niemand geglaubt, dass sie das packt.“
Rebekka: „Wobei der Thomas ihr das auch am Liebsten schon wieder aus der Hand genommen hätte. Der hat das kaum ausgehalten, mal nicht an vorderster Position zu sein – vermutlich tut er sich auch mit dem Blindsein schwer. Aber es ist gut, dass wir vorhin nicht interveniert haben.
Mart: „Das ist gut – ich war mir nicht sicher, ob ich nicht hätte unterbrechen sollen…“
Rebekka: „Bloß nicht! Hey, was passiert denn jetzt?“
Mart: „Die beraten sich.“
Rebekka: „Nicht schon wieder!“
Mart: „Gegen Beratung ist doch nichts zu sagen!“