Zwischen Expertise und Führung (E-Book). Группа авторов
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In diesem Thementeil soll das Entscheidungsverhalten von Führungspersonen in Expert*innenorganisationen beleuchtet werden. Wie bereits erwähnt, zeichnen sich diese durch die Berücksichtigung von breit abgestütztem fachlichem Wissen sowie durch eine Tendenz zu partizipativer Kultur aus. Beide dieser Merkmale können Entscheidungsprozesse erleichtern oder erschweren.
Wir denken an schwierige einsame Entscheidungen, an notwendige gemeinsame Entscheidungen, an Grenzen in Bezug auf Entscheidungshandeln (strategische Neuausrichtungen, Schliessung von Organisationseinheiten, Entscheide über Leben und Tod, bedeutsame berufsbiografische Entscheidungen etc.) oder an im Nachhinein relevante Nichtentscheidungen.
Relevante Fragen zu diesem Themenstrang sind unter anderem:
Welche Auswirkungen haben Entscheidungen oder Nichtentscheidungen im Nachhinein bei den Entscheidungsträger*innen und im betroffenen System? Lassen sich solche Wirkungen im Vorfeld einschätzen?
Wie wird bei Unvorhersehbarkeit oder Unerwartetem entschieden?
Müssen gerade komplexe Entscheidungen im Zuge einer «bounded rationality» (Simon, 1982) durch Sequenzierung «entdramatisiert» werden (Wiesenthal, 2009, S. 41) und gewinnt die Exploration alternativer Handlungswege und Problemlösungen an Bedeutung?
Welchen Preis bezahlen Entscheider*innen für ihre (Nicht-)Entscheidungen? Welches Risiko gehen sie ein?
Wer trägt die Verantwortung bei Entscheidungen? Werden Entscheidungshoheit und die Verantwortung für Entscheidungen in Kontexten agiler Führung gemeinsam getragen?
Porträt Katrin Huber: Niels Anderegg
Porträt Felix Beuschlein: Niels Anderegg
Theoretischer Bezug: Rolf Kuhn
Themenstrang 2: Laufbahn gestalten
Führungslaufbahnen verlaufen häufig nicht so linear wie geplant: Statt vertikal die Karriereleiter Schritt für Schritt hochzusteigen oder aber von derselben unvermittelt hinunterzustürzen, sind – speziell auch in Expert*innenorganisationen – zunehmend horizontale Bewegungen wahrnehmbar: temporäre Übernahme von Führungsaufgaben, das Pendeln zwischen Management und Fachführung, laterale Führungsarbeit ohne Personalführung, phasenhafte Wechsel zwischen Beratung und Führung oder Forschung und Führung. Gerade hybride Professionals sind «hochqualifizierte Grenzüberwinder[*innen], die Nutzen nicht aus ihren einzelnen Aktivitätsfeldern ziehen, sondern aus dem Akt der Grenzüberwindung selbst» (Meissner, 2016, S. 271). Die «Fugen zwischen Systemen werden zu Spielräumen unternehmerischer Initiative» (ebd., S. 280).
Hybride Professionals verfolgen einen «grenzreichen» Karrierepfad und bieten dadurch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Steigerung der «Dynamikrobustheit» (Wohland & Wiemeyer, 2007) von Organisationen. Das bedingt andere Formen von Führung und von spezifischen Contractings.
«New Work» als Denkansatz und Bewegung (Hackl et al., 2017; Bergmann, 2004) lanciert im Zuge der Digitalisierung einerseits zeitlich und räumlich «entgrenzte» agile und projektbasierte Organisationsformen, andererseits Formen der Selbstorganisation im Zuge von Enthierarchisierung (siehe auch Schlussreflexion von Wehner und Jäger Fontana in diesem Buch, S. 124ff.). Verändert diese Tendenz Karriere- und Laufbahnplanungen?
Aus dem exemplarischen Blickwinkel der Expert*innenorganisation Hochschule sollen Daten und Modelle zu «multidirektionalen» Laufbahnen von Führungskräften aufzeigen und spannende Geschichten von unüblichen Bewegungen in Führungslaufbahnen mit Konzepten und theoretischen Bezügen verglichen werden. Zugleich stellt sich die Frage, ob solche unüblichen individuellen Bewegungen auch für andere Organisationen (z.B. aus dem Gesundheitswesen) und deren Weiterentwicklung funktional, fruchtbar und nutzbar sein können.
Relevante Fragen zu diesem Themenstrang sind unter anderem:
Geht die fachliche Expertise bei der Übernahme einer Führungsaufgabe verloren? Falls ja, woran zeigt sich das?
Wie sehen Pendelbewegungen, zum Beispiel zwischen Führen und Beraten, Führen und Lehren, Lehren und Forschen aus?
Was geschieht mit Personen, die Führungsfunktion abgeben?
Wie reagieren Institutionen auf unübliche Laufbahnbewegungen?
Wo und wie profitieren Institutionen von dynamischen Laufbahnen?
Wie sieht eine adäquate Personalentwicklung aus, die solche Bewegungen fördert?
Porträt Daniel Baumann: Geri Thomann
Porträt Jörg Meyer: Hans-Peter Karrer
Theoretischer Bezug: Christine Böckelmann
Themenstrang 3: Unerwartetes bewältigen
«Ist jemals eine Organisation deshalb am Überleben gescheitert, weil sie etwas Wichtiges vergessen hat? Es ist wahrscheinlicher, dass Organisationen deshalb scheitern, weil sie zu vieles zu lange im Gedächtnis behalten und fortfahren so zu tun, wie sie es schon immer getan haben.» (Weick, 1995, S. 320)
Trotz bisherigem Erfolg kann der Mensch jederzeit scheitern; dies vor allem dann, wenn er neuen Herausforderungen mit altbekannten Reaktionen begegnet und dadurch «falsches» Wissen nicht verlernt. Argyris ist vermutlich der bekannteste Autor, der sich aus dieser Perspektive mit organisationalem Lernen beschäftigt hat und Aspekte individuellen Lernens zu organisationalem Lernen transferierte. Er begründete die Konzepte der «defensiven Routinen» und der «eingeübten Inkompetenz» (Argyris, 1996).
Defensive Routinen sind Handlungen, die Menschen und Organisationen vor negativen Überraschungen, Gesichtsverlust oder Bedrohungen bewahren und sie gleichzeitig daran hindern, die Ursachen dafür zu reduzieren.
Gelernte und fixierte Grundmuster im Umgang mit schwierigen oder neuartigen Situationen funktionieren häufig linear als «single-loop learning», einem steten Kreislauf von Aktion und Reaktion, ohne die Vorgehensweise grundsätzlich und reflexiv auf einer Metaebene infrage zu stellen («double-loop learning»). Dabei entwickeln sich organisationale defensive sich wiederholende Muster, die eigentliches Lernen – als aktive Anpassung an veränderte Verhältnisse – verhindern. Organisationales Lernen findet laut Argyris und Schön (2002, S. 31f. und S. 47) dann statt, wenn frühere Erfahrungen von Erfolg und Misserfolg analysiert und interpretiert werden, wenn auf Überraschungen – bei Nichtübereinstimmung von erwarteten und erfolgten Ergebnissen – mit Reflexion und veränderter Aktion geantwortet wird.
Für Weick und Sutcliffe (2016, S. 72–76) geht es jedoch – gerade in Krisensituationen (wie der zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches virulenten Covid-19-Krise) – nicht darum, das Unerwartete mit Routinen und Plänen einzudämmen, sondern variabel mit dem Unerwarteten umzugehen. Sie beschreiben dabei Konzepte wie «organisationale Resilienz», das «Sense-Making» und «achtsames Organisieren». Mehr dazu im Text von Thomann in diesem Buch.
Relevante Fragen zu diesem Themenstrang sind unter anderem: