Bürgergesellschaft heute. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Bürgergesellschaft heute - Группа авторов страница 9

Bürgergesellschaft heute - Группа авторов

Скачать книгу

ein Volk, das Gewerb-Vereine bildet und Eisenbahnen baut, hat nicht mehr Zeit, sich vorzugsweise mit gebackenen Hühnern, dem Leopoldstädter Theater und mit Strauss und Lanner zu beschäftigen.“8

      Mit dem Niederösterreichischen Gewerbeverein (1839), dem Innerösterreichischen Gewerbeverein in Graz (1837), dem Juridisch-Politischen Leseverein (1841) oder dem Schriftstellerklub Concordia (1844) schuf sich der neue „Mittelstand“ moderne, neue Organisationsformen – letztlich auch Diskussionsforen, in denen, trotz Zensur und Polizei, gewisse Forderungen auch an den Staat formuliert werden konnten.

      Zahlreiche Probleme harrten einer Lösung – die bäuerliche Forderung nach Ende der feudalen Ordnung, die wachsende Not der Unterschichten und die immer dringender werdende nationale Unzufriedenheit, dazu die Lähmung einer Regierung, die (seit dem Tod Franz des Ersten) Absolutismus ohne Herrscher spielte. Denn Ferdinand I. regierte (1835–1848) ja nur nominell.

      1848 – „Bürgerliche Revolution“?

      Die schon lange erwartete Revolution brach am 13. März 1848 aus – als Echo auf die Pariser Februarrevolution, aber auch als Echo auf eine Brandrede Kossuths im ungarischen Reichstag, der damals im nahen Pressburg (Bratislava) tagte. In bürgerlichen Kreisen wurden mehrere Petitionen an den Hof vorbereitet, aber die klarste Sprache führte die Petition der Studenten, die sie am 12. März in der Aula formuliert hatten und am Vormittag des 13. März im Niederösterreichischen Landhaus in Wien überreichten. Nach ersten Schüssen und ersten Toten („Märzgefallene“) kam überraschend schnell der erste Erfolg: Schon am Abend war Metternich gestürzt, die verhasste Symbolfigur des alten Regimes (dass er damals bereits innenpolitisch entmachtet war, wusste man außerhalb des Hofes nicht).

      Rasch errang die Revolution weitere Siege. Pressfreiheit, Volksbewaffnung (Nationalgarden und akademische Legion) und das Versprechen einer Verfassung („Konstitution“) wurden (am 15. März) verkündet. Mit der am 25. April erlassenen sogenannten Pillersdorfschen Verfassung schienen die bürgerlichen Forderungen in der Tat weitestgehend erfüllt. Aber die nach belgischem Muster erstellte Verfassung hatte ihre Schwächen. Sie war von oben erlassen, „oktroyiert“ worden, sie sah ein Zweikammersystem und ein absolutes Veto des Monarchen vor. Dagegen und vor allem gegen die am 9. Mai erlassene, sehr restriktive Wahlordnung richtete sich die „Sturmpetition“ vom 15. Mai, die Mairevolution, getragen hauptsächlich von Studenten, Handwerkern und Arbeitern. Denn deren Situation hatte sich seit dem März nicht verbessert.

      Ab dem Mai 1848 geriet daher die „bürgerliche“ Revolution in eine schwere Entscheidungskrise. Was war wichtiger, insbesondere für die gehobenen bürgerlichen Schichten – die Ausweitung persönlicher und politischer Rechte oder der Bestand des Habsburgerreiches? Vor diese Alternative gestellt, verstummten nicht wenige der bürgerlichen Unzufriedenen. Oder sie stellten sich, wie Anfang Juni auch Franz Grillparzer mit seinem berühmten Gedicht an den Feldmarschall Radetzky („Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! [...] In deinem Lager ist Österreich“), eindeutig auf die Seite des Gesamtstaates, des Militärs und damit letztlich auf die Seite der Gegenrevolution.

      Vor dem Sieg der Konterrevolution trat aber noch der österreichische Reichstag zusammen – das erste gewählte Parlament im westlichen Teil der Habsburgermonarchie (in Ungarn gab es schon vorher Wahlen zum Unterhaus, freilich nur durch die dazu berechtigten Adeligen). Die Wahlen brachten eine deutliche bürgerliche Mehrheit: Etwa 55 Prozent der 383 Abgeordneten waren dem Bürgertum zuzurechnen. 92 – fast ein Viertel – waren Bauern. Für diese war die Verfassungsfrage relativ belanglos, zentral allerdings die Frage nach der Grundentlastung. Tatsächlich beschloss der Reichstag Ende August die Grundentlastung. Damit wurden auch die Bauern zu vollberechtigten Staatsbürgern. Während dieser Debatten hatte sich der Gegensatz zwischen Bürgern und Arbeitern, Besitzenden und Besitzlosen, zugespitzt. Als der Arbeitsminister aufgrund der leeren Staatskassen bisherige Unterstützungen kürzte, kam es zu massenhaften Demonstrationen der Arbeiter, die von den bürgerlichen Nationalgarden blutig auseinandergetrieben wurden. („Praterschlacht“, 23.8.1848). Diese Spaltung konnte nicht mehr überwunden werden.

      Den Rest kennen wir. Der kroatische Banus Josef Jelačić marschierte in Ungarn ein, was zum Krieg zwischen Ungarn und der kaiserlichen Armee führte. Als Truppen aus Wien nach Ungarn entsandt werden sollten, löste dies die Oktoberrevolution aus, mit der letztlichen Folge der militärischen Eroberung Wiens durch die Kaiserlichen am 31. Oktober. Zahlreiche Festnahmen und Hinrichtungen folgten.

      Aber wie das retardierende Element vor dem katastrophalen letzten Akt der Tragödie trat doch noch einmal der Reichstag zusammen, im mährischen Kremsier (Kroměříž), im repräsentativen Schloss des Erzbischofs von Olmütz – in dessen Olmützer Residenz seit dem Oktober 1848 die kaiserliche Familie weilte. Hier waren die durchwegs „deutschen“ bürgerlichen Liberalen in einer tschechischen Umgebung isoliert, es drohte keine Gefahr eines Volksaufstandes für dieses Parlament. Dennoch leistete der Reichstag bis zu seiner Auflösung am 7. März 1849 noch eine äußerst positive Arbeit – man einigte sich auf den Entwurf einer Verfassung, die nicht nur das Prinzip der Volkssouveränität und die bürgerlichen Freiheiten verkündete, sondern auch das Problem des Zusammenlebens verschiedener Sprachgruppen im Vielvölkerstaat lösen wollte.

      Zugleich mit der Auflösung des Reichstages verkündete die Regierung des Fürsten Felix Schwarzenberg eine eigene (wieder: oktroyierte) Verfassung, mit Datum 4. März 1849. Die als radikal geltenden Abgeordneten wurden verhaftet, gegen etliche Todesurteile gefällt (unter anderem gegen den „Prediger der Revolution“, Anton Füster, gegen Josef Goldmark, gegen Ernst (von) Violand und den „Bauernbefreier“ Hans Kudlich, der wie viele andere noch rechtzeitig fliehen konnte).9 Bis zum Sommer 1849 waren auch die Unabhängigkeitskämpfe der Ungarn und Italiener niedergeschlagen, die der Ungarn mit russischer Hilfe.

      Der Neoabsolutismus – Restauration oder bürgerliche Herrschaft?

      Zum Unterschied vom alten Absolutismus wurde im Neoabsolutismus entschlossen regiert. Rasch führte man die Grundentlastung durch. Jetzt erst wurde das Kaisertum Österreich wirklich zu einem einheitlichen Staat, erhielt eine einheitliche Verwaltung, ein einheitliches Zollgebiet, ein einheitliches (Privat-)Rechtsgebiet. Die Entscheidungsgewalt wurde beim jungen Kaiser Franz Joseph konzentriert. Getragen wurde dieses neue Herrschaftssystem von der Bürokratie. Man könnte sagen: Das deutsch-österreichische, bürgerlich-bürokratische Element erhielt als Ersatz für politische Mitsprache die faktische Herrschaft nicht nur über den Beamtenapparat, sondern über alle Bewohner des Reiches. Oder anders ausgedrückt: Da ab 1848 das deutsch-österreichische Bürgertum zu den Nutznießern und Trägern der Gegenrevolution, des habsburgischen Zentralismus und Großstaatsgedankens wurde, hatte gerade bei ihnen die Erinnerung an die „bürgerliche“ Revolution später einen so geringen Stellenwert. Gleichzeitig begann die langsame Veränderung des traditionellen kulturellen Überlegenheitsgefühls des deutschen Bürgertums der Habsburgermonarchie in Richtung eines immer radikaleren (und immer radikaler antisemitischen) Deutschnationalismus, in dem vom alten liberalen Erbe zuletzt nur der Antiklerikalismus übrig blieb.10

      Auch das Unternehmertum profitierte vom neuen Einheitsstaat. Schon während der Revolution hatte es sich auf die Seite der Regierung und des Militärs geschlagen. Ihnen lag alles an der Erhaltung des großen habsburgischen Österreichs, mit überall gleichem Recht und einem einheitlichen Zoll- und Währungsgebiet. Wurde der Bourgeoisie dieses Ziel von der Konterrevolution garantiert, von der Revolution aber bedroht, dann wurde sie notwendig zur Verbündeten der Restauration. Ein kleines Beispiel:

      Am 27. März 1848 schrieb Giuseppe Miller-Aichholz, ein aus dem Trentino stammender Wiener Großhändler, an seinen Vater in Cles (in italienischer Sprache), das Verhalten von Mailand und Venedig sei haarsträubend, sie seien eidbrüchige, treulose Verräter. Im Juni reiste er als Mitglied des Gemeindeausschusses nach Innsbruck, um den Kaiser um die Rückkehr nach Wien zu bitten. Begeistert

Скачать книгу