Fallout. Fred Pearce

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Fallout - Fred Pearce

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wie sich jetzt herausgestellt hatte, für die Regierung in Canberra.8

      Damals noch britisches Hoheitsgebiet, hatte Australien Großbritannien während des Kalten Krieges bereitwillig bei der Entwicklung eigener Nuklearwaffen unterstützt. Es gestattete den Briten zuerst, Atombomben auf den unbewohnten Montebello-Inseln vor der australischen Nordwestküste zu testen, dann auf dem Gelände Emu Field im entlegenen Bundesstaat South Australia, und schließlich, nach 1957, im benachbarten Maralinga. Die örtlichen Aborigines bemerkten schon bald den Fallout. Sie nannten ihn puyu, »schwarzer Nebel«. 1953 gerieten etwa fünfundvierzig Aborigines nach einem Emu-Test in eine puyu-Wolke. Manche erlitten Hautverbrennungen, doch offenbar hat sich kein Wissenschaftler je um die Pressemeldungen gekümmert, die von etwa fünfzig Todesopfern berichteten.9 Bis heute ist nicht bekannt, was mit den Menschen dort geschah.

      Neben den Bombentests führten die Briten auch Experimente mit Plutonium durch, ähnlich denen der Sowjets im Berg Degelen. Sie fanden zwar in kleinerem Maßstab statt, dafür aber an der frischen Luft und nicht in Stollen wie bei den Sowjets oder im Labor wie bei den Amerikanern. Dabei schossen, wie Anderson es ausdrückt, »Fontänen aus geschmolzenem Plutonium« durch die Luft. Bis heute hat kaum jemand auch nur davon gehört. Gleichwohl waren sie Auslöser der meisten Probleme, die Anderson in seinem Scoop für den New Scientist herausstellt. Während sich nämlich der Fallout der Bomben über ein großes Gebiet ausbreitete, hinterließen diese »kleineren Tests« toxisches Restmaterial in potenziell tödlicher Dosis, häufig als Anhaftung an militärischer Ausrüstung, die nach dem Ende der Experimente zurückgelassen wurde. Nach den fünfzehn »kleineren Tests«, die zwischen 1961 und ’63 unter dem Namen »Vixen B« durchgeführt wurden, blieben in der Gegend um Maralinga rund 23 Kilogramm Plutonium zurück. Angeblich wurden anschließend Säuberungsarbeiten durchgeführt. Man deponierte kontaminierte Ausrüstung in einundzwanzig Gruben, die mit Beton verschlossen wurden. Die britischen Waffenentwickler in Aldermaston gaben an, 90 Prozent des Plutoniums sei auf diese Weise entsorgt worden.10

      Als aber 1984 die Regierung in Canberra das dekontaminierte Land dem Volk der Tjarutja zurückgeben wollte, wurde bei einer letzten Überprüfung überall Plutonium gefunden, vor allem an kontaminierter Ausrüstung, die nicht in einer der Gruben entsorgt worden war. Peter Burns vom Australian Radiation Laboratory schätzte damals, es sei das bis zu Zehnfache der von den Briten angegebenen Plutoniummenge am Boden verblieben – insgesamt rund drei Millionen Bruchstücke: »Man könnte sie einfach aufheben.« Wie der nach Burns’ Entdeckung von Australiern, Amerikanern und Briten gegründete technische Beratungsausschuss festhielt, könne angesichts der Halbwertszeit von Plutonium ein Kind, das irgendwann in den kommenden Jahrtausenden in dem kontaminierten Staub spielt, womöglich mehr als 460 Millisievert pro Jahr mit der Atemluft aufnehmen.11

      Die Erkenntnisse wurden mehrere Jahre geheim gehalten, während offenbar die australische Regierung die Briten dazu überredete, eine zweite Säuberung zu bezahlen.12 1993, nachdem der Deal vereinbart worden war, wurden sie Anderson zugespielt.

      Die zweite Säuberung begann 1995. Hunderttausende Tonnen kontaminierter Boden wurden abgetragen und in Gräben deponiert. Berichten zufolge wurde das Plutonium in den Gruben zusätzlich verglast, also durch elektrischen Strom in hartes, glasartiges Gestein verwandelt und so gebunden. Nach den 100 Millionen Dollar teuren Maßnahmen war die potenzielle Dosis, der das Kind in einer hypothetischen Zukunft ausgesetzt wäre, auf unter fünf Millisievert pro Jahr gesunken, was nicht viel höher ist als die weltweit durchschnittliche Umgebungsstrahlung.13

      2014 gab man schließlich im Rahmen einer Zeremonie in Maralinga die letzten 1.800 Quadratkilometer Testareal an die Tjarutja zurück. Und für uns alle gibt es jetzt Besichtigungstouren mit dem Minibus. Doch selbst die letzte Säuberungsaktion war begrenzt. Am Rand eines 116 Quadratkilometer großen Gebiets warnen heute Schilder, hier lägen »Artefakte aus der Ära der Kernwaffentests, darunter leicht radioaktiv kontaminierte Gegenstände«.14 Innerhalb dieses Bereichs würde ein Kind der Zukunft 65 Millisievert pro Jahr erhalten, kommentierte verärgert Alan Parkinson, der Vorsitzender des ersten technischen Beratungsausschusses gewesen war und die zweite Säuberung gefordert hatte. Der jetzige Status sei eine »billige und widerliche Lösung, die man für das Land von Weißen nie akzeptieren würde«. Ein Teil des verbliebenen Plutoniums hat eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren. Das sei, so Parkinson bissig, wahrscheinlich länger, als die schicken neuen Warnschilder halten werden.

       KALTER KRIEG – HEISSE TEILCHEN

      Der Kalte Krieg war eine verstörende Zeit. Das Wettrüsten war in vollem Gang und das Risiko eines nuklearen Flächenbrands hoch. Alle lebten in Angst vor der »mutually assured destruction«, der wechselseitig zugesicherten Zerstörung, kurz MAD, wie sie der Film Doktor Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben 1964 satirisch aufs Korn nahm. Hinter den Kulissen wurde fieberhaft in hastig hochgezogenen Atomstädten das für die meisten Atomwaffen benötigte Plutonium hergestellt. Geradezu zwangsläufig musste es dabei zu Unfällen kommen. Innerhalb von nur vier Wochen erschütterten drei Großbrände und Explosionen die Plutoniumfabriken und Aufbereitungsanlagen der drei Atommächte USA, Sowjetunion und Großbritannien. Der Fallout dieser Unfälle beschäftigt die Atomwelt bis heute – vor allem im Schatten des Urals, wo Josef Stalins Antwort auf Hanford steht.

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