Bauern, Land. Uta Ruge
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Die erste Düngung im Moor war die Asche des Abbrennens – aber nach acht Jahren, so hieß es, funktionierte das nicht mehr. Als gute Düngemethode ohne Mist galt lange Zeit auch das Mergeln, also das Ausstreuen eines pulverisierten, kalkhaltigen und porösen Gesteins, des Mergels. Tatsächlich führte das in Feuchtgebieten zunächst zur Entsäuerung und Festigung des Bodens. Aber auch hier war nach ein paar Jahren der Boden ›ausgemergelt‹, das heißt, er war am Ende besonders stark ausgelaugt worden, weil er ohne jede wirkliche Zufuhr von Nährstoffen geblieben war.
Die Bauern hatten das bald begriffen. »Mergel macht den Vater reich und den Sohn arm«, sagten sie. Aber in der frühen Beratungs- und Erfahrungsliteratur war noch lange vom Vorteil des Mergels die Rede. Und wenn wir schon vom Düngen ohne Mist sprechen, muss auch der Klee-Pionier Johann Christian Schubart2 Erwähnung finden, der sich als Propagandist des Rotkleeanbaus auf der Brache einen Namen gemacht hat. Denn damit war, wenn auch noch unverstanden, die Verbesserung des Ackerbodens durch Stickstoffbildung verbunden. 1784 wurde Schubart, Sohn eines Webers und Tuchmachers aus Zeitz, von Kaiser Joseph II. in den Adelsstand erhoben und hieß von nun an »Edler von dem Kleefelde«.
Was die Bodenchemie anging, machte zwanzig Jahre später in London ein deutscher Apotheker Furore, der ein tragbares Labor entwickelte, mit dessen Hilfe er Boden- und Gesteinsproben direkt auf dem Acker auswerten konnte. Allerdings fehlte es noch an Wissen, um seine Resultate umfassend zu interpretieren und neue Arten der Fruchtbarmachung zu entwickeln. In diesem Bereich wird erst Justus Liebig3 später Abhilfe schaffen – und neue Probleme in der Agrarwirtschaft verursachen.
Als Thaer sein Mustergut in Celle bewirtschaftete, reiste, schrieb, die »Annalen« publizierte und noch lange als Arzt praktizierte, entfaltete sich zwei Jahre lang eine landwirtschaftliche Korrespondenz mit einer leidenschaftlichen Landwirtin, Henriette Charlotte von Itzenplitz.4 Am Ende führte diese Beziehung zum Umzug Thaers nach Preußen in die Nachbarschaft aufgeklärter Gutsbesitzer. Ein aus dem stagnierenden Hannover schon früher ausgewanderter Niedersachse, Graf von Hardenberg, verschaffte ihm bald eine Einladung des preußischen Königs, Repräsentant des zu diesem Zeitpunkt weit fortschrittlicheren Landes. Über solche Verbindungen kam Thaer zu seinem nächsten Gut in Möglin, in Brandenburg zwischen Berlin und Oder gelegen, zu staatlichen Ämtern und Gehältern. Über Wilhelm von Humboldt ergab sich eine Professur an der neu gegründeten Universität von Berlin. So besetzte Thaer den ersten universitären Lehrstuhl für Landwirtschaft in den deutschsprachigen Ländern.
7. KAPITEL
DAMALS
Als meine Mutter versuchte, ein Beet anzulegen.
ES WAR IN EINEM DER ERSTEN JAHRE IM DORF. Mit großer Kraft stieß meine Mutter die Grabegabel mit den fünf scharfen, flachen Zinken in den Boden. Ein Spaten hätte hier nichts genutzt, er wäre zu schnell stumpf geworden, so viele Steine und Scherben lagen verborgen unter dem im Frühjahr struppigen, verfilzten Gras. Sie setzte ihren rechten Fuß auf, wie man es auch mit dem Spaten macht, trat die Zinken tief in die Erde ein und hebelte eine Grassode hoch, bückte sich, um die Sode abzunehmen, griff sich das Gras und schlug es kräftig gegen das gezinkte Eisen. Die Erde fiel in Brocken oder im Ganzen ab, sodass meine Mutter nur noch das Grasbüschel in der Hand hatte wie einen Haarschopf ohne Kopf. Das warf sie beiseite auf einen wachsenden Haufen, setzte wieder an, grub die nächste Sode aus, bückte sich wieder, packte das Gras und schlug wieder die Erde ab, um ein Beet zur Einsaat vorzubereiten.
Wir arbeiteten am hinteren Giebel des Hauses, der über dieses kleine Stück wilden Rasens zum Buschhof hinaussieht. Der Buschhof ist ein schmaler Streifen Wald aus Eichen und Birken, Holunder und Brombeeren. Er zieht sich hinter dem ganzen Dorf entlang als Schutz für Haus, Mensch und Tier gegen die ständigen, starken Westwinde. Erst hinter Busch und Bäumen begannen die Weiden, zuerst die quer liegende Kälberweide, daran anschließend die Kuhweiden, genannt Unterster, Mittelster und Oberster Kamp. Sie waren durchzogen von schmalen, schnurgeraden Gräben, Grüppen genannt. Stacheldrahtzäune und breite Quergräben grenzten sie zusätzlich voneinander ab. An den Weidenrändern standen Birken, Erlen und Ebereschen.
Ich musste die Queckenwurzeln aufsammeln, damit dieses äußerst widerständige Gras aus den Beeten fernbleibt. Die Wurzeln sind weiße harte Bänder im aufgegrabenen Boden, manchmal durchtrennt und gerissen, nur kurze Stücke. Aber oft griff ich eine Queckenwurzel und zog daran, und ihre Fortsetzung führte tief in die schon umgegrabene, tiefschwarze Erde oder auch unter dem noch nicht Umbrochenen weiter. Viele Meter lang kann so eine Wurzel sein. Und sie ist zäh. Es ist nicht leicht, sie abzureißen, und wenn ich es schaffte, warf ich sie auf den Haufen, der sich aus den Grasschöpfen schon gebildet hat.
Meine Mutter arbeitete angestrengt. Stumm und verbissen ging sie zu Werk. Griff mit schwarzen Händen in die Erde, fischte zerbrochene Ziegel und Scherben heraus.
Jemand, der vor uns auf dem Hof gelebt hat, musste ausgerechnet hier, wo meine Mutter Kartoffeln pflanzen wollte, viele Schubkarren Steine abgeladen, zerschlagen, eingeebnet haben, vielleicht Steine aus einem abgebrochenen Stall, der einmal auf dem Hof gestanden hatte, dazu Scherben und kaputte Fußbodenkacheln, Teller, Schüsseln – alles, was dem weichen und alles verschluckenden Moorboden etwas Festigkeit verleihen würde.
Meine Mutter erbitterte, dass diese bisher brach liegende Fläche, die sie zu einem Gemüsegarten im Schutz des Hauses machen wollte, derart mit Steinen durchsetzt war. Wo es doch sonst in den Feldern keinen einzigen Stein zu geben schien. Und jetzt wuchs der Haufen der herausgeklaubten Steine und Scherben schneller als der Sodenhaufen. Die Arbeit, geplant als Nachmittagsbeschäftigung zwischen Küchen- und Stallarbeit, würde Tage kosten.
Aber aufgeben kam noch nie infrage.
Mein kindliches Interesse galt eher den aus der Erde geborgenen Scherben als den zähen weißen Queckenwurzeln, die auszureißen so mühsam war. Ich bestaunte die Muster und Formen der alten Fliesen und Keramiktöpfe.
Lass das, sagte meine Mutter. Wirf das auf den Haufen. Trödel nicht rum. Sammel die Quecken auf. Hilf mir lieber.
8. KAPITEL
HEUTE
Anna und ich singen ein Lied von 1783. Schön und falsch ist das Bild vom Land. Warum Wolfsexperten sich wundern.
ES IST FRÜH IM HERBST, das Vieh steht noch auf den Weiden – jedenfalls die wenigen Herden, die man draußen grasen lässt. Es gibt nicht mehr viele Landwirte, die noch Weidehaltung betreiben. Auch vom Zug aus sieht man nur selten größere Rinderherden. Meistens ist es Jungvieh, Milchkühe sind so gut wie nie mehr draußen. Die Herden sind zu groß geworden, als dass man sie täglich zweimal zum Melken in den Stall bringen könnte, und ihre Milchleistung ist mit Weidegras nicht mehr zu erreichen. Immer öfter sind dagegen kleine braune Rinder mit riesigen Hörnern und zotteligem langem Fell zu sehen, ein paar Exemplare des schottischen Hochlandrinds. Meist grasen sie in der Nähe von Dörfern und unter ein paar schütteren Obstbäumen. Sie werden von Hobbylandwirten gehalten, die gleichzeitig Ferienwohnungen vermieten und ihren städtischen Gästen, besonders deren Kindern, damit eine ländliche Attraktion bieten.
Mit meiner Schwägerin Anna fahre ich zum Erntedankgottesdienst in unsere alte Kirche. Es erstaunt mich, dass die Männer nicht mitgehen. »Nö«, sagt Hannes, der mit dieser Frage nicht gerechnet hat. »Wieso denn Erntedank?« Und setzt ein wenig verlegen hinzu: »Die Ernte ist ja noch gar nicht fertig, der Mais steht noch auf dem Halm.«