Zufrieden alt werden. Volker Fintelmann

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Zufrieden alt werden - Volker Fintelmann aethera

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selber Geist, in seiner Wesenheit reiner Geist und im eigentlichen Sinne Kern des Menschen. Doch es bereitet sich die Gewänder, mit denen es sich bis zum Erreichen einer Vollkommenheit kleidet. Rudolf Steiner nannte diese 3 x 3 Leibes-, Seelen- und Geistesglieder in seinem zentralen Buch einer geisteswissenschaftlichen Menschenkunde Theosophie Hüllen.24 Wir können von Werkzeugen für den Leib und von Instrumenten für die Seele sprechen, für die Geistglieder fehlt ein sie erhellender Begriff. Interessant, dass das altgriechische Wort organon »Werkzeug« bedeutet und unser Organbegriff davon abgeleitet wurde.

       Voraussetzungen für die Geistesglieder

      Das Geistselbst hat zu seiner Voraussetzung die Bewusstseinsseele und den Empfindungsleib, der Lebensgeist Verstandes- und Gemütsseele und den Lebensleib, der in fernsten Zeiten entstehende Geistesmensch Empfindungsseele und den Stoff- oder physischen Leib. Hier verzichte ich auf weitere Versuche einer detaillierten Beschreibung, weil diese nicht nur aus dem Denken entstehen darf, sondern Anschauung sein sollte. Doch ist es wichtig, jeden Schritt der Geistesentwicklung in den drei Jahrsiebten zu beschreiben und zugleich den Hintergrund zu kennen, für den diese Schritte getan werden. Das wird dann im nächsten Hauptkapitel, das ganz das Alter in den Blick nimmt, folgen (siehe Seite 49 ff.).

       höhere Lebenserwartung

      Es sei noch ein Blick auf das 10. Jahrsiebt gerichtet, welches die Reihe der 3 x 3 Jahrsiebte nicht nur abschließt, sondern vollendet. Denn im idealtypischen Sinne einer Rhythmik, die – so wie hier dargestellt – für unsere Entwicklungsepoche laut Rudolf Steiner von etwa 1450 bis 3500 n.Chr. gilt, währt der Lebenslauf des Menschen diese 70 Jahre. Dann ist er »Vollmensch«.

      Wir wissen alle, dass Menschen heute oft viel länger leben, schon die durchschnittlichen Lebenserwartungen, etwas unterschiedlich für Frau und Mann, gehen deutlich darüber hinaus. Was dieses »Hohe Alter«, das den eigentlichen Lebenslauf übergreift, in der Entwicklung zu bedeuten hat, wird später noch dargestellt werden (siehe Seite 75 ff.). Dieses letzte Jahrsiebt vom 63. bis zum 70. Lebensjahr ist wie eine große Zusammenfassung der vorausgehenden neun. Alles wird zu Einem, jetzt ist das diesmal gelebte Leben rund und – wenn alles gut gegangen ist, was eher die Ausnahme darstellt – der vorgeburtlich gefasste Lebensplan erfüllt.

      Man kann verstehen, dass nach Rudolf Steiners Aussage anschließend eine Gnadenzeit folgt, wobei wir klären müssen, was Gnade eigentlich ist. Dem wird ein eigenes Kapitel gewidmet sein (siehe Seite 93 ff.).

      Auf eines können wir noch aufmerksam werden: In diesem letzten Jahrsiebt trifft die Siebenheit auf die Zehn! Und das leitet über zu den Jahrzehnten.

       Die Jahrzehnte

       Bedeutung der Zehn

      Rudolf Steiner hat die Jahrsiebte für die Evolution des Menschen in seinem Lebenslauf ganz besonders betont. Die Sieben ist eine Zahl des Lebens und zugleich der Zeit. Was bedeutet nun die Zehn, ist sie überhaupt von Bedeutung?

      Ein runder Geburtstag wird traditionell immer besonders gefeiert, vor allem im höheren Alter. Da spielen Siebenjahreszahlen eigentlich keine Rolle. Manchmal findet auch die Hälfte eines Jahrzehnts Beachtung, zum Beispiel der 65. Geburtstag, der lange Zeit mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben gleichgestellt wurde, oder der 75. Geburtstag als Maß eines Dreivierteljahrhunderts.

      Beim Menschen erleben wir die Zehn ganz offensichtlich an Händen und Füßen, an den Fingern und Zehen, wobei die Zehn in 2 x 5 gegliedert ist. Die Grundmaßeinheit der Länge, des Meters, wird – zum Beispiel beim Zollstock – eingeteilt in Abschnitte von 10 x 10 Zentimetern und jeder von diesen in wieder 10 einzelne Zentimeter. Das Jahr teilt sich dagegen in 12 Monate, und wir kennen auch Längenmaße wie die Meile, die keine Zehn in sich trägt. Ihre eigentliche Wirklichkeit und Bedeutung für den Menschen muss wohl noch entdeckt bzw. erarbeitet werden. Wir können uns jedoch annähern, dass, wo die Sieben eine innere Beziehung zur Zeit hat, die Zehn mehr dem Raum zuzuordnen ist. Raum und Zeit sind gewichtige Komponenten von Mensch und Welt, und so sollte der Zehn, hier den Jahrzehnten, mehr und mehr Verständnis entgegengebracht werden.

       Betonung des Raumes gegenüber der Zeit

      Unsere Gegenwart betont den Raum, sie hat für die Zeit wenig Verständnis. Das ist besonders in der Medizin zutreffend, die alles am Menschen räumlich wahrnimmt. Ein einzelner Befund als Momentaufnahme ist in diesem Sinne Raum, seine dauernde Veränderung in der Zeit wird nicht oder kaum beachtet. Der Gehalt von körpereigenem Kortison im Blut ist beispielsweise morgens viel höher als am Abend, im ersten Tiefschlaf geht er gegen Null. Wollen wir also den Menschen »räumlich« verstehen, müssen wir lernen, auch auf die Jahrzehnte zu sehen. Wieder ein vertiefendes Bild aus dem Leben des Jesus von Nazareth: 30 Jahre Entwicklung brauchte der Mensch Jesus von Nazareth, um Träger des Christus zu werden, der dann nur ein Zehntel dieser Zeit, drei Jahre, dem Menschen Jesus einwohnen konnte. Dann hatte der Geist, das Ich des Gottessohns den menschlichen Leib aufgezehrt. Wenn wir den Geist als Flamme sehen, hat sie ihn zu Asche verbrannt.

       Jahrzehnte als Schwellen

      Viele Menschen, auch ich selbst, erleben die Jahrzehnte als regelrechte Schwellen, die bedeuten, dass Altes verlassen wird und Neues beginnt. Dagegen ist der Übergang von Jahrsiebt zu Jahrsiebt fließend, eher Metamorphose des Gewesenen als Neuanfang. Viele meiner Patienten erlebten zum Beispiel das Ende eines Geführtwerdens an der Schwelle eines Jahrzehnts, die Frauen eher bei 30 Jahren, Männer mit 40. Wie oft stellen sich an diesen Schwellen erste tiefe Sinnfragen, wie oft werden damit Krisenzeiten verbunden. Wir können für unsere Epoche auf eine Zeitreihe von 3 x 3 Jahrzehnten zu je 30 Jahren blicken und sie mit den 3 x 3 Jahrsiebten zusammenschauen, ohne das rechnerisch zu denken, denn diese Rechnung ginge natürlich nicht auf. Der vom modernen Materialismus geprägte Mensch orientiert sich im Raum, denn dieser ist das Grundsystem eines weltanschaulichen Materialismus. Eine Maschine ist reiner Raum, sie hat keine zeitliche Struktur, ist hier und jetzt. Und wieder – Maschinen bestimmen, ja beherrschen heute die Medizin.

       Leib, Seele und Geist im Rhythmus der Jahrzehnte

      Entwicklung verläuft in der Zeit, ihr Rhythmus wird bestimmt durch die Sieben. Was bedeuten dann jene Drittel von je 30 Jahren, die raumbestimmt sind und ein idealtypisches irdisches Leben von 90 Jahren umfassen? Dieses Alter kommt der heutigen Realität ja deutlich näher als die 70 Jahre, die vorher beschrieben wurden. Ich denke schon, dass wir auch für diesen Rhythmus Leib, Seele und Geist zugrunde legen können. Dann wäre die räumliche Ausgestaltung des Leibes mit etwa 30 Jahren abgeschlossen, damit verbunden die noch starke Abhängigkeit von äußeren Bedingungen, die uns bestimmen: Lehre, Ausbildung, Studium, Gesellenzeit oder erste Berufserfahrungen. Um diese Zeit macht einer vielleicht seinen Meister, ein anderer seinen Facharzt oder wird Volljurist nach Referendariatszeit und zweitem Staatsexamen. Selbstverständlich zeigen sich viele individuell geprägte Ausnahmen von dieser geschilderten Regel, die ich lieber Typus nennen möchte. In der Musik wäre das Gleiche dann ein Thema mit Variationen. Hinzu kommen noch die schon erwähnten Verschiebungen der Verfrühung oder Verspätung (siehe Seite 27 bzw. 45 ff.).

      Die zweiten 30 Jahre sind dann die Blüte der Erwachsenenzeit, erfüllt von Selbstbestimmung, Gründung einer Familie, Verantwortung für sich selbst und zunehmend auch für andere, zum Beispiel seine Kinder. Im Mittelpunkt steht die Berufs- oder Arbeitswelt, die ausschlaggebend für die eigene Selbstverwirklichung ist.

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