So sind wir. Christian Hafenecker
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Ein erstes Treffen zwischen Zach und M. findet Ende August 2017 in der Anwaltskanzlei statt. Dort wird Zach ein Audiofile über ein Tablet vorgespielt, auf dem Strache und Gudenus abschätzig über Haselsteiner sprechen und Andeutungen machen, ihm und der STRABAG Bauaufträge zu entziehen. Mit dieser Information kontaktiert er Aczél und vereinbart einen weiteren Termin, welcher diesmal zu Dritt stattfinden sollte. Es steht jedenfalls von Beginn an im Raum, dass dieses Material seinen Preis hat. An den genauen Betrag konnte sich Alexander Zach im U-Ausschuss nicht mehr erinnern, er sagte:
„Also ich kann jetzt auch nicht mehr sagen, wann welcher Preis genannt wurde, aber diese Zahl von fünf Millionen, um die fünf Millionen stand im Raum“.43
Obwohl laut Zach kein Interesse an dem Material bestand, findet knapp zwei Wochen später der Termin mit M., Zach und Aczél in einem Kaffeehaus statt. Anlass für das Gespräch war demnach lediglich die Absage.
Warum für eine Absage ein Termin zu dritt in einem Kaffeehaus veranstaltet werden musste, obwohl ein einfaches Telefonat gereicht hätte, konnte Zach nicht näher erklären. Mit Haselsteiner sei über dieses Thema jedenfalls nie gesprochen worden, da von seiner Seite vermutlich ohnehin kein Interesse an dem laut Zach „wertlosen“ Material bestanden hätte.
Auch die österreichischen Behörden erfuhren nicht erst am Abend der Veröffentlichung von der Existenz des „Ibiza-Videos“. Slaven K., ein aus dem Umfeld von Julian Hessenthaler stammender V-Mann des Bundeskriminalamtes, hatte seinen Polizeikontakt bereits im Herbst 2018 über die Existenz und die Inhalte des Videos informiert.44
Kurz vor der Veröffentlichung des Videos sprach Hessenthaler erneut mit Slaven K., um dessen Kontakte zu nutzen und das Bundeskriminalamt „vorzuwarnen“. Er wollte dadurch den Eindruck verhindern, dass hier eine aus dem Ausland gesteuerte Wahlmanipulation im Gange sei.45
Wenn man im Zuge des Untersuchungsausschusses mitverfolgt hat, wie massiv die ÖVP mittlerweile mit der Errichtung eines „Tiefen Staates“ vorangekommen ist und dadurch auch Zugriff auf die obersten Organe der Republik hat, kann man nur zu einem Rückschluss kommen: Die ÖVP wusste bereits im Herbst 2018 von der Existenz des „Ibiza-Videos“. Anders als die FPÖ, denn behördenintern wurden die durch die Polizei gewonnenen Informationen nicht an die Spitze des Innenministeriums weitergegeben.
„Ich war in diesem schwarzen Netzwerk ein Fremdkörper“
Der im Jahr 2018 amtierende Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sagte sowohl im Untersuchungsausschuss, als auch in einem Interview in der FPÖ-TV-Sendung „Der schwarze Faden“, dass weder zu ihm noch in sein Kabinett irgendeine Information über das „Ibiza-Video“ durchgedrungen sei. Kickl weiter:
„Wenn es im schwarz eingefärbten BKA bekannt war, ist anzunehmen, dass Informationen auch an die ÖVP gingen. Für mich ist nicht vorstellbar, dass wenn man Kenntnis von einem Video hat, das den Vizekanzler der Republik betrifft, dieses brisante Video nicht auch der Spitze der ÖVP zur Kenntnis gebracht hat. Jahrelange Monokultur in zwei maßgeblichen Ressorts, Innen und Justiz, machte der ÖVP Gelegenheit. Ich war in diesem schwarzen Netzwerk ein Fremdkörper“.46
Kickl untermauerte diesen Eindruck, indem er aussagte, dass er sich gewundert habe, welche Abgeklärtheit ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz nach der Video-Veröffentlichung an den Tag legte.
In der Koalition änderte sich das Klima zwischen ÖVP und FPÖ Ende 2018 und Anfang 2019 spürbar. Immer mehr versuchte die Kanzlerpartei, ihren Koalitionspartner unter Druck zu setzen, und kritisierte die FPÖ öffentlich, beipielsweise im Zuge der „Liederbuch-Affäre“ oder des „Rattengedichtes“. Von einer partnerschaftlichen Arbeit auf Augenhöhe war nur noch wenig übrig geblieben.
Am 17. Mai 2019 um 18.00 Uhr veröffentlichen die beiden deutschen Medien „Der Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ einen siebenminütigen Zusammenschnitt des besagten Bildmaterials.
„Genug ist genug!“ – „So sind wir nicht!“
Danach überschlagen sich die Ereignisse. Strache tritt am 18. Mai 2019 um 12 Uhr zurück. Eine unmittelbar danach angekündigte Erklärung von Bundeskanzler Kurz wird immer wieder verschoben. Anstatt der, gegenüber der FPÖ versprochenen, Fortführung der türkis-blauen Koalition, lässt Kurz am Abend – zur besten Sendezeit um 19.45 Uhr – die Regierung platzen, denn: „Genug ist genug!“
Nur wenig später – um 20.30 Uhr – tritt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im ORF-Fernsehen auf und kritisiert ein Sittenbild, „das unserem Land nicht gerecht wird“. „So sind wir nicht“, wird er wenige Tage später betonen.
Abbildung 2: Rücktrittsrede von Vizekanzler H. C. Strache am Vormittag des 18. Mai 2019
FPÖ-Politiker haben in zahlreichen Interviews den Ablauf dieser Tage detailliert geschildert. Kurz und Van der Bellen hingegen geben sich bis heute sehr zugeknöpft. Sie wollen sichtlich den Eindruck vermitteln, von den Vorgängen überrascht, ja geradezu überrumpelt worden zu sein – und dann blitzschnell und staatsmännisch reagiert zu haben.
Rätselraten um Doppelgänger von Strache
Erstmals stürzen ausländische Journalisten eine österreichische Regierung
Als am Abend des 17. Mai 2019 das „Ibiza-Video“ zeitgleich um 18 Uhr von der „Süddeutschen Zeitung“ und vom „Spiegel“ auf ihren Webseiten veröffentlicht wird, passiert Einmaliges: Zum ersten Mal stürzen ausländische Journalisten eine österreichische Regierung, mit einem entsprechend zusammengeschnittenen Video. Aus einem Material von sieben Stunden werden sieben Minuten herausgepickt.
Einer der verantwortlichen Redakteure der Video-Veröffentlichung war der Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Oliver Das Gupta. Fragen zu Hintermännern, Personen, die die Aufnahmen übergaben, und ob für das Video Geld bezahlt wurde, wollte er nicht beantworten. Das Gupta teilte dem Online-Medium “Unzensuriert“ schriftlich mit:
„Wie schon telefonisch erwähnt, werde ich über redaktionelle Interna sowie die Quellen – und darauf zielen manche Ihrer Fragen ab – aus naheliegenden und oft kommunizierten Gründen nicht antworten. Etwa die Frage, ob wir Geld für den Erhalt des Materials gezahlt hätten, ist nun doch wirklich oft genug beantwortet worden.“
Von allen Seiten wurde stets bestritten, dass für die Bereitstellung des Videomaterials und diesbezügliche Informationen Geld geflossen sei. Diese Aussagen widersprechen aber einer Chat-Nachricht des Detektivs Julian Hessenthaler an seinen Bekannten, dem er Geld schuldete und dem er schrieb: