So sind wir. Christian Hafenecker
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Wie soll man diese Chat-Nachricht interpretieren, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf dem Mobiltelefon eines der „Ibiza“-Drahtzieher gefunden und die dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss vorgelegt wurde?
„Spiegel“ und „Süddeutsche“ beharren dennoch darauf, kein Geld für das „Ibiza-Video“ bezahlt zu haben. Gegen anderslautende Meldungen wurde gerichtlich vorgegangen – so wurde eine diesbezügliche Behauptung des Nachrichtenportals „oe24.at“ in einem gerichtlichen Eilverfahren untersagt. Einen Revisionsrekurs der Beklagten wies der Oberste Gerichtshof (OGH) zurück, wie das Anwalts-Medium „juve.de“ am 17. Februar 2021 schrieb.49
Über Geld und Informanten spricht man nicht
So wird im Buch der beiden Autoren und „Süddeutsche“-Redakteure Frederik Obermaier und Bastian Obermayer mit dem Titel „Die Ibiza-Affäre“ immer nur von „Kontaktleuten“ gesprochen, ohne Namen zu nennen. „Das wollen wir in diesem Buch bewusst offen lassen, um unsere Quellen zu schützen“, heißt es da.50
Verraten wird lediglich, dass eine mysteriöse Verabredung mit den „Kontaktleuten“ stattgefunden habe. Man akzeptierte, schließlich sei „die Quelle der König“. Ausgemacht wurde, dass diese Kontaktleute einen Tag nennen würden, am Vorabend dieses Tages dann eine bestimmte Stadt in Deutschland und schließlich vor Ort angekommen, würde man den investigativen Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ den Treffpunkt mitteilen – ein gut erreichbares Hotel.51
Erst im Hotelzimmer wollen sie erfahren haben, dass es sich wirklich um eine „heiße Story“ handeln könnte und dass es dabei um den österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache geht, dem die „Kontaktleute“ (wie viele es waren, wird auch nicht verraten) eine Video-Falle gestellt hätten.52
Interessant: Im Buch der Journalisten Obermaier und Obermayer halten die beiden fest, dass sie selbst niemals zu solchen Mitteln greifen würden, wie es die Fallen-Steller auf „Ibiza“ getan haben. Wörtlich heißt es:
„Natürlich: Auch Journalisten setzen manchmal ähnliche Mittel ein, wenn sie undercover recherchieren. Allerdings ist die Haltung der SZ dazu sehr klar: Wir gehen nicht undercover. Wir filmen niemanden heimlich, wir legen niemanden herein und locken niemanden in eine Falle.“53
Aber eines Materials, bei dem andere jemanden in eine Falle locken, bedient man sich offenbar schon. Es sei ja nicht verwerflich, undercover zu recherchieren, betonen Obermaier und Obermayer beinahe entschuldigend in ihrem Buch.
In einem Hotel irgendwo in Deutschland bekommen die Journalisten im Sommer 2018 also erstmals das Video zu Gesicht. Der Ton ist miserabel, berichten sie. Und man zweifelt, ob es sich bei der gezeigten Person tatsächlich um Heinz-Christian Strache handeln würde. Es könnte ja auch ein Doppelgänger sein, und wer weiß, dachten sie sich, könnte das Video ja auch manipuliert worden sein. Aus diesem Grund war es auch notwendig, die gesamte, siebenstündige Aufzeichnung anzusehen.54
Im Herbst 2018 dann die alarmierende Nachricht für die „SZ“-Aufdecker. Auch ein anderes Medium hat Wind davon bekommen, die „Quelle“ sei offenbar auch im Gespräch mit dem „Spiegel“, einem der größten Konkurrenten der „Süddeutschen Zeitung“, wenn es um investigativen Journalismus geht. Schnell können sich die „SZ“-Journalisten mit dem „Spiegel“-Mann, Martin Knobbe, der früher selbst für die „Süddeutsche“ schrieb, über eine Zusammenarbeit einigen. Gemeinsam wird recherchiert, auch die vermeintliche reiche Russin wurde im Doppelpack (SZ und Spiegel) getroffen – und zwar an einem abgelegenen Ort, schwer erreichbar und mit einer nächtlichen Zugfahrt verbunden, wie es im Buch beschrieben wird.55
Am 15. Mai, also zwei Tage vor der Veröffentlichung des „Ibiza“-Videos, wandten sich die Redakteure per WhatsApp mit konkreten Fragen zu den Themen, die im „Ibiza-Video“ besprochen wurden, an Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Die Nachrichten wurden laut den Buchautoren um 14.31 Uhr abgeschickt. Normalerweise konfrontiere man die Gegenseite mit einer E-Mail, die man später den jeweiligen Pressesprechern der beiden Politiker „zur Sicherheit“ auch noch schicke, aber von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk habe man den Tipp bekommen, „dass man Strache über den Kurznachrichtendienst WhatsApp am besten erreicht.“56
Viel Alkohol und eine hohe Sprachbarriere
Strache antwortet am Donnerstag, dem 16. Mai, um 14:32 Uhr, also fast genau 24 Stunden nach der WhatsApp-Anfrage von „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“. Über WhatsApp schrieb er:
„Das von Ihnen angesprochene rein private Treffen hat im Juli 2017 in einer Finca auf Spanien in lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre stattgefunden. Eine vermeintlich lettische Staatsbürgerin mit ihrem deutschen Bekannten bzw. Vertrauten haben zu diesem Abendessen eingeladen. Die beiden Personen kannten Johann und Tajana Gudenus bereits seit Längerem und haben mich zusätzlich zu besagtem Abendessen eingeladen. Dabei wurde von der vermeintlich lettischen Staatsbürgerin (welche ich bis dato nicht persönlich kannte) mitgeteilt, dass sie mit ihrer Tochter nach Wien ziehen und in Österreich wirtschaftlich Fuß fassen und investieren wolle. Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen. Das gilt auch für allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten. Ein weiterer Kontakt zwischen mir und den von Ihnen zitierten Personen fand danach nicht mehr statt. Daran bestand von meiner Seite auch keinerlei Interesse. Auch habe ich oder die FPÖ niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder gewährt. Auch sind von den (von) Ihnen genannten Personen und Unternehmen keine Spenden an die FPÖ eingegangen. Im Übrigen gab es neben dem Umstand, dass viel Alkohol im Laufe des Abends gereicht wurde, auch eine hohe Sprachbarriere, wo ohne einen professionellen Übersetzer von Russisch, Englisch auf Deutsch übersetzt wurde. Mit freundlichen Grüßen Heinz-Christian Strache.“57
„Kann sein, dass morgen Österreich brennt“
Die Reaktion von Johann Gudenus ist ähnlich aufgebaut. Es gibt nur einen markanten Unterschied zur Strache-Äußerung, ein Postskriptum am Ende des Schreibens:
„Schöne Grüße an Herrn Böhmermann.“58
Gudenus nahm damit Bezug auf die Rede des deutschen TV-Satirikers Jan Böhmermann bei der Romy-Gala Mitte April 2019 in Wien und vermutete wahrscheinlich, dass Böhmermann hinter der Video-Falle stecken könnte. Eine durchaus denkbare Variante zu diesem Zeitpunkt, die nicht nur Gudenus für möglich gehalten hatte. Denn in seiner Videobotschaft sprach Böhmermann bei der Entgegennahme des „Kurier“-Fernsehpreises bereits Wochen vor den Ereignissen von einer „russischen Oligarchenvilla auf Ibiza“. Er verhandle dort gerade, meinte er scherzhaft, die Übernahme der „Kronen Zeitung“.
Böhmermann sagte, er hänge „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Öligarchenvilla auf Ibiza“ rum.59
Zumal