Sexualität – Macht – Religion. Joachim Kügler
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Gottessohn / Gottestochter
Im Vergleich zum königlichen Vater widmet Hatschepsut dem göttlichen Vater Amun im Ewigkeitstempel unvergleichlich mehr Raum. Das ist nicht überraschend, denn religiös ist diese göttliche Vaterschaft natürlich noch wichtiger als die des königlichen Vaters und Vorgängers. Das theologische Programm, das in Text und Bild die Gestaltung ihres Millionenjahrhauses bestimmt, verbindet ihr Königtum auf alle erdenkliche Weise mit Amun.
Abb. 4: Amun zeugt mit Ahmose den neuen König; Relief aus Deir el-Bahari (Graphik JK; stark ergänzend)
Ein zentrales Element dieses Programms stellt der berühmte Geburtszyklus dar, eine Folge von Reliefdarstellungen, in der Hatschepsut ihren göttlichen Ursprung als königliche Tochter des Amun verewigt: Amun hat sie gezeugt (siehe Abb. 4), ihre Mutter Ahmose hat sie mit Hilfe göttlicher Hebammen geboren, von Göttinnen wurde sie gestillt, der Götterkönig Amun hat sie als seine leibliche Tochter anerkannt und zur Königsherrschaft bestimmt.
Wegen der besonderen Situation Hatschepsuts als Frau in der Königsrolle hat man bisweilen die zentrale Botschaft des Geburtszyklus vor allem im Bereich politischer Propaganda gesucht. Allerdings waren die Reliefs nicht öffentlich zugänglich. Nur eine kleine Schar von Priestern hatte Zutritt zum Tempel und konnte die Inschriften lesen. Wie bei anderen Tempelinschriften auch geht es nicht um Mitteilung an die Menschen, sondern um die Götterwelt. König Hatschepsut stellt sich in Deir el-Bahari den Göttern vor und tritt in Gemeinschaft mit ihnen. Als Tochter des Amun gehört sie zur Familie der Götter. Sie hat entsprechend der göttlichen Weltordnung die königliche Herrschaft ausgeübt und sich als Tochter des Amun bewährt. Ihr Geburtszyklus hält diesen theologischen Anspruch ihres Königtums fest. So wird, zusammen mit allen anderen Elementen des Totentempels, die Grundlage dafür gelegt, dass Hatschepsut über den Tod hinaus zusammen mit Amun verehrt werden muss. Als rechtmäßige Tochter Amuns ist sie eine Erscheinungsform ihres göttlichen Vaters. Ihr Königtum ist Ausdruck seiner göttlichen Königswürde. So muss ihr Königtum um Amuns willen auch nach ihrem Tod ewigen Bestand haben.
Abb. 5: Amun präsentiert der Götterwelt seine Tochter Hatschepsut als rechtmäßigen König; Reliefszene in Deir el-Bahari (Graphik JK)
Die durchgängige Orientierung auf die Götterwelt wird auch in einer Reliefszene deutlich, die eine deutliche Parallele zu der schon betrachteten Einsetzung der Hatschepsut durch Thutmosis I. darstellt. Gemeint ist die Präsentation Hatschepsuts durch ihren göttlichen Vater Amun. Die entsprechende Szene (siehe Abb. 5) steht am Ende des Geburtszyklus und bringt diesen inhaltlich an sein Ziel. Nachdem Amun das von ihm gezeugte königliche Kind mehrmals anerkannt und liebkost hat, präsentiert er es schließlich öffentlich als neuen König für Ägypten. Wie in der Präsentation durch Thutmosis I. erscheint Hatschepsut dabei in der bildlichen Darstellung in männlicher Gestalt, während die Texte auf ihr persönliches Geschlecht Rücksicht nehmen. „Seht die Tochter des Amun!“, sagt der Himmelskönig zu den Göttern. Auch sonst ist die Struktur der beiden Szenen durchaus vergleichbar. Während aber Thutmosis I. seine Tochter den irdischen Beamten präsentiert, richtet sich die Präsentation durch Amun an die Götter. In ihrer Antwort bestätigen alle Götter die Herrschaft Hatschepsuts und versichern der „leiblichen Tochter des Amun“ ihren unaufhörlichen Schutz und Segen. Die beiden väterlichen Präsentationen verfolgen ein gemeinsames Ziel. Sie verkünden, dass die Königsherrschaft der Hatschepsut legitim ist und der göttlichen Weltordnung entspricht. Diese ordnungsgemäße Herrschaft, von beiden Vätern proklamiert, von der Menschen- und der Götterwelt anerkannt, muss den Tod überdauern und dem König Hatschepsut ein Leben „in alle Ewigkeit“ sichern.
Tochter einer Göttin
Neben den beiden Vätern Thutmosis I. und Amun nimmt Hatschepsut auch eine weibliche Gottheit, nämlich Hathor, als göttliche Mutter in Anspruch. In Deir el-Bahari hat sie der Hathor eine eigene Kapelle mit aufwändiger Dekoration geweiht. Dort wird der Isis-Horus-Mythos aktualisiert und auf Hatschepsut angewandt. Die Hathorkapelle wird identifiziert mit dem mythischen Papyrus-Dickicht, in dem Isis ihr Kind vor der Verfolgung durch Seth verbirgt. Hathor fungiert wie Isis als Mutter, Schützerin und Gebärerin des Horuskindes. In Gestalt einer Wildkuh kommt Hathor zu ihrer Tochter Hatschepsut. Mehrere Reliefs zeigen, wie Hathor zärtlich die Hand des Königs leckt oder Hatschepsut am Euter der Hathor trinkt (siehe Abb. 6). Die Gottesmutter nährt ihre Tochter und gibt ihr göttliche Lebenskraft.
Eine Inschrift lässt Hathor sprechen:
Ich komme zu dir, meine geliebte Tochter, König von Ober- und Unterägypten: Maat-Ka-Re, Tochter des Re: HATSCHEPSUT DIE-AMUN-UMARMT. Deinen Arm küsse ich, deinen Leib lecke ich; Deine Majestät erfülle ich mit Leben und Glück, wie ich es für Horus tat in der Geborgenheit des Nestes von Chemnis.
Abb. 6: Hathor stillt Hatschepsut (in männlicher Gestalt) mit göttlicher Milch (Graphik JK)
Obwohl die Texte der Hathorkapelle die liebevolle Zuwendung der Gottesmutter zu ihrer Tochter Hatschepsut in geradezu poetisch-zärtlicher Weise ausdrücken, geht es hier nicht primär um Mutter-Kind-Romantik. Vielmehr wird über den Horus-Bezug ein zentrales Thema des Königtums der Hatschepsut festgehalten. Horus ist ja die mythische Verkörperung des legitimen Königtums. Er rächt den Mord an seinem Vater und setzt sich als rechtmäßiger Thronerbe gegen seinen Widersacher Seth erfolgreich zur Wehr. Nach längerem Kampf siegt Horus gegen Seth. Der legitime König triumphiert über seinen Feind, die göttliche Ordnung triumphiert über das Chaos. Was König Hatschepsut von Hathor bekommt, ist also vor allem die horusmäßige Legitimität ihrer Herrschaft. Dabei geraten die Geschlechtsrollen auch im Text kräftig in Reibung. Es ist hier nicht nur das Bild, das Hatschepsut als Mann zeigt, vielmehr findet sich auch im Text ein eindeutig männlicher Aspekt: die Sohnesrolle des Horus. Trotzdem wird auch am persönlichen Geschlecht der Hatschepsut festgehalten. Immer wieder wird sie als Tochter angesprochen und sogar der traditionelle Sohn-des-Re-Titel erhält eine weibliche Fassung. Daraus resultiert dann eine höchst spannungsvolle Aussage: Als Tochter von Hathor, Re und Amun ist Hatschepsut zugleich Horus, Sohn der Isis. Und so zeigt sich auch, wie das Bemühen um eine Verweiblichung der Tradition an seine Grenzen stößt.
Keine Ewigkeit für Hatschepsut: Eine Frau ist eine Frau
Innerägyptisch scheitert Hatschepsut mit ihrem Versuch, sich als rechtmäßiger König zu verewigen. In ihrem Fall dauert die Ewigkeit nach ihrem Tod etwa zwanzig Jahre. Dann setzt die Zerstörung ihrer Denkmäler ein. In den offiziellen Königslisten wird sie nicht geführt. Das Denkmal eines hohen Beamten erkennt schon bald nach Hatschepsuts Tod ihr Königtum nicht mehr an. Und ein berüchtigtes pornographisches Graffito2 lässt erkennen, dass das Königtum dieser Frau auch beim „kleinen