DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer
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Читать онлайн книгу DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer страница 11
»Du kannst es nicht wissen«, unterbrach Ratzos Stimme den Lauf seiner Gedanken, »ebensowenig, wie ich wissen kann, ob du mir nicht dein spitzes Eisen zwischen die Rippen stichst, sobald du das Pferdchen siehst. Du sehnst dich nach Macht, bist aber nur ein kleines Tempellicht.« Ratzos sprach jetzt leise und klar. »Nun ja, das wirst du auch bleiben, eine Koryphäe kann mein Mann nicht aus dir machen. Aber ein bißchen besser und mächtiger kannst du werden, wenn du willst. Und du brauchst ein Pferd und hast kein Geld. So ist deine Lage.« Er lachte. »Und ich muß für eine Weile unsichtbar werden und will deinen Ring. Ich will ihn schon immer. Also, entscheide dich, und zwar schnell, ich habe noch mehr Interessenten für Fatima.«
»Wieviel Kraft?« fragte Fuxfell.
»Du hast doch früher gelegentlich und wenig erfolgreich mit diesem Freundschaftszauber herumexperimentiert. Nun, in Zukunft könnte er dir etwas zuverlässiger gelingen. Vielleicht kann mein Mann dir auch eines von seinen Gauklerstückchen beibringen – bunte Flämmchen und dergleichen, du weißt schon …«
»Also gut«, stimmte Fuxfell nach einer Weile zu, »der Handel soll gelten. Führ mich zuerst zu dem Pferd und dann zu deinem Scharlatan.«
Ratzo erhob sich und nahm seinen Hut vom Haken. »Dann komm«, sagte er, »und achte darauf, daß du dein spitzes Eisen auch recht gut festhältst, damit kein Räuber dir etwas zuleide tun kann.« Er kicherte, während er sich einen Weg zur Tür bahnte.
Kühl und sternenklar hatte die Nacht ihren Mantel über Methumis gebreitet. Aus dem Drillfisch und den anderen Hafenschenken erklangen Gelächter und Gesang, sonst war es still. Vom fernen Hesindetempel ertönte ein Gongschlag.
Als Zordan Fuxfell der Ratte Ratzo Nattel durch die dunklen, verlassenen Gassen folgte, hielt seine Rechte den Griff des Rapiers fest umklammert. Aber in dieser Nacht drohte seinem Leben keine Gefahr.
3. Kapitel
Klein-Thalionmel weinte laut und zornig. Sie schätzte es gar nicht, gewindelt und gewickelt zu werden. Viel lieber wollte sie mit ihren rundlichen kleinen Beinen im Sonnenlicht strampeln, das als heller schräger Balken durch das Fenster in die Kinderstube und auf das Wickeltischchen fiel. Aber die Kinderfrau hatte kein Erbarmen; mit einem energischen Griff packte sie die kleinen rosigen Füße und hatte trotz heftiger Gegenwehr des Säuglings die Beine bald in die Stellung gebracht, die sie benötigte, um die weichen Wickeltücher ordnungsgemäß darumzuwinden. »Bist ein kräftiges kleines Persönchen«, sagte sie lachend, »aber es hilft dir nichts, noch bin ich stärker als du. Und nun hör auf zu weinen – was soll denn die Herrin von uns beiden denken, wenn sie die nassen Wangen und das triefende Näschen sieht?« Vorsichtig tupfte Witwe Westfahr das Gesicht des Kindes trocken. Bei den der Reinlichkeit und Pflege dienenden Verrichtungen hatte sich ihr Haarknoten allmählich gelöst, und nun fiel eine dicke Strähne in Reichweite der winzigen Säuglingshände. »Au!« entfuhr es der Kinderfrau, als die Fingerchen sich in ihrem Haar verkrallten und energisch zogen. »Hast wirklich Bärenkräfte, mein Liebling, aber nun laß los!« Doch das Kind hörte nicht auf sie und zog immer fester, wobei allmählich die Tränen versiegten und das kleine Gesicht vor Freude erstrahlte.
Die Tür wurde aufgerissen, und Kusmine, erhitzt und ein wenig außer Atem, stürmte ins Zimmer. Sie hatte soeben ihre Fechtstunde absolviert, zu der regelmäßig seit ihrer Eheschließung einmal im Mond ein Fechtlehrer aus Neetha anreiste und dann für einige Tage als Gast, Lehrmeister und Übungspartner der Herrin im Gutshause weilte. Auch Durenald hatte in den ersten Jahren fleißig am Unterricht teilgenommen, später, als die Zeit und die gute Verpflegung durch Küchenmeisterin Titina ihm ein wenig von seiner Beweglichkeit genommen hatten, beschränkte sich die Teilnahme mehr und mehr aufs Zuschauen, wobei er es sich niemals versagen konnte, Kusmine nach der Lektion zuzuflüstern, daß es eigentlich an dem Fechtlehrer sei, sie, Kusmine, zu bezahlen, anstatt umgekehrt. An diesem Morgen jedoch war er schon früh ausgeritten, da er seinem Weib für den nächsten Praiostag einen saftigen Wildschweinbraten versprochen hatte.
»Thalionmel, kleine Kriegerin, laß dich anschauen!« rief Kusmine und streckte die Arme nach ihrer Tochter aus. Die Kinderfrau reichte ihr den Säugling, der beim Anblick der Mutter sogleich aufjauchzte. »Was ist das, Susa?« fragte Kusmine und wies auf die kleine Faust des Kindes.
»Oh, Euer Edelgeboren, das Kindchen hat beim Wickeln nach meinem Haar gegriffen und mir tatsächlich ein Strähnchen ausgerauft.«
»So kräftig ist sie schon«, murmelte Kusmine nicht ohne Stolz. »Ich hoffe, sie hat dir nicht zu weh getan.«
Kusmine hielt ihre Tochter mit ausgestreckten Armen in die Höhe. Das Kind lachte, ruderte mit den Ärmchen, und auch die Beinchen regten sich und stießen, soweit es die Fessel der Wickelbänder eben zuließ. Unvermittelt warf Kusmine den Säugling in die Luft. »Was tut Ihr, Herrin!« rief die Kinderfrau erschrocken. »Bei allen Zwölfen, nein!« Doch die Frau von Brelak hatte ihre Tochter sicher wieder gefangen, und das Jauchzen des Kindes ließ keinen Zweifel daran, daß ihm der Flug gefallen hatte.
»Siehst du, Susa, sie hat keine Angst«, stellte Kusmine mit Genugtuung fest, »eine Enkelin des Irineius von Malur fürchtet sich nicht vor dem Fliegen.« Noch dreimal gönnte sie dem Kind das Vergnügen, das jedesmal ›Mehr, mehr!‹ zu rufen schien, dann preßte sie es ungestüm an ihren leichten Lederharnisch und küßte das zarte Blondhaar wild und innig. »Und nun wollen wir einmal schauen, wo dein Vater mit dem Braten bleibt«, sagte sie, öffnete das Fenster und gab einem Stallburschen im Hof Anweisung, ihr Pferd zu satteln. Dann wandte sie sich an die Kinderfrau: »Susa, gib mir eine Decke und das Häubchen.«
Witwe Westfahr sah sie überrascht an. »Wozu?« fragte sie.
»Damit sie sich nicht verkühlt, natürlich – Mitte Peraine kann man ein so junges Kind doch nicht ungeschützt der Waldluft aussetzen.« Kusmine drohte der Frau scherzend mit dem Finger. »Das solltest du als Kinderfrau eigentlich wissen.«
»Ihr wollt sie doch nicht etwa mitnehmen, Herrin! Um Praios’ willen, nein!« Erschrocken streckte Susa die Hände nach ihrem Pflegling aus, um ihn Kusmine abzunehmen, doch diese hielt ihr Töchterlein fest und drehte sich mit ihm im Kreise.
»Wir reiten in den dunklen Tann, wo Wolf und Nachtwind hausen …«, begann sie eine alte Weise zu singen.
»Reiten?« unterbrach Susa den Gesang. »Ach, Euer Edelgeboren, tut mir das nicht an! Wie soll das angehen? Wollt Ihr sie Euch auf den Rücken binden? Ach, mein armer kleiner Liebling!«
»Auf den Rücken binden, das ist keine schlechte Idee«, lachte Kusmine, Susas kummervoller Miene nicht achtend. »Ich habe gehört, daß die Waldmenschenfrauen ihre Kinder auf dem Rücken tragen, und die Nivesinnen und sogar manche der hiesigen Bäuerinnen tun es wohl auch. Aber da wir hier weder im kalten Nivesenland sind noch im hitzigen Dschungel und ich auch keine Bäuerin bin, habe ich mir etwas anderes ausgedacht. Paß auf …« Und nun erläuterte sie der Kinderfrau ausführlich die Bauweise des Sattelkörbchens, das der alte Hilgert nach ihren Anweisungen geflochten und dergestalt mit ledernen Bändern versehen hatte, daß einerseits ein Herausfallen des Kindes verhindert wurde, andererseits ein sicherer Halt sowohl am Sattel als auch am Pferd gewährleistet war. »Ich finde, mit fast drei Monden sollte sie sich allmählich ans Reiten gewöhnen«, beendete sie ihre Ausführungen, »oder was meinst du, kleine Kriegerin?« Und wie zur Bestätigung begann Thalionmel zu lachen.
Als Kusmine mit ihrem Kind davonritt, blickte Susa den beiden kopfschüttelnd nach. Wann wird unsere wilde Herrin endlich