DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer страница 9
Und nahe beim Hafen hatten Baumeister und Maurer damit begonnen, einen schönen, großen, steinernen Efferdtempel zu errichten, der einmal die bescheidene Bethalle ersetzen sollte.
Zordan Fuxfell bemerkte von alldem nichts. Dieser erste wirkliche Schicksalsschlag in seinem Leben machte ihn blind und taub für alles, was ihn umgab. Betäubt war er auch vom Weine, dem er seit dem unseligen Tage fleißiger denn je zusprach, zum Frühstück schon – oder besser: statt desselben, auch wenn von Frühstück zu sprechen kaum passend erscheint, da er sich vor der zwölften Stunde nicht vom Lager erhob. Doch er mußte sich betäuben, mußte die Stimme in seinem Kopfe zum Schweigen bringen, die unablässig sagte: Es war deine Schuld, mein Lieber, einzig und allein deine Schuld.
Ziellos, wie schon an den Tagen zuvor, streifte er durch die Stadt und ließ seine Füße entscheiden, wohin sie ihn tragen wollten. In wie vielen Schenken er schon seine Taler und Heller gelassen hatte, wußte er nicht und wollte es auch nicht wissen, ebensowenig wie er gemahnt werden wollte, daß sein Vermögen nicht unerschöpflich sei.
Die sinkende Praiosscheibe verwandelte das Meer in einen endlosen Teppich aus Blau und Grau mit schillernden rotgoldenen Mustern darin. Dicht über dem Horizont schlossen sich violette Wölkchen zu einem feinen dunklen Streifen zusammen, dessen gleißender Saum allmählich verblaßte und mit dem fahlgrauen Purpur des Himmels verschmolz. Auch der morgige Tag würde Fischern und Kauffahrern eine ruhige See bescheren. Efferd sei Dank, so dachte manch einer mit kundigem Blick zum Himmel.
Als Fuxfells Füße den Weg zum Hafenviertel einschlugen, war alles Gold von Meer und Himmel verschwunden. Der Abend hatte sich über Methumis gebreitet, Düfte von Kohl, Speck und Fisch drangen aus Garküchen und Fischbratereien in die engen Gassen, und die ersten Schönen der Nacht bezogen ihre angestammten Plätze. Doch Fuxfell war unempfänglich für beiderlei Verlockungen. Ein Schenkenschild, von der Abendbrise sanft bewegt, erregte seine matte Aufmerksamkeit: Es zeigte, in ungelenken Pinselstrichen auf hell gebleichtem Holz, das Abbild eines seltsamen Fisches, dessen Maul ein langes gedrehtes Horn zierte. Zum Drillfisch stand darunter. Der Name kam Fuxfell vage bekannt vor, doch hätte er nicht zu sagen gewußt, ob von angenehmen oder üblen Erinnerungen. Was soll’s, eine Kaschemme hier ist so gut oder schlecht wie die andere, dachte er verdrossen, während er die Tür zum Schankraum öffnete.
Trotz der frühen Abendstunde war der Drillfisch schon gut besucht. Matrosen, Schauerleute und Fischer drängten sich an der Theke, und auch die meisten Tische in der niedrigen dunklen Stube waren besetzt. Zwischen die Männer und Frauen, an deren Kleidung und Sprache man ihr efferdgefälliges Gewerbe erkannte, mischten sich Gestalten von verwegenem Äußeren und schwer durchschaubarer Profession. Während Fuxfell einen freien Tisch im hinteren Teil des Schankraumes ansteuerte, wo ein mächtiger Stützpfeiler ihn vor neugierigen Blicken schützen würde, wurde er von einer rotblonden Hünin zu einer Partie Boltan eingeladen. »Vergebung, schönste Dame«, hörte Fuxfell sich sagen, »aber Phex ist mir heute nicht gewogen, und so muß ich Euer verlockendes Angebot leider ausschlagen.« Er schenkte der Matrosin ein schiefes Lächeln und setzte mit einer knappen Verbeugung den Weg zu dem erwählten Tische fort. Dröhnendes Lachen folgte ihm vom Tisch der Boltan-Spieler, und Fuxfell war sich gewiß, daß seine Worte, seine Kleidung oder sein Gebaren den Anlaß für den prächtigen Scherz geliefert hatten. Gesindel!
Ein falsches Wort, und ihr werdet mich kennenlernen! dachte er grimmig und tastete verstohlen nach dem Griff seines Rapiers. Auch wenn das ständige leichte Zittern seiner Finger und die mangelnde Übung in der letzten Zeit ein Boltan-Spiel weder heute noch morgen ratsam erscheinen ließen – zum Stoßen und Stechen würde seine Gewandtheit allemal ausreichen!
Die Schankmagd, eine knochige blasse Person mit strähnigem Blondhaar, fragte Fuxfell nach seinen Wünschen, und er bestellte einen großen Krug gewärmten und gesüßten Weines. Es war allein deine Schuld, begann es soeben wieder in seinem Kopfe. Hättest sie halt nicht so schinden sollen, dann könnte sie heute noch leben … Gierig leerte er den ersten Becher. … und du hättest den Sieg erringen können. Mit zitternden Fingern füllte er den Becher von neuem.
»Na, Fuxfell, alter Pferdeschinder«, erklang hinter ihm eine fröhliche und vage vertraute Stimme.
Eine Woche lang hatte Zordan Fuxfell auf diese Worte gewartet. Eine Woche lang hatte er sich ausgemalt, was er täte, sollte ihn jemand wegen seines Unglücks verspotten. Nun zuckte er unter den Worten zusammen wie unter einem Hieb. Doch dann, kaum vom Willen gesteuert, schoß seine Rechte nach hinten, noch bevor er sich selbst umgewandt hatte, und er wußte, der juwelenbesetzte Ring auf dem Mittelfinger des Spötters würde den Kiefer brechen.
Ein eiserner Griff schloß sich um Fuxfells Handgelenk. »Aber, aber!« Die Stimme hatte nichts von ihrer Fröhlichkeit eingebüßt. »Behandelt man so alte Freunde, die einem helfen wollen? Vielleicht solltest du weniger trinken, wenn es dir nicht bekommt.« Der Griff verstärkte sich schmerzhaft, als ihm der Arm auf den Rücken gedreht wurde. »Wirst du nun brav sein, wenn ich dich loslasse?« fragte der Fremde, und Fuxfell nickte düster.
Während Zordan Fuxfell sich das schmerzende Handgelenk massierte, ließ sich der Fremde auf einem Schemel bei ihm nieder. Es war ein sehniger Endzwanziger in abgewetzter Lederkluft, über deren Wams ein breiter Spitzenkragen fiel. Während er Fuxfell aufmerksam beobachtete, zog er einen wertvollen tulamidischen Zierdolch aus dem Gürtel und begann sich damit sorgfältig die Fingernägel zu reinigen. Die Züge des Neuankömmlings wurden von einem federgeschmückten schwarzen Schlapphut beschattet, doch Fuxfell wußte inzwischen, mit wem er den Tisch teilte: Es war Ratzo Nattel, genannt die Ratte, ein alter Kumpan aus Kindertagen und jemand, nach dessen Gesellschaft Fuxfell sich nicht im mindesten sehnte. Nachdem Ratzo seine Maniküre beendet und das Ergebnis ausgiebig überprüft hatte, gab er der Schankmagd ein Zeichen, einen zweiten Becher zu bringen. Dann zog er den Hut vom Kopf, blies ein unsichtbares Stäubchen von der Krempe und warf ihn, ohne hinzuschauen, zur Wand, wo er sicher auf einem Haken landete. Das Mädchen hatte inzwischen den zweiten Becher gebracht, und Ratzo schenkte sich ein, ohne Fuxfells Aufforderung abzuwarten. Ein breites Grinsen entblößte große gelbe Schneidezähne, die, im Zusammenspiel mit den kleinen schwarzen Augen, der spitzen Nase und dem schwach entwickelten Kinn, seinen Zügen in der Tat etwas Rattenhaftes verliehen. »Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben, Ratte«, knurrte Fuxfell. »Und nun trink aus und mach, daß du weiterkommst!«
Das Lächeln war beim Klang des Spitznamens für einen halben Wimpernschlag einem Ausdruck wild lodernden Hasses gewichen, doch Ratzo hatte seine Züge sogleich wieder unter Kontrolle. »Warum so unfreundlich?« fragte er verbindlich. »Wer wird denn einen alten Freund und zukünftigen Geschäftspartner so brüsk davonjagen? Mir scheint, dein adeliger Herr Vater hat verabsäumt, dich in die Geheimnisse der Etikette einzuweihen. Doch nun zur Sache. Aischa, bring uns noch einen Krug!« Er warf der Magd ein Silberstück zu, das diese mit einem flüchtigen Knicks rasch in ihrem Mieder verschwinden ließ.
»Freund? Geschäftspartner?« Fuxfell wurde von einem Lachen geschüttelt, das bald in einen quälenden Hustenanfall überging. »Zur Sache also«, stieß er nach Atem ringend hervor. Während er sich die Tränen von den Wangen wischte und die letzten Attacken des Hustens mühsam niederkämpfte, betrachtete er angewidert seinen Tischgenossen. »Hast dich kaum verändert in all den Jahren. Und nun bist du also gekommen, um mir ein Geschäft anzutragen. Da darf man ja gespannt sein.«
»Ich