Der Defizit-Mythos. Stephanie Kelton

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Der Defizit-Mythos - Stephanie Kelton

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deckten sich alle Modelle, die sie mich gelehrt hatten, mit Thatchers Diktum, dass Regierungen zuerst Steuern erheben oder Darlehen aufnehmen müssen, bevor sie Ausgaben tätigen können.9 Konnte es wirklich sein, dass fast alle unrecht hatten? Ich musste es herausfinden.

      1998 besuchte ich Mosler in seinem Haus in West Palm Beach in Florida, wo ich stundenlang seinen Ausführungen zuhörte. Als erstes bezeichnete er den US-Dollar als „ein simples öffentliches Monopol“. Da die US-Regierung die einzige Quelle für Dollars ist, war es Unfug, zu glauben, dass Uncle Sam von uns anderen Dollars bekommen musste. Selbstverständlich konnte der Emittent des Dollar so viele Dollars haben, wie er nur wollte. „Die Regierung will keine Dollars“, erklärte Mosler. „Sie will etwas Anderes.“

      „Was will sie denn?“, fragte ich.

      „Sie will sich versorgen”, antwortete er. „Die Steuern sind nicht dazu da, um Geld zu beschaffen. Sie sind dazu da, damit die Menschen arbeiten und Dinge für die Regierung herstellen.“

      „Was für Dinge?“, fragte ich.

      „Ein Militär, ein Gerichtssystem, öffentliche Parks, Krankenhäuser, Straßen, Brücken. Solche Dinge eben.“

      Damit die Bevölkerung all diese Arbeit leistet, erlegt ihr die Regierung Steuern, Gebühren, Strafzahlungen oder andere Verbindlichkeiten auf. Die Steuern sind dazu da, um eine Nachfrage nach der Währung der Regierung zu schaffen. Bevor Steuern bezahlt werden können, muss Arbeit verrichtet werden, um die Währung zu verdienen.

      Mein Kopf drehte sich. Dann erzählte er mir eine Geschichte.

      Mosler besaß ein wunderschönes Haus am Strand mit Swimmingpool und allem erdenklichen Luxus. Er hatte auch eine Familie, zu der zwei Kinder gehörten. Zur Veranschaulichung seines Arguments erzählte er mir, dass er sich einmal mit seinen zwei Kindern hingesetzt und ihnen erklärt habe, dass sie ihren Teil dazu beitragen mussten, um das Haus sauber und wohnlich zu halten. Er wollte, dass der Rasen gemäht, die Betten gemacht, das Geschirr gewaschen und die Autos geputzt wurden, und so weiter. Um sie für ihre Zeit zu entlohnen, bot er ihnen an, sie für ihre Arbeit zu bezahlen. Drei seiner Visitenkarten, wenn sie ihre Betten machten. Fünf fürs Geschirrwaschen. Zehn für ein geputztes Auto und fünfundzwanzig für Gartenarbeit. Aus Tagen wurden Wochen, und das Haus wurde zusehends unbewohnbar. Das Gras wuchs kniehoch. In der Spüle stapelten sich die Teller, und die Autos waren von der Meeresbrise mit Sand und Salz bedeckt. „Warum arbeitet ihr nicht?“, fragte Mosler die Kinder. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich euch mit meinen Visitenkarten bezahle, wenn ihr im Haushalt helft.“ „Pa-paaa“, kam von den Kindern zurück. „Warum sollen wir denn für deine Visitenkarten arbeiten? Die sind doch nichts wert!“

      Da hatte Mosler seine Erleuchtung. Die Kinder hatten keine Hausarbeit getan, weil sie seine Karten nicht brauchten. Also sagte er den Kindern, sie bräuchten überhaupt nichts zu tun. Er wollte lediglich, dass sie ihm jeden Monat dreißig seiner Visitenkarten zahlten. Wenn sie nicht zahlten, hätte das den Verlust von Privilegien zur Folge. Kein Fernsehen mehr, kein Bad im Swimmingpool oder Fahrten zum Einkaufszentrum. Es war ein Geniestreich. Mosler hatte eine „Steuer“ eingeführt, die nur mit seinem monogrammierten Papier bezahlt werden konnte. Jetzt waren die Karten etwas wert.

      Innerhalb von Stunden wuselten die Kinder umher und brachten ihre Zimmer, die Küche und den Garten in Ordnung. Was zuvor eine wertlose rechteckige Visitenkarte gewesen war, wurde nun zum wertvollen Zahlungsmittel. Doch warum? Wie brachte Mosler die Kinder dazu, all diese Arbeiten zu verrichten, ohne sie dazu zu zwingen? Ganz einfach. Er brachte sie in eine Lage, in der sie seine „Währung“ verdienen mussten, um keinen Ärger zu bekommen. Jedes Mal, wenn die Kinder eine Aufgabe erledigten, erhielten sie dafür eine Quittung (eine Anzahl Visitenkarten) von ihrem Vater. Am Ende des Monats gaben die Kinder die Visitenkarten an ihren Vater zurück. Wie Mosler erklärte, brauchte er seine eigenen Visitenkarten eigentlich nicht wieder von seinen Kindern einzusammeln. „Was sollte ich denn mit meinen eigenen Karten?“, fragte er. Er hatte bereits bekommen, was er wollte – ein aufgeräumtes Haus! Warum machte er sich also die Mühe, die Karten von den Kindern zurückzunehmen? Warum überließ er sie ihnen nicht als Andenken? Der Grund dafür war einfach: Mosler sammelte die Karten ein, damit die Kinder sie im nächsten Monat wieder verdienen mussten. Er hatte ein wirksames Versorgungssystem geschaffen! Wobei wirksam in diesem Fall bedeutet, dass es sich stets aufs Neue wiederholt.

      Mithilfe dieser Geschichte erläuterte Mosler einige Grundprinzipien der Art und Weise, wie sich Währungsemittenten tatsächlich selbst finanzieren. Steuern sind dazu da, eine Nachfrage nach der Währung der Regierung zu schaffen. Die Regierung kann die Währung als ihre ganz eigene Rechnungseinheit definieren – ein Dollar, ein Yen, ein Pfund, ein Peso – und dann ihrem ansonsten wertlosen Papier Wert verleihen, indem sie es zur Zahlung von Steuern und anderen Verbindlichkeiten verpflichtend macht. Wie Mosler scherzhaft anmerkt, „Steuern machen Müll zu Währung.“ Letzten Endes will eine währungsemittierende Regierung etwas Reales, nicht etwas Monetäres haben. Die Regierung will nicht unsere Steuergelder. Sie will unsere Zeit. Damit wir für den Staat etwas produzieren, lässt sich die Regierung Steuern oder andere Arten von Pflichtzahlungen einfallen. Das ist nicht die Erklärung, die man in den meisten Lehrbüchern zur Ökonomie findet, in denen lieber eine oberflächliche Geschichte erzählt wird, wonach Geld als Lösung für die Unannehmlichkeiten des Tauschhandels – den geldlosen Austausch von Waren – erfunden wurde. In dieser Geschichte ist Geld einfach ein zweckmäßiges Mittel, das auf natürliche Weise entstand, um den Handel effizienter zu gestalten. Zwar wird Studenten vermittelt, dass Tauschhandel früher sozusagen als natürlicher Zustand allgegenwärtig war, doch für die Gelehrten der Antike gab es wahrscheinlich kaum Belege dafür, dass sich Gesellschaften jemals um den Tauschhandel herum organisiert hätten.10

      Die MMT lehnt die ahistorische Geschichte vom Tauschhandel ab und setzt stattdessen am Charta-lismus an, einem umfangreichen wissenschaftlichen Ansatz, der beweist, dass Steuern den Herrschern der Antike und frühen Nationalstaaten dazu dienten, um ihre eigenen Währungen einzuführen, welche dann erst später als Tauschmittel unter Privatpersonen in Umlauf kamen. Von Anfang an schafft die Steuerverbindlichkeit Menschen, die nach bezahlter Arbeit in der Währung der Regierung suchen (also Arbeitslosigkeit). Die Regierung (oder eine andere Autorität) bringt die Währung dann durch Ausgaben in Umlauf und ermöglicht den Menschen den Zugriff auf das Zahlungsmittel, das sie zur Bezahlung ihrer Verbindlichkeiten beim Staat benötigen. Natürlich können die Steuern erst bezahlt werden, wenn die Regierung ihr Zahlungsmittel bereitstellt. Als einfaches logisches Argument erklärte Mosler, dass die meisten von uns die Reihenfolge falsch verstanden. Nicht die Steuerzahler finanzieren die Regierung, sondern die Regierung finanziert die Steuerzahler.11

      Allmählich verstand ich es, zumindest theoretisch. Ich begann, die Regierung als Währungsmonopolisten zu betrachten. Moslers Argument brachte Kindheitserinnerungen zurück, als ich mit meiner Familie Monopoly spielte. Beim Nachdenken über die Spielregeln wurden mir die Parallelen noch klarer. Zunächst einmal kann erst gespielt werden, wenn es einen Bankhalter gibt. Die Spieler entrichten keinen Einsatz, um das Spiel zu beginnen. Das können sie nicht, weil sie es noch nicht haben. Die Währung muss zuerst emittiert werden, bevor sie erhältlich wird. Nach Auszahlung des Startgelds bewegen sich die Spieler um das Spielbrett und kaufen Immobilien, zahlen Miete, landen im Gefängnis oder ziehen eine Karte, die sie anweist, 50 Dollar an das Finanzamt zu zahlen. Jedes Mal, wenn ein Spieler erneut über „Los“ geht, bekommt er von der Person, die die Währung verwaltet, 200 Dollar ausgezahlt. Da die Spieler lediglich Nutzer der Währung sind, können sie pleite gehen, was sie auch tun. Dem Emittenten jedoch kann das Geld nie ausgehen. Tatsächlich besagen die offiziellen Spielregeln12 wortwörtlich, „Die Bank geht niemals ‚bankrott‘. Der Bankhalter kann zusätzliches Geld herstellen, indem er die Werte auf kleine Zettel schreibt“ (meine Hervorhebung).

      Ich dachte über diese Idee nach, auf Papier zu schreiben,

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