Der Defizit-Mythos. Stephanie Kelton

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Der Defizit-Mythos - Stephanie Kelton

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Sie noch nicht dort waren, kann ich es Ihnen nur wärmstens empfehlen. Es ist äußerst aufschlussreich. Für einen Besuch kann man sich auf der Website der Regierung anmelden: www.moneyfactory.gov. Dort geht es viel technischer zu als beim Monopoly, bei dem man Geld herstellt, indem man „auf kleine Zettel schreibt“, doch ist es im Grunde dasselbe. Es ist einer der Orte, an denen unser Währungsemittent die Währung herstellt.13 Eines der ersten Dinge, die mir auffielen, war ein riesiges Neon-schild hoch über den Gravieranlagen. Darauf stand: „Wir machen Geld nach alter Manier. Wir drucken es.“ Alle wollten ein Bild davon machen, doch fotografieren ist während des Besuchs nicht gestattet. Staunend sah die Menge zu, wie die Maschinen ungeschnittene Bogen von 10-Dollar-, 20-Dollar- und 50-Dollar-Scheinen ausspuckten. Dann sprach jemand aus, was wir alle dachten. „Ich wünschte, das könnte ich auch!“ Leider müssen wir die Herstellung jedoch dem US Bureau of Engraving and Printing überlassen, wenn wir nicht in einem orangen Overall enden wollen.

      Diese Scheine machen einen Teil des Währungsvorrats der Vereinigten Staaten aus. Wie die alten, mit Pennys, 5- und 10-Cent-Stücken gefüllten Einmachgläser auf dem Regal Ihrer Großmutter bescheinigen, emittiert die Regierung auch US-Währung in Form von Münzen. Genauso, wie sich die Federal Reserve als die „ausstellende Behörde für alle Geldscheine der Federal Reserve“ bezeichnet, so bezeichnet sich die Prägeanstalt als den „einzigen Hersteller von Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel der Vereinigten Staaten“. Schließlich emittiert die Federal Reserve auch digitale Dollars, als Bankreserven bekannt.14 Diese kommen ausschließlich durch Tastenanschläge auf einem Computer zustande, der vom Fiskalagenten der Regierung, der Federal Reserve, gesteuert wird. Als die Banken der Wall Street Billionen von Dollars brauchten, um die Finanzkrise von 2008 zu überstehen, zauberte die Fed sie mühelos aus dem Nichts herbei, indem sie einfach eine Tastatur bei der Federal Reserve Bank in New York bediente.

      Dem Normalbürger mag es so vorkommen, als benutze die Regierung tatsächlich die Geldscheine, die aus der Druckmaschine schießen, oder die Münzen, die aus der Prägemaschine purzeln, um ihre Rechnungen zu begleichen. Nachrichtenkanäle zeigen jedenfalls liebend gern, wie Geld in Massen produziert wird. Oft begleiten sie eine Reportage zu Staatsausgaben mit einem Video, in dem frisch gedruckte Geldscheine von der Druckerpresse ausgespuckt werden. Doch die Geldscheine und Münzen der Federal Reserve dienen hauptsächlich unserer Bequemlichkeit. Müsste die Bundesregierung die Firma Boeing für eine Flotte neuer Kampfjets mit einer riesigen Menge an materiellem Geld bezahlen, dann wäre das viel zu umständlich. So funktioniert es einfach nicht.

      Anstatt wie beim Monopoly das Geld mit vollen Händen auszuzahlen, leistet die Bundesregierung die meisten ihrer Zahlungen so, wie ein Punkteverwalter beim Bridge Punkte vergibt. Mit der Ausnahme, dass keine Punkte auf einer Punktekarte vermerkt werden, sondern die Zahlungen einfach von jemandem bei der Federal Reserve in eine Tastatur eingetippt werden. Lassen Sie mich das erklären.

      Nehmen wir zum Beispiel Militärausgaben. 2019 verabschiedeten das Repräsentantenhaus und der Senat ein Gesetz zur Aufstockung des Militärhaushalts und genehmigten 716 Mrd. US-Dollar, beinahe 80 Mrd. mehr, als der Kongress im Steuerjahr 2018 bewilligt hatte.15 Wie die Ausgaben finanziert werden sollten, stand überhaupt nicht zur Debatte. Niemand fragte, Woher sollen wir die zusätzlichen 80 Mrd. Dollar nehmen? Weder erhöhten die Gesetzgeber die Steuern, noch nahmen sie bei Sparern Darlehen über weitere 80 Mrd. Dollar auf, damit die Regierung die zusätzlichen Zahlungen leisten konnte. Stattdessen verpflichtete sich der Kongress dazu, Geld auszugeben, das er nicht besaß. Dank seiner besonderen Macht über den US-Dollar kann er das. Wenn der Kongress die Ausgaben bewilligt, erhalten mittelbewirtschaftende Stellen wie das Verteidigungsministerium die Genehmigung, Verträge mit Unternehmen wie Boeing, Lockheed Martin und anderen abzuschließen. Um sich mit F-35-Kampfjets zu versorgen, weist das US-Finanzamt seine Bank, die Federal Reserve, an, die Zahlung für sie zu leisten. Die Fed tut dies, indem sie die Zahlen auf Lockheeds Bankkonto erhöht. Der Kongress muss kein „Geld auftreiben“, um es ausgeben zu können. Er muss Stimmen auftreiben! Sobald er die nötigen Stimmen hat, kann er die Ausgaben bewilligen. Der Rest ist lediglich Buchhaltung. Wenn die Schecks abgeschickt werden, verrechnet die Federal Reserve die Zahlungen, indem sie dem Bankkonto des Verkäufers den entsprechenden Betrag an digitalen Dollars, Bankreserven genannt, gutschreibt.16 Das ist der Grund, warum die MMT die Fed manchmal als den Punkteverwalter des Dollar bezeichnet. Dem Punkteverwalter können nie die Punkte ausgehen.

      Überlegen Sie einmal, woher die Punkte kommen, wenn Sie Karten spielen oder zu einem Basketball-Spiel gehen. Sie kommen nirgendwo her! Sie werden einfach von der Person ins Leben gerufen, die sie aufschreibt. Wenn einem Basketballspieler ein Wurf von der Drei-Punkte-Linie aus glückt, werden der Mannschaft drei Punkte gutgeschrieben. Greift der Anschreiber in einen Eimer und holt die drei Punkte dort heraus? Natürlich nicht! Tatsächlich hat der Anschreiber gar keine Punkte. Um den Dreipunkte-Wurf zu verzeichnen, erhöht der Anschreiber lediglich die Zahl, die dann auf der Anzeigetafel aufleuchtet. Nehmen wir jetzt einmal an, dass das Spiel überprüft wird und der Schiedsrichter entscheidet, dass die Wurfuhr abgelaufen war. Die Punkte werden abgezogen. Beachten Sie jedoch, dass das Stadion gar nichts zurücknimmt. Es werden einfach Punkte addiert und subtrahiert, so wie die Bundesregierung der Wirtschaft Dollars hinzufügt oder entzieht, wenn sie Ausgaben tätigt und Steuern einnimmt. Uncle Sam verliert keine Dollars, wenn er welche ausgibt, und er bekommt keine Dollars, wenn er Steuern erhebt. Deshalb widersprach der ehemalige Vorsitzende der Fed, Ben Bernanke, der Behauptung, dass die Dollars der Steuerzahler für die Rettung der Banken nach der Finanzkrise verwendet würden. „Die Banken haben Konten bei der Fed,“ erklärte er. „Wir benutzen nur den Computer, um die Kontostände zu erhöhen.“ Nicht die Steuerzahler retteten die Wall Street. Es war der Anschreiber.

      Bernankes Bemerkung erinnert vielleicht einige von Ihnen an die beliebte Fernsehsendung Whose Line Is It Anyway? Der Moderator, Drew Carey, eröffnete jede Folge mit dem Spruch, „Eine Sendung, in der alles frei erfunden ist und die Punkte keine Rolle spielen.“ Es war Improvisationscomedy, so dass wirklich alles frei erfunden war. Im Verlauf der Show verlieh Carey imaginäre Punkte, je nachdem, wie lustig er und das Publikum die anderen Komiker fanden. Mit den Punkten konnte niemand etwas anfangen, so dass sie wirklich keine Rolle spielten. Die Punkte der Regierung jedoch spielen durchaus eine Rolle.

      Zunächst einmal brauchen Sie und ich Dollars, um unsere Steuern zu bezahlen. Und weil Steuern (und der Tod) zum Leben einfach dazugehören, nimmt die Währung der Regierung eine zentrale Stellung in unserem Wirtschaftsleben ein. Nach Einführung einer durch Steuereinnahmen gedeckten Währung, wie es der US-Dollar ist, wird diese üblicherweise als Standardeinheit benutzt, um alles andere zu bewerten. Betreten Sie ein beliebiges Restaurant oder Einkaufszentrum in den Vereinigten Staaten, und Sie werden mit Sicherheit einen Verkäufer finden, der Dollars verdienen möchte. Betreten Sie ein Gerichtsgebäude, und Sie werden einen Richter vorfinden, der Schadensersatz in US-Dollar gewährt. Loggen Sie sich in Ihren Computer ein, um eine Pizza zu bestellen, und Sie müssen mit Dollars zahlen. Wir brauchen Dollars, und wir können sie nur an einem einzigen Ort bekommen, und zwar vom Währungsemittenten. Die Pizzeria und das Kaufhaus brauchen auch Dollars, denn schließlich müssen sie ebenfalls Steuern zahlen. Selbst Bundesstaaten und Lokalverwaltungen sind auf Dollars angewiesen, weil sie die Lehrer, Richterinnen, Feuerwehrleute und Polizeibeamtinnen bezahlen müssen, die alle in Dollars entlohnt werden wollen. Nur der Anschreiber ist anders. Uncle Sam braucht keine Dollars. Wenn er Steuern von uns erhebt, nimmt er uns lediglich ein paar Dollars weg. In Wirklichkeit bekommt er gar keine Dollars.

      Es ist irritierend, ich weiß. Das ist unser erster Kopernikus-Moment. Es ist der Grund, warum ein Journalist der Financial Times die MMT als Autostereogramm bezeichnet hat.17 Sie wissen schon, eines dieser zweidimensionalen Bilder, die ziemlich unscheinbar aussehen, bis man den Blick auf eine bestimmte Art einstellt, sodass auf einmal das Bild hinter dem Bild sichtbar wird und eine kunstvolle Wüstenlandschaft oder ein Weißer Hai in 3-D erscheinen. Erkennt man erst einmal, dass im Mittelpunkt der Fähigkeit der Regierung, Ausgaben zu tätigen, nicht der Dollar des Steuerzahlers steht, dann

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