SELBST-geführte Psychotherapie. Uta Sonneborn
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Der SELBST-Begriff in der IIFS geht über diese ähnlichen Eigenschaften der beobachtenden Instanz noch hinaus; ihm wohnt die Qualität des Da-Seins inne. Außerdem ist dieses Zentrum SELBST als unsichtbarer, jedoch psychisch und physisch erlebbarer Partner im inneren Austausch und Dialog zu erfahren. Das macht seine Besonderheit und seine einzigartige Wirkung aus. Dazu mehr in Teil 2.
Die innere Achtsamkeit ist nach innen gerichtete, nicht-wertende Aufmerksamkeit und eine Grundlage für Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstfürsorge. Tägliches Innehalten und kurze Übungen sind hilfreich, um das innere Erleben differenziert zu erfahren. Es verschafft gleichermaßen einen stärkeren Kontakt zu sich selbst, wie es auch durch das Einschalten des inneren Beobachters eine Möglichkeit bietet, sich mit einer gewissen Distanz differenzierter zu erleben, ja überhaupt den Kontakt zu dem innewohnenden »Du« (das, was ich wahrnehme als Gegenüber) zu ermöglichen. Durch das Praktizieren von Achtsamkeit erweitert sich das innere Spektrum und die Bewusstheit. Eine Folge davon kann mehr Entspannung, Wohlbefinden, Bewusstheit für innere Vielfalt und Reichtum, Zufriedenheit und Gelassenheit sein. Mit dem Versuch, das Wahrgenommene möglichst ohne Wertung zu betrachten, nämlich als das, was es ist (und falls man doch wertet, registriert der innere Beobachter dies als solches), erweitern sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Menschen Einfühlungsvermögen, Verständnis, Horizont und Toleranz. Und bei aller Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit sollten wir auch die Grenzen dessen, was dem Bewusstsein überhaupt zugänglich sein kann, im Blick behalten.
Wahrnehmung
Alles, was wir als wirklich zu erkennen glauben, entsteht in unserem Gehirn. Dazu gehört nicht nur das Kopfgehirn, sondern auch das Bauchgehirn. In beiden Hirnen fließen unzählige Informationen geistiger, seelischer, materieller und intellektueller Art zusammen, visuelle, taktile, auditive und kinästhetische. Sie weben ein Netz mit oft unvorhersehbaren Verknüpfungen und sind individuell sehr verschieden. Unser Bewusstsein kann Teile dieses Netzes wahrnehmen. Und alles, was der Mensch wahrnimmt und welchen Sinn er dem Wahrgenommen gibt, ist die Wahrnehmung speziell dieses einen Menschen. Die Wahrnehmung ist zunächst subjektiv und selektiv. Sie ist geprägt durch unseren bewussten und unbewussten persönlichen, familiären, gesellschaftlichen, kulturellen und geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund. Unser Weltbild und Menschenbild, unsere Emotionen und Erfahrungen sowie im speziellen therapeutisch-medizinischen Bereich die Einstellung bezüglich Gesundheit und Krankheit färben auf die Wahrnehmung ab. Aber auch unsere Gegenwärtigkeit, die Tagesereignisse, die Lebensumstände, die Laune und die Einstellung färben die Wahrnehmung, sowohl für den Blick zurück in die Vergangenheit als auch für unsere Zukunftsperspektive. Wahrnehmung ist immer auch sinnliche Wahrnehmung, leiblich erfahrbar und leiblich gespeichert. Sie geht mit Gefühlen, Gedanken, Verhalten und einem Ausdruck im Körper einher.
Was es ist
Es ist Unsinn
Sagt die Vernunft.
Es ist was es ist
Sagt die Liebe.
Es ist Unglück
Sagt die Berechnung.
Es ist nichts als Schmerz
Sagt die Angst.
Es ist aussichtslos
Sagt die Einsicht.
Es ist was es ist
Sagt die Liebe.
Es ist lächerlich
Sagt der Stolz.
Es ist leichtsinnig
Sagt die Vorsicht.
Es ist unmöglich
Sagt die Erfahrung.
Es ist was es ist
Sagt die Liebe.
Erich Fried
Wahrnehmung in der Gestaltpsychotherapie
Der Gestalttherapeut Hilarion Petzold beschreibt menschliche Wirklichkeit und somit die Wahrnehmungsmöglichkeiten recht komplex:
»Der mitmenschliche Kontext, das Erleben, Fühlen, Handeln und Agieren sowie die interpersonelle und intrapsychische Dynamik des Menschen wird eher als holistisch, analogisch und räumlich angeordnet betrachtet als als flächig, punktuell oder linear.«1
Sie geht von einer leibbegründeten Hologramm-Theorie des Gedächtnisses aus. Als Gedächtnisspeicher dient neben dem Gehirn der Leib. Den Leib nehmen wir im Gegensatz zum Körper (der rein biologisch gesehen und von außen wahrgenommen wird) vom Spüren her wahr. Im Leib ist die gesamte Biografie verinnerlicht. Wir sprechen von »verleiblichten Szenarien«, von einem szenarischen Leib-Gedächtnis.
Hier werden alle Szenen, Ereignisse, Atmosphären, mitsamt seinen Gefühlen, Körpergefühlen, Gedanken, die ihm im Laufe seines Lebens begegnet sind, wahrgenommen, in einen Sinnzusammenhang gestellt und gespeichert. »Über dieses Leibgedächtnis sind die Ereignisse usw. ein Teil dieses Menschen geworden.« (Hausmann/Neddermeyer) Das Leibgedächtnis ist dem Bewusstsein des Menschen mehr oder weniger zugänglich. »Eine Einzeladresse« einer im Leibarchiv abgespeicherten Szene (zum Beispiel eine Berührung, ein Geruch, eine bestimmte Bewegung, eine Tonart), evoziert die ganze Fülle historischer Daten mit ihren emotionalen, kognitiven, interaktionellen und archetypischen Eindrücken« (Peter Osten), zu vergleichen mit dem Begriff »Trigger« aus der Psycho-Traumatherapie.
Treffen nun zwei Menschen aufeinander, so findet, ob gewollt oder nicht, ein Kontakt zweier Leiblichkeiten statt; die jeweiligen Wirklichkeiten und Atmosphären werden unbewusst miteinander verwoben, auch wenn er den Personen nicht immer bewusst zugänglich ist. Der Behandler muss sich also selbst in den interpersonellen Kontext mit einbeziehen, wenn er annähernd zu einer adäquaten Sichtweise einer »Gemeinsamen Wirklichkeit« mit seinem Patienten gelangen will. (Peter Osten) Nach dem Gestaltmodell ist jeder Mensch auch das, was er verkörpert. Gleichermaßen hat er die Fähigkeit zu externalisieren. In der Gestalttherapie wird davon ausgegangen, dass aufgrund von früheren Verletzungen, Traumatisierungen und dramatischen Lebensumständen die »Gestalt« eines Menschen verletzt wurde und bestimmte grundlegende menschliche Bedürfnisse in den Hintergrund treten mussten. An der immer wieder aufbrechenden Narbe der »Gestalt« treten diese Bedürfnisse in Form von Figuren aus dem Hintergrund der Persönlichkeit auf die innere Bühne ihres Menschen in den Vordergrund und drängen auf Schließung der Gestalt. Hier sind sie dann der Bearbeitung zugänglich. Diese Figuren sind den Persönlichkeitsanteilen in der IFS sehr ähnlich. Die geschulte Wahrnehmung der körperorientierten Integrativen Gestaltpsychotherapie ist sehr achtsam und fein auf den Körper mit all seinen Empfindungen, Gefühlen, Reaktionen, Haltungen, Bewegungen, Ausdrucksweisen, Mustern und seiner verinnerlichten Geschichte gerichtet. Die integrative Gestalttherapie findet Zugang zu den Erinnerungen, die im Körper wie »Leibliche Szenarien« gespeichert und manches Mal verbal noch nicht zugänglich sind. Mithilfe bestimmter Techniken, am bekanntesten zum Beispiel die Stuhl-Technik, ist es möglich, bestimmte Figuren, Gefühle, Szenen, Körperteile, Symptome etc. zu externalisieren