SELBST-geführte Psychotherapie. Uta Sonneborn
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Was empfinde ich für sie?
Wie erlebe ich sie?
Was tut mein Körper gerade in Bezug auf sie?
Was für Fantasien habe ich über sie?
Was tue ich gerade in Bezug auf sie?
Was signalisiere ich gerade in Bezug auf sie?
Was projiziere ich auf sie?
Und wieder zurück mit dem Fokus zu mir selbst, in dem Wissen, dass alles, was ich wahrgenommen habe, vor dem Hintergrund meines Lebens situativ, subjektiv und selektiv bleibt, aber mir nun bewusster ist, weniger verstrickt mit mir. Diese klaren Grenzen tun gut.
Hildegund Heinl benannte diese Bewegung auf den Beziehungsebenen vom Ich von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück ins Hier und Jetzt zum Du und wieder zu sich selbst als ein »Hoch und Runterklettern der Sprossenleiter des Lebens und der Gefühle«.
Es braucht Übung – und ehrlicherweise ganz schön viel Übung, aber es lohnt sich ungemein, schnell den Fokus wechseln zu können zwischen Ich und Du und wieder Ich, bis das irgendwann parallel läuft – bei sich zu sein und gleichzeitig beim anderen, ohne uns zu vermischen. Auf diese Weise, gleichzeitig abgegrenzt und nahe, spüren wir uns und den anderen intensiv. Wir werden uns und auch unserem Gegenüber gerechter, haben die Möglichkeit, mehr Verantwortung für uns selbst zu übernehmen, und dem Anderen seine Verantwortung auch zu belassen und sie ihm nicht wegzunehmen. Diese Art von Kontakt und Begegnung ist authentisch, jedes Mal neu und spannend, und berücksichtigt viele Ebenen. Ein tiefes Kennenlernen meiner selbst und meines Gegenübers ist auf diese Weise möglich. Wir hören auf, für andere zu denken, zu fühlen und zu handeln. Unser Gegenüber behält seine Hoheit und seine Würde. Wenn wir mit ihm denken, fühlen, handeln, wenn es dies möchte, kann eine ganz andere Beziehung entstehen, als wenn wir das für es tun. Besonders in therapeutischen Berufen sollte diese Art von Selbstverantwortlichkeit ausführlich geübt werden, da wir uns sonst die Arbeit unnötig schwerer und anstrengender machen. Indem wir scheinbar gut gemeint Verantwortung für jemanden übernehmen, können wir ihm auch etwas Wichtiges wegnehmen. Und übrigens auch im privaten Alltag lebt es sich mit diesen guten Grenzen von Ich und Du vortrefflich.
Wenn wir uns auf dieser Grundlage dann noch gewahr werden, dass jedes System von Ich und Du aus jeweils einem SELBST und einer Fülle von Persönlichkeitsanteilen bestehen, kann es nur noch spannender werden!
Metaebene
Die introspektive Wahrnehmung übt innere Achtsamkeit. Sie ist in der Lage, die Ebenen zu wechseln. Sie ist Voraussetzung zur Selbstreflexion, den eigenen Resonanzboden zu erkennen, das innere Instrumentarium zu nutzen und Verantwortung für sich und sein Innenleben zu übernehmen. Aus dem Blickwinkel der Metaebene, einer anderen, neuen, weiteren oder engeren Perspektive, verändern sich die Wahrnehmungen, die Beobachtungen und Sichtweisen, aber auch die Gefühle, Empfindungen, Gedanken, Einstellungen und Verhaltensweisen. Mit der Art dieser Wahrnehmung eröffnet sich ein weites Feld im Kontakt zum eigenen Innenleben, zu anderen und im Kontakt miteinander. Es ist der Unterschied einer subjekt- oder einer objektbezogenen Sichtweise, zwischen assoziativer und dissoziativer Betrachtung, ob ich in mir kreise oder mich mit etwas Abstand wahrnehmen kann. Sich selbst unter verschiedenen Blickwinkeln wahrnehmen zu können, schafft die Voraussetzung, sich in unterschiedliche Seins-Zustände bei sich selbst und bei anderen hineinzuversetzen. Es ist eine Voraussetzung für Empathie mit sich selbst (Selbstmitgefühl) und für andere, und damit auch eine Bedingung für emotionale und psychosoziale Kompetenz.
Ich möchte das folgende Beispiel als Metapher verstanden wissen. Es macht einen Unterschied, ob ich als Schauspieler*in in einer bestimmten Rolle auf der Bühne stehe oder ob ich als Regisseur*in im Zuschauerraum sitze, ob ich mich und die anderen Schauspieler*innen in ihren Rollen beobachten kann, jeden einzelnen, aber auch das gesamte Stück mit seiner Atmosphäre, die es ausstrahlt. Stehe ich in einer bestimmten Rolle auf der Bühne, bin ich mit mir beschäftigt. Ich nehme mich wahr und bin auf meinen Auftritt konzentriert. Als geübter und zentrierter Schauspieler bin ich ganz bei mir und kann gleichzeitig die anderen und auch das Stück wahrnehmen. Ich weiß, dass ich keinen Dauer-Soloauftritt habe und dass der Erfolg des Stückes genauso von jedem Einzelnen wie von unserem guten Zusammenwirken abhängt. Auch ist entscheidend, dass der Regisseur einen guten Draht zu seinen Schauspielern hat und umgekehrt. Wenn ich nun davon ausgehe, dass jeder Mensch alles gleichzeitig ist, also sein eigenes Theater, sein eigener Regisseur, alle seine Schauspieler, in vielen Rollen und mehreren Stücken zu unterschiedlichen Zeiten, seine eigene Bühne und sein Zuschauerraum, in einer bestimmten Atmosphäre und dies in einem bestimmten Zeitgeist, einer gewissen Epoche, dann werden die Wahrnehmungen und Beobachtungen von den unterschiedlichen Standpunkten voraussichtlich sehr vielfältig ausfallen. Mit dem Standpunkt der Metaebene kann sich die Sichtweise beträchtlich verändern. Hat ein Mensch das einmal erlebt, wird es ihm in Zukunft schwerfallen, eindimensional im Leben unterwegs zu sein. Es kann hilfreich sein, sich in jedwede Position hineinversetzen zu können, um wenigstens für einen Moment die Facetten der Rolle des Anderen zu erleben, wie es sich anfühlen könnte, an seinem Platz zu sein. Um schnell wieder zu bemerken, ich bin nicht du, auch wenn ich dich jetzt ein bisschen besser zu begreifen glaube, – und zu dem eigenen Ausgangspunkt zurückzukommen. Aktive Empathie ist definiert als kurzes sich in eine andere Person Hineinversetzen, so als ob man diese Person wäre, und sich schnell wieder aus ihr herauszuversetzen. Dann können wir den Anderen vielleicht ein bisschen besser verstehen, aber uns auch seiner Einzigartigkeit bewusst werden. Spiegelneuronen katapultieren uns nicht selten in die Gefühlswelten eines anderen hinein, ohne dass wir das steuern können. Diese Art des Hineinversetzens geschieht dann eher unbewusst mit uns. Umso wichtiger ist es, gerade in therapeutischen Berufen und auch in Beziehungen, sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Sind es meine? Sind es deine? Jedes Individuum hat seine eigene Innenwelt. Wir können Respekt voreinander haben. Ich bin nicht du und du bist nicht ich.
Die unterschiedlichen Therapiearten bedienen sich beim Erkunden des Innenlebens dieser Metaebene und haben, je nach Therapieverfahren, den Inneren Beobachter, den Inneren Zeugen, den Inneren Regisseur u.v.a.m. eingeführt. Er kann Gedanken, Gefühle, Empfindungen, Verhaltensweisen der unterschiedlichen Teammitglieder registrieren, ohne sie gleich voll ausleben zu müssen. Daher kann er verantwortlich für sein eigenes Theater handeln. Mit anderen Theatern kann er im Wissen um deren ähnliches oder anderes Innenleben achtsam und respektvoll in Kontakt treten, ohne seine Zentriertheit zu verlassen. Diese ist nämlich eine Garantin für den guten Kontakt mit anderen Theatern und ihren Teams – also von Ich zum Du.
Die assoziative und dissoziative Wahrnehmung
Bei der assoziativen Wahrnehmung spüre ich meine eigenen Gefühle, stecke in meiner Person, in meiner Welt drin, erlebe die Gefühle intensiv, bin diese Gefühle und Erlebnisse. In der dissoziativen Wahrnehmung trete ich etwas aus mir heraus auf eine Metaebene und kann mein Innenleben von außen wahrnehmen. In dieser Position kann ich Gefühle, Körperempfindungen, Geschehnisse, Gedanken und Erinnerungen und eben auch Persönlichkeitsanteile mit Abstand registrieren, vielleicht in etwas abgeschwächter Form, und sehe auf meinen inneren Kosmos oder auf die Außenwelt durch das Auge eines Beobachters. Automatisch schwanken alle Menschen unbewusst zwischen der assoziativen und der dissoziativen Wahrnehmung bei der Bewältigung schmerzhafter Gefühle und Traumata. Einige Formen und Techniken der Traumatherapie (PITT von Luise Reddemann, EMDR, Beobachter- und Bildschirmtechnik) machen sich dies zu eigen und begreifen das bewusste Pendeln zwischen Assoziation und Dissoziation als Ressource. Auch in der Schmerztherapie wird diese Technik angewandt.
Resonanz
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