Leben nach der DDR. Klaus Behling
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Daran hielten sich die SED-Nachfolger nicht. Deshalb änderte die Koalitionsregierung das Parteiengesetz in drei wichtigen Punkten. Ministerpräsident Lothar de Maizière beauftragte die Kommission mit der Ermittlung und Überprüfung der betroffenen Vermögen. Sie bekam dazu die gleichen Rechte der Beweisaufnahme wie ein Staatsanwalt. Zum Zweiten wurden die Parteien und Massenorganisationen verpflichtet, der Kommission Auskunft über die Entwicklung ihres Vermögens seit 1945 zu erteilen und ihr eine Vermögensübersicht zum 7. Oktober 1989 vorzulegen. Der dritte Punkt bestimmte, dass sie über ihr per 7. Oktober 1989 vorhandenes Vermögen, nun »Altvermögen« genannt, ab 1. Juni 1990 nur noch mit Zustimmung der Kommission verfügen durften. Das neue Gesetz enthielt jedoch keine Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen diese Pflichten und keine Bestimmungen darüber, welche Vermögenswerte die Parteien und Massenorganisationen künftig behalten dürften.
Die Kommission stellte zum 1. Oktober 1989 allein bei der SED ein Geldvermögen von 6,2 Milliarden DDR-Mark fest. Hinzu kam das Vermögen der Parteibetriebe, das erst nach und nach entdeckt wurde. In der Gesamtsumme an Geld, ohne die Firmen, war ein sogenannter »Sonderfonds« von 3,5 Milliarden DDR-Mark und ein »Valutafonds« von 80 Millionen Valutamark enthalten. All das war gut getarnt, denn das Geld lag auf verschiedenen Nummernkonten bei der Deutschen Handelsbank AG. Diese Konten wurden außerhalb der Parteibilanz geführt. Ein Hauptkonto des »Sonderfonds« wies als Kontoinhaber nicht die SED, sondern die Staatsbank der DDR aus. Damit war dieser Teil des Geldes von vornherein als »schwarze Kasse« angelegt.
In den dreiundzwanzig Monaten vom 1. Oktober 1989 bis zum 31. August 1991 – dem Zeitpunkt, zu dem das Altvermögen der SED vom Neuvermögen der PDS offiziell getrennt wurde – verringerte sich das Vermögen von rund 6.200.000.000 DDR-Mark auf nur noch 205.700.000 DDR-Mark. Fast 97 Prozent des Geldes waren also schnell ausgegeben worden, der Löwenanteil vor der Währungsunion am 1. Juli 1990.
Im Dezember 2006 vermeldete die UKPV, dass sie mehr als 1,6 Milliarden Euro aus dem Vermögen der früheren Parteien und Massenorganisationen der DDR nachträglich eintreiben konnte. Sie wurden für den Aufbau Ost verwendet. Zum Verhalten der PDS zog Christian von Hammerstein für die UKPV das Fazit: »Sie hat gezielt und systematisch versucht, riesige Millionenbeträge vor dem staatlichen Zugriff zu sichern … (und) … musste regelmäßig eher gezwungen werden, als dass sie den gesetzlichen Verpflichtungen von sich aus nachgekommen wäre.«
Die Geste mit dem Besen auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 war wohl nicht so ernst gemeint. Fünfundzwanzig Jahre später blieb die Suche nach dem historischen Stück erfolglos. Bei der heutigen Partei DIE LINKE hieß es, er sei spurlos verschwunden. »Seine Aufgabe hatte sich ja auch erledigt«, meinte Gregor Gysi. Darüber gibt es allerdings bis heute geteilte Meinungen.
War die DM ein Geschenk?
Am 23. Mai 1990 nahmen die im Ausschuss »Deutsche Einheit« tätigen Abgeordneten der Volkskammer als Gäste an der Bundestagsdebatte über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion im Bonner Wasserwerk teil. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) betonte, dass der Westen den Landsleuten im Osten drei wichtige Dinge »gebe«: Die Erfahrungen und Regeln einer erprobten Marktwirtschaft, das internationale Ansehen eines erfolgreichen Industriestaats und eine Währung, die weltweit anerkannt und begehrt ist. Um all das zu erreichen, brauche man ansonsten eine jahrzehntelange Entwicklung.
Das klang nach einem Geschenk. Und manche im Osten schienen es auch so zu empfinden. In dankbarer Demut verkündete CDU-Staatssekretär Günther Krause: »Ich freue mich schon darauf, nach dem 1. Juli mit meinen Kindern jeden Abend eine Büchse Ananas essen zu können. Die wird dann nämlich ganz billig sein.«
Ganz so naiv sah man es im Westen nicht. Im Alleingang hatte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan zur Vereinigung Deutschlands und Europas vorgestellt. Für Ost- wie Westdeutsche kam er ebenso überraschend wie für die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und das gesamte restliche Ausland. Der Weg zur Einheit schien trotzdem noch unklar.
Mitte Januar 1990 schlug Ingrid Matthäus-Maier, die finanzpolitische Sprecherin der SPD, in der Wochenzeitung Die Zeit vor, bis 1991 im Rahmen einer Wirtschafts- und Währungsunion die DDR-Mark durch die DM zu ersetzen. Die meisten Politiker und Ökonomen plädierten stattdessen für eine schrittweise Reform mit einer Übergangszeit zu festen Wechselkursen. Am 23. Januar 1990 meldete die Nachrichtenagentur AP: »Nach Auffassung von Bundesfinanzminister Theo Waigel besteht derzeit keine Möglichkeit für eine Union der Währungen beider deutscher Staaten … Als Bedingungen nannte Waigel ähnliche Wirtschaftsorganisation und -gesetzgebung, ein harmonisiertes Steuerrecht, eine vergleichbare Wettbewerbspolitik sowie eine richtig abgestimmte Geld- und Geldangebotspolitik.«
Doch sowohl im Westen als auch im Osten entstand nach dem Mauerfall am 9. November 1989 eine ungeahnte Dynamik. Allein im Januar 1990 zogen rund 70.000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik um. Dort schuf dieser Zuzug wachsende Integrationsprobleme. Der spätere Bundespräsident Horst Köhler (CDU), damals Leiter der Abteilung »Geld und Kredit« im Bundesfinanzministerium und ab 1. Januar 1990 Staatssekretär, suchte nach einem Ausweg, denn in der DDR forderten die Demonstranten lautstark: »Kommt die DM, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr!« Er bat seinen Ministerialrat Thilo Sarrazin (SPD), einmal aufzuschreiben, wie eine Währungsunion aussehen könnte. Am 29. Januar legte Sarrazin seine vierzehnseitigen »Gedanken zu einer unverzüglichen Einbeziehung der DDR in den D-Mark-Währungsraum« vor. Das Papier wurde dem Bundeskanzler unterbreitet.
Am 1. Februar 1990 schwenkte auch DDR-Ministerpräsident Hans Modrow auf Einheitskurs und verkündete: »Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten rückt auf die Tagesordnung.«
Damit zeigte sich eine bis dahin ungekannte Interessenübereinstimmung von West und Ost. »Deutschland einig Vaterland« schien sowohl die am weichsten mögliche Landung aus der Krise in der DDR als auch der Hebel zum Kontrollieren der Schleusen in die Bundesrepublik zu sein.
Dagegen wurde heftig polemisiert. Die Frankfurter Rundschau schrieb zum Beispiel am 23. Januar 1990: »Es ist zudem unredlich, wie Matthäus-Maier durch das Gerede von einer Währungsunion im anderen deutschen Staat Hoffnungen zu wecken und dann Prämissen zu formulieren, die auf absehbare Zeit nicht erfüllbar sind. Die vage Aussicht auf eine gemeinsame Mark im Jahre 1993 ist im Übrigen nicht geeignet, den Übersiedlerstrom jetzt zu stoppen.«
In den folgenden Tagen waren die Zeitungen voll von Stimmen, die betonten, wie »unrealistisch« und »falsch« eine rasche Währungsunion wäre – bis am 6. Februar 1990 Bundeskanzler Helmut Kohl ankündigte, darüber Verhandlungen führen zu wollen: »Angesichts der Dramatik des Problems halte ich diesen Weg für den jetzt notwendigen.« Wenig später schrieben ihm die »Wirtschaftsweisen«: »Wir halten die rasche Verwirklichung der Währungsunion für das falsche Mittel, um dem Strom von Übersiedlern Einhalt zu gebieten.« Doch der Kanzler hatte sich entschieden.
Immer mehr Demonstranten fordern nach dem Fall der Mauer die Einführung der D-Mark in der DDR, wie dieses Paar auf der Leipziger Montagsdemonstration am 12. Februar 1990. (picture alliance / dpa – Bildarchiv / Wolfgang Weihs)
In der DDR wurden die ersten freien Wahlen vom geplanten 5. Mai auf den 18. März 1990 vorverlegt, und Ministerpräsident Hans Modrow wusste: »Damals deutete sich unmissverständlich an, dass nach den Wahlen eine andere Regierung die Amtsgeschäfte übernehmen und sich ein politisches Zusammengehen mit der BRD beschleunigen würde.«
Trotzdem reiste er mit den aus der DDR-Bürgerbewegung kommenden Ministern seiner Koalitionsregierung am 13. und 14. Februar 1990 nach Bonn. Ein Ziel war es, die Bundesrepublik zur Zahlung eines »Solidarbeitrags von 10 bis 15 Milliarden Mark für die DDR« zu bewegen. Diese Bemühungen liefen nach der Entscheidung für eine schnelle