Leben nach der DDR. Klaus Behling
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Bundeskanzler Helmut Kohl hatte beide Optionen. Sie waren nicht das Verdienst seiner, sondern das Ergebnis der gescheiterten SED-Politik.
Der DDR-Ministerpräsident Hans Modrow und die DDR-Wirtschaftsministerin Christa Luft am 13. Februar 1990 am runden Tisch im Bonner Kanzleramt. Vertreter beider deutscher Staaten sowie der vier Siegermächte sind zu einer Konferenz über den deutschen Einigungsprozess zusammengetroffen. (picture alliance / dpa – Bildarchiv / Roland Holschneider)
Bereits am 20. Februar 1990 startete die erste Verhandlungsrunde über eine deutsch-deutsche Währungsunion und Wirtschaftsgemeinschaft. Walter Romberg (SPD), als Minister ohne Geschäftsbereich in der Modrow-Regierung und dann ab 12. April 1990 Finanzminister der letzten DDR-Regierung, mahnte unmittelbar nach dem Beginn der Gespräche, dass die Währungsunion die »Möglichkeit einer Übergangsphase« bieten solle, in der auf beiden Seiten »die erforderlichen Anpassungsschritte für einen geordneten Vereinigungsprozess erfolgen«. Am 1. März zitierte ihn die DDR-Nachrichtenagentur Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN): »Auf unserer Seite ist die Bereitschaft dazu augenblicklich größer als die Fähigkeit. Auf der Seite der Bundesrepublik geht man nach meinem Eindruck sehr viel selbstverständlicher davon aus, dass das dortige System die Basis ist, auf der man sich bewegen muss. Deshalb ist die Neigung, sich in unser System hineinzudenken, weniger ausgeprägt.«
Das änderte sich offenbar, denn der Verhandlungsführer West, Hans Tietmeyer, damals Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, erinnerte sich an neue Gedanken nach Beginn der Verhandlungen: »Das begann schon damit, dass auf Wunsch der DDR-Seite neben den Begriffen Währungs- und Wirtschaftsunion auch der Begriff Sozialunion in den Vertragstitel aufgenommen wurde.« Sein Verhandlungspartner Ost war nach der Wahl vom 18. März Günther Krause, Parlamentarischer Staatssekretär beim Ministerpräsidenten. Beide standen unter dem Erfolgsdruck, einen Ausweg aus der Krise in der DDR finden zu müssen.
Dort hatte die Aussicht auf das »richtige Geld« nahezu mystische Züge angenommen. Als der Kohlenträger Hans-Joachim Corsalli am 1. Juli 1990 als erster Ostberliner um 0.02 Uhr seine Westscheine in der Hand hielt, erinnerte die Szene an eine religiöse Zeremonie. Das waren nicht mehr nur Geldscheine, sondern schien auch die Garantie für ein besseres Leben für alle zu sein. Diese Hoffnung erfüllte sich für viele nicht: Zwanzig Jahre nach dem historischen Geldempfang resümierte Hans-Joachim Corsalli, inzwischen geschieden und seit 1993 arbeitslos: »Die D-Mark brachte mir nur Pech. Geld macht nicht glücklich. Kein Geld aber auch nicht.« Manchen ging es ähnlich, den meisten besser.
Damals dachte im Osten kaum jemand daran, dass das neue Geld, ebenso wie die durch die Währungsumstellung erheblich aufgewerteten Löhne und Gehälter, finanziert werden musste. Im Westen schon. In Vorbereitung des Vertrags zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion erklärte Bundesfinanzminister Theo Waigel am 22. Mai 1990: »Die DDR wird das frühere, angeblich volkseigene Vermögen in die Finanzierung der Vereinigung, insbesondere in die Neustrukturierung und Sanierung der Wirtschaftsunternehmen investieren.«
Die Einführung der DM war somit kein Geschenk, sondern der Preis für die schnelle Einheit, der von West und Ost gezahlt wurde. Dennoch begünstigte die harte Währung die DDR-Bürger ganz erheblich und machte so den reibungslosen Weg in die Einheit möglich. Die Geschichte hatte entschieden, auch wenn bis heute darüber gestritten wird.
Auf dem Weg zur deutschen Einheit: Bundesfinanzminister Theo Waigel mit einer symbolischen D-Mark-Münze anlässlich der deutschen Währungsunion. Am 1. Juli 1990 ist die westdeutsche D-Mark als offizielles Zahlungsmittel in der DDR eingeführt. (picture alliance /AP Images /Jockel Finck)
Wie erfolgte die Umrechnung von Ost- in Westmark?
Der offizielle Kurs zwischen DDR- und D-Mark betrug stets 1 zu 1. Dass das eine reine Fiktion war, merkten Westberlinbesucher schon vor dem Mauerbau 1961. In den zahlreichen Wechselstuben rund um den Bahnhof Zoo mussten sie – je nach Angebot und Nachfrage – zwischen 4,50 und 6 Ostmark für 1 Westmark zahlen. Dieser von der DDR sogenannte »Schwindelkurs« gehörte zu den Gründen des Mauerbaus.
Als sie am 9. November 1989 fiel, pegelte sich der Tageskurs nach einer Statistik der Deutschen Verkehrs-Kredit-Bank (DVKB) im Laufe des Monats von Spitzen bei 1 zu 16 im Verkauf und 1 zu 13 im Ankauf auf eine Spanne zwischen 13,50 zu 10,50 ein. Trotz dieses ungünstigen Kurses verschwanden zwischen dem 9. und 18. November rund drei Milliarden DDR-Mark, die illegal in DM getauscht wurden.
Dass der offiziell deklarierte Gleichstand der Ost- und Westwährung eine Fiktion war, wusste man auch in der DDR. In ihren letzten Jahren musste sie 4,40 DDR-Mark aufbringen, um 1 DM im Westen zu erlösen. Als Ingrid Matthäus-Maier, die finanzpolitische Sprecherin der SPD, Mitte Januar 1990 erstmals den Gedanken einer Wirtschafts- und Währungsunion der beiden deutschen Staaten äußerte, hielt sie deshalb auch einen möglichen Umtauschkurs im Verhältnis von 5 DDR-Mark zu 1 DM für angemessen. Das schienen die ersten praktischen Erfahrungen zu bestätigen. Am 1. März 1990 berichtete die Berliner Zeitung vom Schwarzhandel Ost- gegen Westmark: »Der Kurs pendelt sich ein. Die Angebote von gestern am Zoo – 1:5, auf dem Alex 1:5. Noch vor Wochen hätte man für eine D-Mark 16 Mark hinblättern müssen.«
Verschmähte Währung – Geldscheine und Münzen der DDR (picture alliance /dpa-Zentralbild /Peter Zimmermann)
Inzwischen ging es jedoch nicht mehr nur um Geld für einen ersten Urlaub oder ein paar Einkäufe, sondern die Umwandlung der gesamten DDR-Währung. Damit stellte sich die Frage nach der künftigen Höhe der Löhne und Gehälter. Klar war, dass mit der Einführung der DM die Subventionen für Miete, öffentlichen Verkehr, Grundnahrungsmittel, Kinderbedarf und vieles andere – damals »zweite Lohntüte« genannt – wegfallen würde. Mit Blick auf die kommende Währungsunion forderten deshalb Tausende Demonstranten: »Nur eins zu eins macht eins!«
Begehrte Währung – Scheine und Münzen der Deutschen Mark (picture alliance / ZB – Fotoreport / Nestor Bachmann)
Gleich zu Beginn der Verhandlungen dazu machte der damalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hans Tietmeyer, seinen ostdeutschen Kollegen deutlich, wie er das sah. Klaus Reichenbach (CDU), Minister im Amt des DDR-Ministerpräsidenten, war dabei: »Tietmeyer hat uns vorgerechnet, die Umtauschsache kann nur 1:10 laufen, ganz klar … Und da haben wir gesagt: ›Herr Tietmeyer, überlegen Sie mal, was eine Rentnerin jetzt hier bei uns bekommt. Wenn wir 1:10 umtauschen wollen, wie wollen wir das überhaupt machen?‹ Also, wir haben in den ersten zwei Sitzungen um die Größenordnung gewürfelt, bis dann der Bundeskanzler Kohl eindeutig gesagt hat: ›Es wird keine wirtschaftliche Entscheidung, diese Wirtschafts- und Währungsunion, es wird eine politische Entscheidung! Unsere Kriegskassen sind voll!‹«
Darauf baute die Bundesregierung bereits, als sie Anfang 1990 mit der Modrow-Regierung einen Fonds für die Bereitstellung von Reisezahlungsmitteln für die DDR-Bürger im Jahr 1990 vereinbarte. Dazu kamen die Verhandlungspartner überein: Jeder Bürger hat pro Jahr Anspruch auf den Erwerb von 200 DM. Dabei werden 100 DDR-Mark zum Kurs 1 zu 1 und weitere 100 DDR-Mark zum Kurs 1 zu 5 in DM getauscht. Das war praktisch ein Probelauf für die künftige Währungsunion, denn unterm Strich ergab sich so ein Wechselkurs von 3 DDR-Mark zu 1 DM.
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