Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов

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Schwarz wird großgeschrieben - Группа авторов

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es Dominikaner*innen eben können. Beginne daran zu arbeiten, mich für spanische Leihwörter ebenso wenig zu entschuldigen wie für englische. Es ist ein un_heimlicher, unwegsamer Weg, doch habe ich Weggenoss*innen, die mir durch Bücher die Hand reichen. Ganz ohne den Zwang, gleich zu klingen.

       DIE WUT, DIE MICH DAS AFRODEUTSCHE HEIMATGEFÜHL KOSTETE

      Vor Wut brodelnd komme ich von oben aus meiner alten Wohnung unten am Umzugs-LKW an, will mir in diesem temporär Schwarzen Space Luft machen, nachdem mir nach meinem Umzug klassistische und rassistische Entmenschlichung an dem Ort passiert sind, der der erste war, den ich je Zuhause genannt habe. Rede, so, wie ich nun mal rede. Augenrollend, Haare zurückwerfend und mit spanischen Schimpfwörtern, die alle nicht besonders nett, aber zugegebenermaßen unterhaltsam sind. Schwarze Wut wird auch kapitalisiert, weil wir es schaffen, in unserer Wut weiterhin kreativ zu bleiben, mit Worten, Ausdrücken und den Details unserer Gefühle. Latinx werden mit spezifischen Stereotypen der Heißblütigkeit degradiert, dabei ist es die Kombination Schwarzer Wut mit spanischer Geschwindigkeit, die es uns ermöglicht, besonders genau wunde Punkte zu treffen, wenn die Unterdrückung es von uns verlangt. Einfacher gesagt: Afrolateinamerikanische Wut ist wie Feuer, gefährlich, wunderschön und nichts für Unbedarfte.

      »Wow – stopp«, sagt der mir fremde Bruder zu mir, ich stocke. »Warum redest du so?«, fragt er.

      »Wie – so?«, frage ich irritiert.

      »So –«, er macht flapsige Gesten mit seinen Händen, die wohl mein Reden mit den Händen nachahmen sollen, erbärmlich.

      »So aggressiv!«, bekräftigt er.

      Ich erkläre ihm ruhig, dass Schwarze Wut viele kulturelle Hintergründe haben könne, dass wir von klein auf lernen, Wut zu zeigen und keine Wut scheint mir in meinem Leben schöner und lebensbejahender als der Zorn meiner dominikanischen Familie aus der Favela, den Wellblechhütten Santo Domingos. Egal, wo wir heute wie leben. Unser Zorn verweigert die Integration, eine dekoloniale Freiheitsbewegung. »Mach das mal nicht«, antwortet er.

      Ich lache nur ungläubig.

      »Schließlich kommen wir nicht alle aus der Favela … dem Ghetto.«

       WIDERSTÄNDIGKEIT AUF EIGENE KOSTEN

      Das Zurückdenken an die Abschätzigkeit des Bruders lässt mich noch heute aus der Welt fallen. Dies war der Haarriss, der sich im Laufe des Jahres zu einer Kluft entwickeln sollte, zwischen mir und der afrodeutschen Berliner Community. Mein Blick veränderte sich, ich sah die Klassendifferenz zwischen meiner Familie und den Familien derer, die den Ton angaben, deutlicher. Fühlte mich schlechter bei der Antwort »Deutsch, ich bin deutsch, Schwarze Deutsche, deutschdeutschdeutsch« auf die Frage Wokommstduher. Sie erschien mir nicht mehr clever und stark, sondern gestreamlined. Ein Anglizismus, wieder, auch ich habe gelernt, mich durch Englisch im Deutschen auszudrücken. Gestreamlined ist die absurde Annahme: »Wenn wir als Schwarze Deutsche™ stets geschlossen und gleich handeln, dann, ja, dann überwinden wir den Rassismus. Wenn wir uns niemals als afrikanisch, karibisch, migrantisch verorten, dann werden sie es lernen.«

      Was mich viel eher beschäftigt: Was macht es mit mir, mich so zu verpacken, zu ent_nennen? Ich werde gesehen, durch Milchglas auf Milchglas, am Telefon die Spanier*in wegen des Nachnamens, äußerlich die Afro-US-Amerikaner*in, da Schwarzsein und Deutschsein nicht passen. Im Schwarzen deutschen Raum privilegiert und ent_nannt zugleich. Hell genug, um herzuhalten für gute Repräsentation, bis ich den Mund aufmache und dann zu laut, zu schnell, zu bildlich rede.

       DIE ANTWORT VERWEIGERN ODER DAS VERWEIGERN VERWEIGERN?

      Ich finde es cool, wenn Schwarze Kids sich im Angesicht rassistischer Herkunftsfragen als deutsch bezeichnen. Aber es ist auch kein Scheitern, sich nicht so zu verorten, das macht weder dich noch mich weniger radikal. Es geht mir eher darum: In welcher Situation ist es wichtiger, dem Gegenüber etwas beizubringen, und wann ist es wichtiger, ganz unabhängig davon du zu sein? Manchmal antworte ich »deutsch«, manchmal »deutsch-dominikanisch«, dann »afrodeutsch«, »Schwarze Deutsche«, und wenn ich einfach bei mir bin: »Schwarze deutsche Karibianer*in mit Doppelpass und ostfriesischer Zieh-Oma, und du, was ist deine Geschichte?«

      Im Jahr des Umzugs schrieb ich Quasi, mein erster vorsichtiger Schritt heraus aus dem afrodeutschen Einheitsbrei hinein in das Bestreben, nicht weiter vereinheitlicht zu werden. In Quasi spreche ich über Afrodominikaner*innen, über Haiti, über eine koloniale Trennlinie, die so viele Schwarze Leben kostete.15

      Ich verstehe, dass es für gebürtige deutsche Schwarze Menschen anstrengend ist, ständig mit Migration oder gar Flucht assoziiert zu werden. Doch es ist anstrengender, Migration tatsächlich zu erleben, warum sollten wir migrierten Schwarzen, die die Komplexität von Identität in sich erleben und tragen, es gemütlicher machen für jene? Warum haben wir Angst davor, unser Schwarzsein nicht als einheitlich, sondern unterschiedlich zu verstehen? Der Bruder, der sich an meinem Schwarzsein, das für Migration, latinidad, ja, eine niedrigere Klasse stand, störte und davon bedroht fühlte, verlangte von mir, zu schweigen, eine einheitliche Masse mit ihm und all den anderen zu bilden. Doch erfüllen wir damit genau das, was der Kolonialismus wollte: verschiedenste Menschen anhand des Konstrukts Race zu Einem zu machen.

      Unterschiedlichkeit im Schwarzsein zu zeigen bedeutet die koloniale Lüge zu entlarven. Unterschiedlichkeiten zu verschweigen hat zur Folge, dass ausschließlich diejenigen innerhalb der Bewegung die Machtpositionen besetzen, die die leichter verdauliche Schwarze deutsche Vision verkörpern.

       WIE ES IST, 500 JAHRE SCHMERZ ZU VERKÖRPERN

      Es geht mir nicht um leere Repräsentation, ich will, dass wir aufhören, nur in Vereinheitlichung Stärke zu finden, und diese koloniale Kontinuität durchbrechen, übereinander lernen. Lernen, den kolonialen Schmerz wahrzunehmen, dessen Konsequenz afrolateinamerikanisches, afroindigenes Leben ist. Ich verstehe, warum mein Schwarzsein in Zweifel gezogen wird, warum meine Sprache negiert und der Name der Indigenen Vorfahren, der Taíno, verschwiegen wird.

      Denn in meinem Gesicht liest du 500 Jahre koloniale Entwicklung, von den ersten Schiffen, dem Mord an Anakaona, über die Versklavung Schwarzer Menschen, den Genozid an den Taínos. Was du dir durch dein Ignorieren des Schmerzes ersparst, sind die Jahrhunderte des Kampfes zwischen Schwarzen Menschen in meiner Heimat, die gnadenlose Ausbeutung und Einflussnahme der USA und Europas bis in die Gegenwart hinein. Doch du verpasst auch so einiges: Resilienz, einen unerschütterlichen Willen zu leben, Musik, Tanz und, ganz unparteiisch, die besten Küchen der Welt. Du übernimmst den Blick des Westens, betrachtest diese Länder entweder als bedauernswert oder exotisiertes Paradies.

      Hör nicht bei Schwarzer deutscher und US-Geschichte auf, sondern nimm die widerständigen Geschwister in anderen Ländern wahr, um von ihren Kämpfen zu lernen, dich zu vernetzen, zu verstehen. Es ist essenziell für Schwarze Befreiungskämpfe.

      Wir können lernen, wenn wir Vereinheitlichung nicht mehr als heiligen Gral forcieren. Ich glaube fest daran: Schwarze Freiheitsbewegungen, afroindigene Bewegungen und andere rassifizierte Bewegungen stehen an einem Wendepunkt. »Unapologetic«16 nannte es die queere Schwarze Freiheitskämpferin Charlene Carruthers. Ich möchte mich unapologetic als latinx negrx verorten, Fragen beantworten, wenn mir danach ist, und sonst nicht. Von meiner Herkunft erzählen, ohne dadurch den Vorwurf erdulden zu müssen, das afrodeutsche Ziel, endlich als deutsch anerkannt zu werden, zu gefährden. Doch was kann uns dann verbinden, um gemeinsam zu kämpfen?

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