Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов

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tears abgetan werden. Ich kenne Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen, die von ähnlichen Problemen berichten, weil sie sehr isoliert von anderen Schwarzen Menschen aufwuchsen. Diese Identitätsprobleme lediglich auf biracial Schwarze Menschen zu projizieren, klammert auch die Realitäten vieler adoptierter Schwarzer Menschen in diesem Land aus. Trotzdem: Das Schwarze Erwachen findet sich vor allem in den Erzählungen Schwarzer Menschen mit einem weißen Elternteil wieder. Wäre es da nicht vielleicht wichtiger, diesen Prozess als Teil einer eigenen Identität zu besprechen und nicht unter dem Deckmantel eines kollektiven Schwarzseins? Denn was ist mit denen unter uns, die sich nicht aussuchen können, ob sie Schwarz sind oder eben nicht? Was ist mit denen, für die Schwarzsein von Anfang an mehr war als ihre gesammelten Rassismuserfahrungen? Wo sind ihre Geschichten? Wenn wir Schwarzsein nur aufs Politische beziehen, kommt der kulturelle Aspekt zu kurz. Viele Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen wachsen innerhalb eines afrodiasporischen Umfelds auf. Das bedeutet, ihr Blick richtet sich vor allem auf Schwarze Menschen. Dort wünschen sie sich Empowerment und Veränderung.

       NIEMAND KANN DIR DEIN SCHWARZSEIN NEHMEN

      Rassismuserfahrungen sind nicht weniger gültig, wenn ein Schwarzer Mensch biracial ist. Die Angst, dass das eigene, sehr reale Trauma nicht mehr zählt, beschäftigt viele Schwarze Menschen mit einem weißen Elternteil. Diese Angst sollte unbegründet sein. Als Schwarze Menschen werden wir in einer weißen Welt immer als anders markiert, egal ob wir einen oder zwei Schwarze Elternteile haben. Wir werden als Eindringlinge betrachtet, als exotisch. Je nachdem, wie sehr wir von einer künstlich geschaffenen weißen Norm abweichen, desto schlimmer trifft uns das volle Ausmaß der Andersmarkierung. Dabei darf nicht vergessen werden, dass wir in Deutschland noch eine absolute Minderheit ausmachen. Unsere Rassismuserfahrungen sind oftmals davon abhängig, wo wir aufwachsen und in welchem Umfeld. Ich habe biracial Schwarze Menschen kennengelernt, deren persönliche Leidensgeschichten mir die Sprache verschlugen und mich tieftraurig machten. Biracial Schwarze Personen, die in den Baseball-Schlägerjahren in Ostdeutschland aufwuchsen und vor Nazis um ihr Leben rennen mussten. Biracial FLINTA*, die isoliert aufwuchsen und den geballten Anti-Schwarzen Rassismus ihrer weißen Umgebung abbekamen. Dark skinned biracial Personen, die schmerzhafte Erfahrungen mit Colorism machten. Gleichzeitig versichern mir manche meiner Freund*innen mit zwei Schwarzen Elternteilen, dass Rassismus keinen prägenden Einfluss auf ihren Charakter hatte. Sie wuchsen mit einer starken Community auf, die ihnen Halt gab in dieser weißen Welt. Das alles zeigt, dass individuelle Erfahrungen nicht nach der Regel funktionieren: Biracial Schwarze Menschen sind immer privilegierter als Schwarze Menschen. Intersektionalität spielt dabei wie so oft die entscheidende Rolle. Auf der individuellen Ebene möchte ich mich aber auch nicht bewegen. Persönliche Leidensgeschichten gegeneinander auszuspielen, liegt mir fern. Das möchte ich betonen. Grausame Begriffe wie Oppression Olympics lehne ich ab. Gleichzeitig lässt sich nicht bestreiten, dass die weltweite Abwertung Schwarzer Menschen einer Hierarchie folgt. Deshalb trifft mich Anti-Schwarzer Rassismus auf struktureller Ebene nicht in derselben Härte wie Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen. Ich hatte das Glück, dass Familienmitglieder und Freund*innen, die Schwarze Eltern haben, ihre Lebensrealitäten mit mir teilten. Sie sind der Grund, warum ich glaube, meine Privilegien zu kennen. Sie sind der Grund, warum ich jeden Tag dazulerne. Ich danke ihnen für ihr Vertrauen.

       SCHWARZ UND/ODER AFRIKANISCH?

      Privilegien sind ein flexibles Konstrukt. Sie folgen nicht immer einer klaren Logik und können sich je nach Verortung ändern. Deshalb möchte ich über mehr schreiben als nur mein biracial privilege. Dieses Thema eröffnet viele Fragen zu sozialen Klassen, Ethnizität und Nationalität, zum Geschlecht, aber auch zu Rassismus, Colorism und den Folgen des Kolonialismus. In Deutschland und weltweit. White Supremacy greift in Afrika genauso wie hier. Togoles*innen müssen sich heute rumschlagen mit Neo-Kolonialismus, einem korrupten Wirtschaftssystem und einer Familie, die seit über 50 Jahren an ihrer Macht festhält. Eine Zukunftsplanung ist vielen unmöglich, weil die Jobs fehlen. Dafür gibt es einen Grund: koloniale Kontinuitäten. Mein Privileg hier wie dort bildet sich aus den Überbleibseln des Kolonialismus und der von ihm geschaffenen Weltordnung. Oft bleiben wir in antirassistischen Diskursen an den Grenzen Deutschlands hängen. Sollte unser übergeordnetes Ziel nicht sein, die Ausbeutung unserer Geschwister weltweit zu stoppen? Als Afrikaner*innen der Diaspora bewegen wir uns in einem dritten Raum, sind nicht ganz hier und nicht ganz dort. Uns stehen oftmals andere Ressourcen zur Verfügung als unseren Landsleuten vor Ort. Das ist eine Chance. Das bedeutet, dass wir uns hier auseinandersetzen müssen mit Handelsgesetzen, wirtschaftlichen Verträgen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Es bedeutet, dass wir im Kollektiv politischer werden und uns organisieren müssen.

      Es braucht auch mehr Mut, um unangenehme Gespräche innerhalb unserer afrikanischen Communities zu führen, mit unseren Verwandten, egal wie alt sie sind. Wenn du beispielsweise cis und hetero bist, hast du in dieser Welt ein Privileg. Dieses Privileg solltest du nutzen, um dich gegen Diskriminierung zu engagieren, auch wenn sie von der eigenen Familie kommt. Niemand sollte sich in deiner Gegenwart wohlfühlen, wenn er*sie queerfeindliche Kommentare von sich gibt. Irgendwo müssen wir anfangen, die toxischen Traditionen aufzubrechen, die sich in unseren Kulturen festgesetzt haben.

       WHERE DO WE GO FROM HERE?

      Es gibt heute mehr Schwarze Menschen in Deutschland denn je. Wir gehören zu der am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppe. Teilweise stehen wir vor denselben, teilweise jedoch vor ganz anderen Herausforderungen als die Generationen vor uns. Wie wir damit umgehen, entscheiden wir. Wollen wir wirkliche Solidarität oder kämpfen wir, jede*r für sich allein? Ich möchte an eine gemeinsame Zukunft glauben. Dazu gehört es aber, unsere Unterschiede zu akzeptieren. Sie nicht zu verschweigen und ihnen Platz einzuräumen. Die großartige Sharon Dodua Otoo sagte in einer Rede einst: »Ich bin überzeugt, dass unsere Gesellschaft für uns alle humaner wird, wenn wir uns darauf konzentrieren, die Situation für diejenigen unter uns zu verbessern, die am meisten leiden.«8

      Meine Privilegien anzuerkennen, ist ein erster Schritt. Im Anschluss gilt es, mich zu fragen, wie ich meine persönlichen Ressourcen nutzen kann, um andere Schwarze Menschen zu unterstützen. Umverteilung ist hier das Stichwort, sei es finanziell oder durch ideelle Förderungen. Ich möchte, dass wir weiter eigene Strukturen aufbauen. Privat halte ich mich an die Bitte meiner Cousine Didiane: Nebulöse Erzählungen angeblicher Präferenzen vonseiten Schwarzer Männer würge ich beispielsweise im Keim ab. Weder sehe ich meine Fetischisierung durch sie als Kompliment noch möchte ich Komplizin sein in der Herabwürdigung meiner Schwarzen Schwestern. Sprüche wie »Ein Glück bist du nicht ganz so dunkel geraten« dürfen nicht im Raum stehen bleiben, selbst dann nicht, wenn sie von der eigenen Familie kommen.

      Ich wünsche mir, dass wir größer träumen. Ich möchte, dass wir uns kollektiv wegbewegen vom Reagieren auf weiße Menschen hin zum Agieren für Schwarze Menschen. Was sind unsere Ziele in diesem Land? Wir sollten weiter denken als nur: Ich möchte keinen Rassismus mehr erleben.

      Was wünschst du dir für deine Schwarzen Geschwister? Was wünschst du dir für dich selbst? In welcher Zukunft sollen deine Kinder aufwachsen? Where do we go from here?

      MERET WEBER

       EIN GESPRÄCH MIT KATHARINA OGUNTOYE

      Katharina Oguntoye (geboren 1959 in Zwickau) ist eine Schwarze deutsche Schriftstellerin, Aktivistin und Historikerin. Sie hat zusammen mit May Ayim und Dagmar Schultz das Buch Farbe bekennen herausgegeben und ist als zentrale Figur der afrodeutschen Bewegung und Mitbegründerin der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) sowie von ADEFRA – Schwarze Frauen in Deutschland bekannt. Außerdem gründete sie in Berlin das interkulturelle

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