Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов
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Abschließend ein paar Worte zur Sprache in diesem Buch: Schon der Titel verweist darauf, dass wir Schreibweisen für wichtig halten. So entschieden sich alle Autor*innen für die Schreibweisen, mit denen sie aus ihrer Sicht die Realität am besten abbilden – und beeinflussen – können. Die Vielzahl der Schreibweisen trägt somit auch der Vielzahl der Perspektiven Rechnung. Vielzahl soll hier aber nicht Beliebigkeit bedeuten: Wir sind der Meinung, dass einiges, wie die Sichtbarmachung geschlechtlicher Vielfalt jenseits des binären Systems, so wichtig ist, dass wir uns zum Beispiel klar zur Verwendung des Gendersterns bekennen. Das Glossar und das Literaturverzeichnis am Ende sollen dem Verständnis mancher Begrifflichkeiten dienen. An dieser Stelle auch ein kurzer Hinweis an die Dominanzgesellschaft. Für euch ist dieses Buch ein Weckruf, die Lebensrealitäten Schwarzer FLINTA* zu respektieren und Deutungshoheit abzugeben. Lasst euch darauf ein.
Zuletzt möchte ich mich bei allen Menschen, die an diesem Buch mitgewirkt haben, von ganzem Herzen bedanken. Allen voran bei den 20 inspirierenden und mutigen Autor*innen. Danke für euer Vertrauen in diesen Prozess. Danke, dass ihr euer Schwarzsein in diesem Buch diskutiert und gemeinsam ein Mosaik Schwarzer Perspektiven erschafft. Danke an Sharonda Quainoo, dass deine Illustrationen dieses Buch noch lebendiger machen. Danke an das RosaMag-Team, für all eure Unterstützung.
Dieses Buch ist für uns. Es ist eine Einladung zu überlegen, wer dieses »Wir« eigentlich ist, wie unterschiedlich sich dieses »Wir« in Wirklichkeit zeigt. Eine Einladung, Schwarzsein im Plural zu denken, Uneinigkeiten zuzulassen und gemeinsam noch einen Schritt weiter zu gehen. Nach all diesen Momenten, die zur Entstehung dieses Buches geführt haben, bleibt jetzt wohl nur noch der Moment des Lesens.
Evein Rosa Obulor
Heidelberg, Juli 2021
ALICE HASTERS
WHO’S BLACK?
Wenn ich über die Frage nachdenke, wer Schwarz ist, dann lande ich oft bei dieser Erinnerung (und Achtung, sie dreht sich um einen rassistisch konnotierten Begriff):
Ich lief mit meiner weißen Freundin durch den Kölner Hauptbahnhof. Das muss kurz vor oder nach dem Abitur gewesen sein. 2008, 2009. Menschen feierten zu der Zeit gerne in 80er-Jahre-Glitzerleggins zu 90er-Jahre-Pop der nervigsten und nostalgischsten Sorte. Es war spät und von so einer Party kamen wir gerade.
Wir gingen einen langen, schmalen Flur entlang, ein wenig wie ein Catwalk. Uns liefen zwei Schwarze Mädchen entgegen. Für einige Sekunden bewegten wir uns aufeinander zu, genug Zeit also, um sich gegenseitig zu mustern. Als sie an uns vorbeigingen, sagten beide gleichzeitig: »Noch so ein verlorenes Mischlingskind.«
Meine weiße Freundin machte große Augen. Mir fiel die Kinnlade herunter. Sie wusste diesen Spruch nicht einzuordnen. Ich hingegen wusste genau, was sie meinten.
Sie sahen mich, ein Mädchen mit Afrolocken und brauner Haut, Partyglitzer im Gesicht, neben einer weißen blonden Freundin.
Weshalb sie mit hoher Wahrscheinlichkeit folgende Schlüsse zogen: Ich wäre verloren. Ich hätte meinen Schwarzen Vater niemals kennengelernt. Er hätte meine weiße Mutter verlassen, bevor ich ein Langzeitgedächtnis entwickeln konnte. Meine Mutter wäre überfordert gewesen. Ich wäre aufgewachsen mit dem Gefühl, dass mein Schwarzsein falsch sei – eine Last für meine Mutter, für meine ganze weiße Familie, die meine Hautfarbe wie eine Bürde sah, für die ich nichts konnte. Ich hätte mich geschämt, wenn jemand gefragt hätte, wo ich herkäme, denn ich hätte keine Identität außer der deutschen gehabt. Doch die billigte mir niemand zu. Deshalb hätte ich mir gewünscht, ich wäre weiß, wie mein Umfeld. Ich würde versuchen meinem Schwarzsein so wenig Bedeutung wie möglich zuzumessen. Versuchen, dort Platz zu finden, wo ich nicht gewollt wäre. Ich wäre eine wandelnde Identitätskrise, die weder bei Schwarzen noch bei weißen Menschen richtig Anschluss finden würde. Ein Oreo, eine Kokosnuss. Einsam. Verloren.
Ich rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. Nicht allerdings, weil ich ihren Kommentar an sich unmöglich fand. Sondern, weil er aus meiner Sicht nicht auf mich zutraf. Mein Vater ist weiß, meine Mutter ist Schwarz, ich bin mit beiden Elternteilen aufgewachsen sowie mit meiner Schwarzen Großmutter. Ich hatte den US-amerikanischen Pass sowie den deutschen und kannte meine Familie in den Staaten. Mich störte also nicht das Bild des »verlorenen Mischlingskinds« an sich – sondern, dass sie mich mit diesem verwechselten. Ich war also kein bisschen weniger vorverurteilend und hatte dieses Stereotyp genauso verinnerlicht wie die Schwarzen Mädchen, die gerade an uns vorbeigegangen waren.
Es ist leichter zu thematisieren, wie weiße Menschen das eigene Schwarze Selbstbild negativ geprägt haben, als darüber zu sprechen, wie Schwarze Menschen es untereinander getan haben. Zum einen, weil es schwer ist, sich einzugestehen, dass man ebenfalls Anti-Schwarze Narrative verinnerlicht hat und diese weiterträgt. Zum anderen, weil viele Angst haben, dabei rassistische, coloristische Stereotype zu reproduzieren und somit zu verfestigen. Da diese Anekdote aus meiner Perspektive geschrieben ist, könnte man denken, die dark skinned Mädchen seien die Aggressiven, Gemeinen. Diese Geschichte hat also das Potenzial, ein Vorurteil eher zu bestätigen, als es zu dekonstruieren. Das ist nicht meine Absicht. Deshalb betone ich an dieser Stelle noch einmal: Ich dachte als mixed Person genauso stereotypisiert über mixed Kinder wie diese Mädchen. Dass wir diese Vorurteile verinnerlicht hatten, lag daran, dass sie schon älter waren als wir alle. Wir schnappten sie auf, hinterfragten sie (noch) nicht und trugen sie weiter. Außerdem waren wir zu dem Zeitpunkt alle Teenager – und wer als Teenager nicht vollkommen verquere Sachen gedacht und gesagt hat, werfe den ersten Stein. Zudem ist es wichtig, dass uns Schwarzen Menschen genauso Individualität zusteht, wie allen anderen auch. Ich stehe nicht für alle light skinned mixed Frauen. Genauso wie die Mädchen nicht für alle dark skinned Frauen stehen. Das hier ist nur eine Geschichte, eine Wahrnehmung, eine Perspektive über Schwarze Identitäten in Deutschland – und wie sie manchmal aufeinanderprallen.
Diese Geschichte soll ebenso wenig dazu dienen, zu zeigen, dass Colorism »in beide Richtungen« geht. Denn das stimmt nicht. Zwar haben mich diese Mädchen aufgrund meiner helleren Haut beleidigt – aber dieser Spruch, diese individuelle Begegnung spiegelt die strukturellen Machtverhältnisse nicht wider. Das vorab, denn in diesem Text fokussiere ich mich nicht auf Colorism, auch wenn mir bewusst ist, dass er nicht von der Frage ums Schwarzsein zu trennen ist. Aber eins nach dem anderen.
Was mir damals am Hauptbahnhof jedoch bewusst war: Unter Schwarzen gibt es Abstufungen. Aus meiner Sicht waren die Mädchen mehr Schwarz als ich – und ich war mehr Schwarz als die, mit denen sie mich angeblich verwechselten. Doch wie kam ich eigentlich darauf? Wer ist eigentlich Schwarz? Und wie wird Schwarzsein bestimmt?
Ich hierarchisierte Schwarzsein in dem Moment am Bahnhof nach Zugehörigkeitsgefühl und Kenntnis des nicht-deutschen Herkunftslandes. Das machte ich, weil ich mit dieser Einordnung ziemlich gut dastand und mich überlegen fühlen konnte. Die meisten würden Schwarzsein jedoch anders definieren. Viele Menschen würden wahrscheinlich antworten, dass Menschen afrikanischer Abstammung Schwarz sind. Aber das ist nicht präzise, denn viele Menschen aus Nordafrika werden nicht als Schwarz bezeichnet und sehen sich selbst auch nicht so. Außerdem ist es durch eine stetige Migration innerhalb Afrikas und einer Zuwanderung von außerhalb noch schwieriger, »Schwarz« mit »afrikanisch« gleichzusetzen. Andere würden mit dem Phänotyp argumentieren, Schwarz seien diejenigen, die Schwarz aussähen, also Menschen deren Haut-