Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов

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Ungerechtigkeiten, wie den erschwerten Zugang zu finanzieller Sicherheit, den Kampf um die deutsche Staatsbürgerschaft und darum, welche Verantwortung die Diaspora gegenüber Menschen in den jeweiligen nicht-deutschen Herkunftsländern hat. Für sie fühlte sich Schwarzsein nicht nach einem Konstrukt an, weil sich ihr Schwarzsein in keinem Kontext verschob. Die Erzählungen darüber finden in der breiten Öffentlichkeit jedoch noch weniger Platz. Und wenn, dann nicht als Themen Schwarzer Menschen, sondern als Themen migrantisierter Menschen, unabhängig von Rassifizierung. Beide Richtungen entwickelten sich über die Jahre weiter – und immer wieder muss ich betonen: Diese Einteilungen sind sehr grob und basieren zum Großteil auf Beobachtungen. Auch weil es keine genaue Datenerhebung über Schwarze Menschen in Deutschland gibt. Natürlich gab es nicht-mixed Personen in der afrodeutschen Bewegung, genauso wie es mixed Schwarze in migrantisierten Communities gab. Natürlich gibt es nicht-mixed Personen, die bei weißen Adoptiveltern aufwachsen und es gibt mixed Personen, die nur mit der Schwarzen Familie aufwachsen oder mit beiden Elternteilen.

      Als ich aufwuchs, fühlte ich mich mit meiner Familiengeschichte weder der afrodeutschen Bewegung noch den migrantisierten Schwarzen Communities wirklich zugehörig. Denn meine Familiengeschichte war wenig mit der ihren vergleichbar. Strukturell wurden Schwarze Kinder mit weißen deutschen Müttern stärker diskriminiert als diejenigen mit weißen deutschen Vätern. Wenn ich also diese ganzen Privilegien hatte und dadurch nur abgemilderte Formen von Rassismus erfuhr – warum war ich mir dann meines Schwarzseins so sicher?

      Nun, als Teenagerin am Kölner Hauptbahnhof meinte ich zwar, mich von anderen mixed Kindern abgrenzen zu müssen – die Wahrheit ist jedoch, dass vieles bei mir natürlich ganz ähnlich war. Auch ich hatte keine Schwarze Community um mich herum, zu der ich mich zugehörig fühlte. Auch ich sah mich zwischen den Stühlen – zwischen Zugehörigkeitsgefühl und Privilegien. Aber ich hatte das Glück, dass ich nicht allein war. Meine Familie war meine Community. Daher kam auch mein Schwarzes Selbstbewusstsein. Meine Mutter brachte mir bei, mich als Schwarz zu identifizieren und dass mein Mixedsein meinem Schwarzsein keinen Abbruch tun würde. Diese Haltung kam aus ihrer afroamerikanischen Sozialisierung.

      Auch heute wird in Deutschland darüber gestritten, wer in die Kategorie »Schwarz« fällt. Vor allem zwei Ansätze scheinen hier aufeinanderzuprallen: Der eine, der Schwarzsein als ein Konstrukt begreift, das sich je nach Kontext – also Perspektive, nationale Geschichte und Sprache – verschiebt. Man ist nicht Schwarz, sondern die Gesellschaft macht eine*n Schwarz. Der andere ist ein essenzialistischer Ansatz, der Schwarz als eine feststehende Kategorie denkt, die unabhängig von Kontext und Gesellschaft ist. Dieser Ansatz lässt jedoch in letzter Konsequenz Rassendenken zu, indem er Schwarzsein auf etwas Biologisches, Unverrückbares zurückführt. Man wird also nicht Schwarz gemacht, sondern man ist es einfach.

      Es ist wichtig, über Unterschiede im Schwarzsein zu sprechen. Dazu gehört auch die berechtigte Kritik, dass Erfahrungen von mixed Menschen oft stellvertretend für alle Schwarze Menschen wahrgenommen werden. Jedoch habe ich oft gesehen, wie diese Kritik mit biologistischen Argumenten vermischt wird. Mixed Menschen seien nicht richtig Schwarz, beispielsweise weil sie »weißes Blut« hätten. Hier dreht sich der »One drop rule«-Gedanke um. Als sei Schwarzsein auch etwas, das pur und rein gehalten werden müsse. Das ist gefährlich und ganz einfach falsch.

      Um diesen Missverständnissen zu entgehen, brauchen wir eine präzisere Sprache. Und hier sind wir wieder beim zu Anfang beschriebenen Problem: Wir sind uns nicht einig, wie die Kategorie »Schwarz« genau definiert wird. Das liegt aber auch daran, dass die Notwendigkeit für Schwarze Identität durch Rassismus entstanden ist – und Rassismus ist alles andere als logisch. Somit kann es auch keine vollkommen logische Definition von Schwarzsein geben.

      Doch es lässt sich wohl kaum aus dem Weg räumen, dass neben sozialen Realitäten auch biologische Faktoren, wie Hautfarbe, Gesichtszüge und Körperbau, eine Rolle im Anti-Schwarzen Rassismus spielen. Anti-Schwarzer Rassismus ist zum großen Teil eine Stigmatisierung des Körpers und wurde stark von Naturwissenschaftler*innen etabliert. Deshalb trifft er dark skinned Menschen immer härter als light skinned Menschen, wenn sie sich in vergleichbaren Situationen befinden. Das muss im konstruktivistischen Ansatz beachtet werden.

      Wer ist also Schwarz? Ich habe es immer für eine Errungenschaft gehalten, dass der Schwarze Identitätsbegriff inklusiv ist und somit eine Gegenerzählung zum ausschließendem Weißsein.

      Es ist wichtig, dass wir innerhalb von Schwarzen Identitäten Unterschiede und Machtdynamiken nicht unsichtbar machen. Diskurse über Colorism zum Beispiel bedeuten keine Spaltung, sondern sind notwendig, um einen Zusammenhalt weiterhin möglich zu machen. Empowerment sollte nicht in der Verklärung von Schwarzsein ausarten. Und wir müssen zulassen, dass Schwarzsein etwas Dynamisches ist, das sich je nach gesellschaftlichen Strukturen und Haltungen ändern kann. Ich bin dafür, Schwarzsein als Dachbegriff breit zu halten. Genauso bin ich für eine bessere Sprache für die Nuancen des Schwarzseins in Deutschland und Europa, um der Komplexität und Heterogenität unserer Identitäten gerecht zu werden. Diese gemeinsame Sprache können wir nur entwickeln, wenn wir unterschiedliche Perspektiven mit einbeziehen.

      Es scheint ein Tauziehen zwischen strukturellen Privilegien von light skinned und mixed Menschen auf der einen und Deutungshoheit über Zugehörigkeit von dark skinned Menschen auf der anderen Seite zu geben. Doch je mehr wir uns bei diesem Kampf verausgaben, desto mehr vergessen wir, dass es vor allem weiße Menschen sind, die uns diese Probleme überhaupt eingebrockt haben. Unsere Freiheit ist abhängig voneinander und somit ist Solidarität, Verantwortung und Unterstützung unabdingbar. Frei nach Audre Lorde: Auch wenn unsere Kämpfe nicht immer die gleichen sind – wir sind nicht frei, wenn nicht alle von uns frei sind.

      CELIA PARBEY

       DIE SACHE MIT DEN PRIVILEGIEN

      Sommer 2020. Der Mord an George Floyd und die daraus resultierenden Protestbewegungen machten Schwarze Menschen weltweit so sichtbar wie nie zuvor. Auch in Deutschland sah man uns plötzlich überall. Wochenlang prägten wir die mediale Berichterstattung. Schwarze Menschen, sie wurden zu Panel-Talks eingeladen, schrieben Leitartikel und forderten strukturelle Veränderungen ein, in einem Land, das ihre Existenz lange ignoriert hatte.

      Im Sommer 2020 wurden Schwarze Lebensrealitäten endlich sichtbar. Oder etwa nicht? Wie Aktivist*innen in den sozialen Medien bemerkten, waren nicht all unsere Lebensrealitäten in den Medien vertreten. Wer genauer hinschaute, konnte erkennen, dass ganz bestimmte Stimmen den öffentlichen Diskurs ums Schwarzsein prägten. Es waren und sind immer noch die Stimmen von Menschen, die ein Schwarzes und ein weißes Elternteil haben. Menschen, die biracial sind. Es sind Stimmen wie meine.

      Mein Vater stammt aus Lomé, der Hauptstadt Togos, und meine Mutter ist in Göttingen, Niedersachsen, geboren. In Berlin besuchte ich eine französische Schule. Dort war ich umgeben von Afrikaner*innen, die direkt vom Kontinent nach Deutschland gekommen waren. Junge Menschen aus Burkina Faso, aus Gabun und der Demokratischen Republik Kongo. Für sie war ich vor allem eins: Togolesin. Aber Schwarz war ich nicht, sondern métisse. Das französische Wort für M****ling. Der Hintergrund dieses Begriffs ist ähnlich gewaltvoll wie im Deutschen. In Frankreich aber wurde er von der breiten Masse akzeptiert, auch von Schwarzen Menschen, auch von mir. Für meine weiße Mutter waren mein Bruder und ich ihre Schwarzen Kinder. Warum? 1986 erschien Farbe bekennen. Darin schufen afrodeutsche Frauen in wissenschaftlichen Texten, Lyrik und autobiografischen Erzählungen ein Zeugnis Schwarzer Lebensrealitäten in Deutschland. Meine Mutter las das Buch und es prägte sie. Sie übernahm die Selbstbezeichnung Schwarze Deutsche, die May Ayim, Katharina Oguntoye, Abenaa Adomako und viele mehr in Deutschland wählten. »Schwarz« als politische und kulturelle Identität – keine vermeintlich biologische Realität. Wenn Leute mich fragten, was ich sei, erklärte ich stets, ich sei Togolesin und Deutsche. So hatte es mir mein Vater beigebracht.

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