Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов

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Definition würden jedoch auch Menschen aus Südasien und indigene Gruppen aus Australien und Ozeanien in die Kategorie Schwarz fallen. Kulturelle und familiäre Hintergründe würden keine Rolle spielen. Andere wiederum würden historisch argumentieren: Schwarz ist, wer von Menschen abstammt, die von der Kolonialisierung und Versklavung in Afrika negativ betroffen waren. Die Frage ist dann aber, wie hoch der Anteil dieser Nachfahr*innen sein muss? Und gibt es dann eine Hierarchisierung zwischen den Völkern, die versklavt wurden und denjenigen, die mit den Kolonisatoren zusammengearbeitet haben? Und wie genau könnte man das heute noch bestimmen? Klar ist jedoch: All diese Definitionen koexistieren in dieser Welt und je nach Land werden sie unterschiedlich ausgelegt.

      In den USA fallen relativ viele Menschen in die Kategorie Schwarz, weil dort während der Versklavung unter anderem die »One drop rule« galt. Laut dieser Regel wurde das Schwarzsein über mehrere Generationen vererbt, selbst wenn der Großteil der Vorfahr*innen weiß war. In Brasilien gibt es zahlreiche Bezeichnungen, um die Rassifizierung von Menschen zu beschreiben. Je nach Region und subjektivem Empfinden können diese Bezeichnungen variieren. In Südafrika galten während der Apartheid mixed Menschen als Colored und nicht als Schwarz. Heute sind Coloreds in Südafrika eine eigene rassifizierte Gruppe. Werden Menschen mit einem weißen und einem Schwarzen Elternteil heute in Südafrika geboren, gelten sie jedoch in der Regel nicht als Colored, sondern als biracial. In Russland werden Menschen mit kaukasischen Wurzeln diskriminierend als Schwarz bezeichnet. Also diejenigen, von denen der englische Begriff Caucasian abgeleitet wird, der in den USA ein Synonym für weiß ist. Es gibt also kein global einheitliches Verständnis darüber, wer in der Kategorie »Schwarz« inbegriffen ist. Es ist kontextabhängig. Vor allem ist es nicht loszulösen von Rassismus. Wer Schwarz ist, wird dadurch bestimmt, wie Rassismus in den jeweiligen Ländern ausgelebt wurde und wird.

      Wie ist oder war es also in Deutschland? Schauen wir mal auf die letzten 100 Jahre: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine intensive, aufwendige Kampagne gegen die Soldaten aus den damaligen französischen Kolonien gefahren, die nach Deutschlands Niederlage das Rheingebiet besetzten. Sie lief unter dem Titel »Die Schwarze Schmach« und sollte Ängste vor dem bösen, triebhaften, brutalen Schwarzen Mann schüren, der sich über weiße deutsche Frauen hermachte. Auch vor der NS-Zeit wurde in Deutschland also bereits von den Schwarzen Menschen als »Gefahr für die weiße Rasse« gesprochen. Weißsein wurde als etwas gesehen, das »pur« und »rein« gehalten werden musste. Die Kinder dieser Soldaten wurden »Rheinlandbastarde« genannt.

      Unter den Nürnberger Gesetzen, die 1935 in Kraft traten, wurden Menschen, die nicht als »deutschrassig« klassifiziert wurden, von der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, außerdem wurde ihnen die Eheschließung mit als deutsch klassifizierten Menschen untersagt. Diese Gesetze betrafen neben jüdischen Personen, Sinti*zze und Rom*nja auch Schwarze Menschen. Reichsinnenminister Wilhelm Frick verfügte 1936 in einem inoffiziellen Schreiben: »Dagegen wird regelmäßig bei einem Mischling mit einem Viertel oder noch weniger artfremdem Blute ein Bedenken gegen die Eheschließung mit einer deutschblütigen Person nicht zu erheben sein.« Die einzige Ausnahme seien Schwarze Menschen, weil das »N****blut« so stark wirke, dass es bis zur 7. oder 8. Generation weitergegeben würde.1

      Bei mixed Schwarzen Menschen sei also eine »besonders scharfe Prüfung« notwendig, bevor einer Eheschließung stattgegeben würde.

      Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Nürnberger Gesetze zwar abgeschafft, ein Gesetz änderte sich jedoch nicht: War die Mutter weiß und der Vater Schwarz, wurden ihre Kinder nicht als deutsche Staatsbürger*innen anerkannt, weil die Staatsbürger*innenschaft über den Vater weitergegeben wurde. Das betraf nach Kriegsende unter anderem einige Tausend Kinder Schwarzer US-Soldaten. Viele Schwarze Kinder wurden ihren weißen Müttern weggenommen, weil die Mütter rein rechtlich kein Sorgerecht über ihre eigenen Kinder hatten. Diese Kinder kamen in Heime oder wurden in einigen Fällen für Familien in den USA oder Dänemark zur Adoption freigegeben. Deutschland imaginierte man weiterhin als weiß und es gab institutionalisierte Programme, die dieses Bild aufrechterhalten sollten. Jedoch wurde unterschieden: Schwarze Menschen ohne weißes Elternteil waren aus institutioneller Sicht ein Problem, weil sie keine Deutschen waren. Mixed Personen waren ein Problem, gerade weil sie auch Deutsche waren und die Deutschen weniger weiß machten. Schwarze Menschen mit und ohne weißen Elternteil wurden immer wieder daran gehindert, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden. Auf der anderen Seite war vor allem der institutionalisierte Rassismus, den sie erfuhren, nicht immer deckungsgleich.

      Wie ging es jedoch weiter mit Schwarzen Menschen in Deutschland, nachdem der Rassenbegriff stärker verbannt wurde? Ich erkläre mir die Entwicklung Schwarzer deutscher Communities so, dass sich durch strukturelle Gegebenheiten zwei Stränge ergaben. Zum einen formten sich in den 1980er-Jahren Schwarze Communities vor allem über Nationalität – oder anders gesagt: über einen migrantisierten Kontext. Vermehrt etablierten sich ghanaische, togolesische, eritreische Communities und so weiter, aber auch afrokaribische und brasilianische Communities. Dazu entstanden afroamerikanische Communities vor allem in den Regionen, wo es amerikanische Militärstützpunkte gab. All diese Gruppen waren meistens isoliert, weil sowohl ihre Bewegungsfreiheit als auch die Möglichkeit zu arbeiten häufig rechtlich eingeschränkt waren. Außerdem war ihr Alltag oft von der Unsicherheit geprägt, nicht in Deutschland bleiben zu können. Diese Communities mischten sich je nach kulturellen Gemeinsamkeiten wie Sprache, Essen, Musik, Religion oder Haar- und Hautpflegeprodukten, an Orten wie Afroshops, Restaurants, Clubs, Kirchen oder Moscheen.

      Menschen mit weißem und Schwarzem Elternteil, die nur mit dem weißen Elternteil aufwuchsen, hatten meist wenig Kontakt zu diesen Communities. Sie wuchsen isoliert von ihrer Schwarzen Familie und anderen Schwarzen Menschen in Deutschland auf – und vor allem ohne Antwort darauf, was ihre Identität in einem deutschen Kontext bedeutete. Sie waren weniger von Migrantisierung betroffen, also von der Diskriminierungserfahrung als »eingewandert« markiert zu werden. Mixed Kinder sprachen oft keine andere Sprache außer Deutsch und wuchsen kulturell genauso auf, wie weiße deutsche Kinder in ihrem Umfeld. Jedoch waren sie weiterhin, wie andere Schwarze auch, rassifiziert. Aus dieser Position heraus formte sich die Afrodeutsche Bewegung in den 1980er-Jahren. Ein Bewusstsein darüber, dass ein Unterschied zwischen Schwarzen Menschen mit und ohne weißen Elternteil bestand, gab es auch schon zu Anfängen der Afrodeutschen Bewegung. Der Begriff »afrodeutsch« schien vor allem für mixed Schwarze vorgesehen.

      In dem Buch Farbe bekennen von 1986 sagt Katharina Oguntoye in einem protokollierten Gespräch mit May Ayim und Laura Baum: »Ich würde mich nicht als weiß bezeichnen, insofern ist es auch nicht ganz korrekt zu sagen, ich sei schwarz.« Und May Ayim meint: »Ich finde den Begriff ›afro-deutsch‹ oder ›afro-europäisch‹ ganz gut. Ich bekenne mich dazu, daß ich anders aussehe, vielleicht mich auch anders bewege, auch aufgrund meiner Herkunft und der dadurch bedingten Lebenssituation in mancher Hinsicht anders denke oder anders fühle, aber ich möchte nicht in eine schwarze oder weiße Schublade gesteckt werden.«

      Die Haltung, dass Afrodeutsche nicht Schwarz seien, sondern eine eigene Gruppe, löste sich immer mehr auf, je weiter die Organisationen wuchsen. Das führte jedoch zu folgendem Dilemma: In der Afrodeutschen Bewegung wurde die Perspektive derjenigen mit einem Schwarzen und einem weißen Elternteil priorisiert – und weil sie Literatur, Filme und akademische Arbeiten zu diesem Thema veröffentlichten, wurde ihr Blick zu der dominanten Erzählung über und von Schwarzen Menschen in ganz Deutschland. Es ging vor allem um Fragen der Zugehörigkeit, um Schwarz und weiß als soziale Konstrukte und um das Finden, Entdecken und Aushandeln der eigenen Schwarzen Wurzeln. Weil diese Fragen zentriert wurden, fanden sie oftmals bei afroamerikanischer Literatur und Forschung Anschluss, wo es oft um ähnliche Themen ging. Durch die enge Verzahnung afrodeutscher und afroamerikanischer intellektueller Diskurse, aber auch durch den popkulturellen Einfluss aus den USA, wurde die deutsche Auffassung von »Schwarz« von der US-Perspektive beeinflusst.

      Fragen um Zugehörigkeit oder die Suche nach den eigenen Wurzeln schienen Schwarze mit zwei Schwarzen

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