Schwarz wird großgeschrieben. Группа авторов
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DIE MACHT DES WEISSSEINS
Der europäische Kolonialismus schuf eine Hierarchie, die weiße Menschen an die Spitze stellt und Schwarze Menschen ganz nach unten. Das bedeutet: Biracial Schwarze Menschen haben einen Vorteil, wenn einer ihrer Eltern weiß3 ist. Ich erinnere mich an den Moment, in dem mir bewusst wurde, dass Schwarze Menschen unterschiedlich behandelt werden. Es war im Urlaub in Lomé. Ich muss sechs Jahre alt gewesen sein. Als ich an der Hand meiner Oma über den Markt Assigamé eilte, um die Zutaten fürs Abendessen zu kaufen, und die Blicke meiner Landsleute mich auf jedem Schritt begleiteten. »Yovovi, Yovovi« riefen sie mir auf Mina über den gesamten Markt hinterher. Kleine Weiße. Bis dahin hatte mich noch nie jemand weiß genannt. Und wenn mich in Deutschland Blicke verfolgten, geschah es nicht mit Begeisterung. Die Kinder der Nachbarschaft wollten unbedingt mit mir spielen. Ich war etwas Besonderes, weil ich aus Europa angereist war, aber auch weil meine Haut heller war als ihre. Wie sehr die Macht des Weißseins über nationale und kontinentale Grenzen hinausgeht – hier merkte ich es zum ersten Mal.
Auch in anderen Momenten in meinem Leben profitierte ich davon, eine weiße Mutter zu haben. Der Rassismus, den ich mit ihr an meiner Seite erlebte, war ein anderer als der Rassismus, der mir mit meinem Schwarzen Vater entgegenschlug. Mit meiner Mutter wurde ich in der Berliner U-Bahn wohlwollender angeschaut: Was für ein süßes kleines Schokokind – Café au lait. Mit meinem Vater erntete ich viel aggressivere Reaktionen. Auch das N-Wort fiel regelmäßig. Vor einem Jahr sprach ich mit meiner Freundin Kelly darüber. Kelly ist ein Jahr älter. Sie ist, wie ich, Berlinerin und nur ein paar Kilometer von mir entfernt aufgewachsen. Ihre Eltern kamen beide in den 1980er-Jahren aus Ghana nach Deutschland. »Meine Eltern sind Schwarz und sprechen nicht so gut Deutsch. Sie konnten mich in der Schule nicht so schützen und verteidigen wie weiße Elternteile. Diesen Vorteil hatte ich nicht.« Schwarze Kinder werden in diesem Land systemisch diskriminiert. Deutschland hat ein Rassismusproblem, das sich auch in unseren Bildungsinstitutionen widerspiegelt. Eltern, die selbst das deutsche Schulsystem durchlaufen haben, können ihre Kinder besser unterstützen und schützen. Auch ein deutscher Nachname kann ein Vorteil sein. Studien belegen, dass Menschen mit einem ausländisch klingenden Namen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt diskriminiert werden.4
Viele junge Schwarze Menschen in Deutschland sind Kinder von Migrant*innen aus der ganzen Welt. Vor allem Eingewanderten aus dem sogenannten Globalen Süden wird es hier schwer gemacht. Bis heute werden sie mit einer ausufernden Bürokratie konfrontiert, einer besonders komplizierten Verwaltungssprache und undurchschaubaren Gesetzen für Ausländer*innen. So nebenbei müssen sie sich auch noch mit dem strukturellen Rassismus rumschlagen, den viele aus ihren Herkunftsländern nicht kennen. Geflüchtete und Menschen ohne Aufenthaltstitel sind in ihrer Existenz besonders bedroht, was die Kinder oft zuerst trifft.
Nicht wenige Schwarze Menschen sind in diesem Land von Armut und massivem Klassismus betroffen. Ihnen wird der soziale Aufstieg systematisch verbaut. Achtung, und das ist mir wichtig, ich möchte auf gar keinen Fall suggerieren, dass biracial Schwarze Menschen alle wohlhabend seien. Genauso liegt es mir fern zu behaupten, alle Schwarzen Menschen seien mittellos. Meine These lautet aber, dass biracial Schwarze Menschen in ihrer Mehrzahl in diesem Land finanziell und manchmal auch rechtlich bessergestellt sind. Vor allem wenn sie durch ihren weiß sozialisierten Elternteil Zugang zu generationsübergreifendem Wohlstand haben. Ich persönlich musste als Kind nie Briefe von Ämtern für meine Eltern übersetzen oder vor Ort dolmetschen. Im Gegenteil, meine Mutter half mir gelegentlich sogar bei den Deutschhausaufgaben. Dadurch durfte ich länger Kind sein. Meinen Zugang zu weißen Räumen, meine Sprache in diesen Räumen, die sozialen Spielregeln für Deutschland lernte ich vom weißen Teil meiner Familie. Wie Networking mit weißen Menschen funktioniert beispielsweise. Hinzu kommt, dass sich nach meinem Empfinden weiße Menschen von mir weniger bedroht fühlen. Colorism, Featurism und Texturism spielen hier die entscheidende Rolle. Das sind Auswüchse von Rassismus, die wir in unseren Communities genauso vehement bekämpfen müssen wie im Umgang mit weißen Menschen. Schließlich sind es strukturelle Probleme, die uns je nach Hautfarbe, Gesichtszügen oder Haarstruktur andere gesellschaftliche Zugänge ermöglichen.
MEHR ALS NUR DAS INDIVIDUUM
Der Reflex, die eigene Leidensgeschichte zu erzählen, wenn man auf seine Privilegien aufmerksam gemacht wird, ist der Versuch, ein strukturelles Problem zu individualisieren. Wenn wir auf unsere Privilegien angesprochen werden, reagieren light skinned biracial Menschen oft mit Abwehr, teils sogar mit Angriff. Wir flüchten uns dann in die Erzählungen unserer Einzelschicksale. »Weder Schwarze noch weiße Menschen haben mich je wirklich akzeptiert« ist ein Satz, der in Diskussionen von biracial Schwarzen Menschen immer wieder fällt. »Du willst mir nur mein Schwarzsein absprechen«, »Du spaltest die Community«, »Aber wir sind doch alle Schwarz« sind weitere Beispiele. Das eigene Weißsein anzunehmen, bedeutet nicht, unser Schwarzsein auszulöschen. Das ist unmöglich, schließlich ist es ein Teil von uns. Für mich bedeutet es lediglich die Realität meiner Existenz zu akzeptieren, völlig wertungsfrei. Manche von uns können sich nicht aussuchen, ob sie Schwarz sind oder nicht. Unsere Möglichkeit, zwischen den Zuschreibungen zu wechseln, ist ein Privileg in sich.
Studien aus den USA und Großbritannien lassen erahnen, wie sich das strukturelle Privileg von biracial Schwarzen Menschen auch in Deutschland manifestieren könnte. So fanden Forscher*innen in den USA beispielsweise heraus, dass es eine Art biracial Schönheitsstereotyp gibt. Allein zu sagen, dass ein Mensch biracial ist, verändert dessen Wahrnehmung in den Augen vieler Menschen. Laut Studie gilt diese Person dann direkt als »interessanter« und »schöner«.5 Das kann eine unglaublich unangenehme Fetischisierung mit sich bringen, ist aber nicht vergleichbar mit den diskriminierenden Stereotypen, mit denen Schwarze Menschen mit zwei Schwarzen Elternteilen teilweise belegt werden. Auch betrifft uns Anti-Schwarzer Rassismus in der Regel nicht genauso stark. So besagt eine Studie aus Großbritannien, dass Schwarze Frauen ein viermal so hohes Risiko haben, bei der Kindesgeburt zu sterben, wie weiße Frauen. Bei Frauen mit einer sogenannten Mixed-Ethnicity ist das Risiko »nur« dreimal so hoch.6 Der institutionelle Rassismus in der Medizin trifft uns alle, aber er trifft uns nicht alle im gleichen Maße. Das Argument, Schwarze Menschen mit Schwarzen Eltern würden Communities spalten, wenn sie diese Unterschiede betonen, lenkt gefährlich weit ab. Wie können wir behaupten, unser Ziel sei die Schwarze Befreiung, aber gleichzeitig denen nicht zuhören, die auch innerhalb unserer Communities am meisten unterdrückt werden? Wenn Geschwister uns sagen, dass sie sich durch uns nicht repräsentiert fühlen, in ihrer Lebensrealität sogar ausgelöscht, dann wünsche ich mir, dass Schwarze Menschen mit einem weißen Elternteil das sehr ernst nehmen. Anstatt sich reflexhaft zu wehren gegen die bloße Möglichkeit, dass wir bessergestellt sein könnten, sollten wir innehalten. »If telling the truth sows division, then....................... the unity isn’t real.«7 – »Wenn die Wahrheit auszusprechen, Uneinigkeit schafft, dann gab es nie eine echte Einheit«, schrieb die Künstlerin und Aktivistin Bree Newsome Bass.
DAS PROBLEM MIT DEM BLACK AWAKENING
Viele biracial Schwarze Menschen erkennen ihr Schwarzsein innerhalb eines Prozesses der Politisierung. Vielleicht hatte ihr weißes Umfeld ihnen zuvor bewusst oder auch unbewusst eingeredet, sie müssten sich für ihr Schwarzsein schämen. Diese Nähe zum Weißsein, in der viele biracial Schwarze Menschen leben, bedeutet einen unbestreitbaren Zugang zu