Reportagen 1+2. Niklaus Meienberg

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Reportagen 1+2 - Niklaus Meienberg

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Benediktiner. Alle Achtung! Und wer hätte nicht gern, als Schriftsteller, einen Schriftsteller im Stammbaum. Man fühlt sich dann sicherer in diesem Land, man kann auf einen Präzedenzfall verweisen.

      Das Büchlein wird man aufstöbern und genauestens lesen müssen. Vielleicht sind die Gedichte, unter einem scheinheiligen Titelblatt, das die wahre Absicht kaschiert, erotischer oder sadomasochistischer oder gar politisch-aufklärerischer Natur, sodass sich die Pupillen des naiven Lesers bei der Lektüre jählings erweitern müssten.

      Wer macht eine Diss über Meienberg (Bonifaz)? Da liegt ein Thema, ein interstellarisches, begraben, und nach der «Analyse der Folien des Interstellar Gas Experiment» klemmt sich mein Freund Martin J. von Dürrenroth/BE vielleicht hinter das Geistliche Blumengärtchen und wird eine zweite Inauguraldissertation präsentieren, von der philosophisch-geisteswissenschaftlichen Fakultät der Univ. Zürich auf Antrag von Prof. Dr. Urs Herzog ermuntert.

      Zakes Mofokeng bekommt auch Briefe, und einer davon wurde an mich weitergeleitet. Mofokeng, der politische Asylant, stammt aus Soweto und lebt gegenwärtig in der wüstenartigen Gegend hinter der Verbrennungsanlage Zürich, Nähe Leutschenbach. Fast schon eine township. Er ist Schriftsteller, vor allem Theaterautor, und Musiker, hat in der Basler Theaterwerkstatt mitgewirkt (Südafrika-Veranstaltungen), und kürzlich hat Radio DRS ein Hörspiel von ihm ausgestrahlt. Jetzt sucht er einen Job als Küchenbursche. Die letzte Telefonrechnung hat er nicht mehr zahlen können, also wurde sein Anschluss gesperrt. Das ist ungünstig, weil's dort draussen keine Telefonkabinen gibt. Die Februarmiete kann er gegenwärtig nicht aufbringen. In südafrikanisch-literarischen Kreisen ist er recht bekannt, hat dort, wie man so sagt, einen Namen. Nachdem er gefoltert worden ist und mit einer langjährigen Gefängnisstrafe rechnen musste, floh er (zuerst nach Deutschland), Frau und Kinder blieben in Südafrika zurück. Nach der Ausstrahlung seines Hörspiels durch Radio DRS bekam er einen Brief:

      Mister, I did not understand your name yesterday evening at the radio, never mind, its not important. But I will try to help you a bit to understand Swiss people and help you to find your own way. I have heard your commentary and critics about Switzerland and your stay here. Then first I will ask you why did you quit Germany? And why did you quit your country, letting your children and wife … Your are not a good fighter nor father. You run only for your own life, never a good European father would do that (…).

      Wer, als Schweizer, schon anonyme Briefe bekommen hat, der weiss, wie belämmernd das wirken kann. Wie fühlt sich einer, der hier im Exil lebt und solche Post von den Eingeborenen bekommt?

      What we white people do not like is your noise, your music, its all sexy and loud, only tam-tam and noise. We do not like your smell of sweat and skin, its otherwise. With kind regards, a hard-working Swiss man.

      Da hat er schon recht, der hart schaffende, aber nicht schwitzende Swiss man. Die Neger sind «otherwise», ein bisschen anders sind sie schon. Bisher wurde Zakes Mofokeng aber noch nicht der Sprung in die Verbrennungsanlage empfohlen.

      Wer übrigens Zakes Mofokeng helfen möchte, seine Telefonrechnung und Miete zu begleichen, kann ihm, via WOZ, ein bisschen Geld schicken, d.h. soviel wie möglich.

      Wieviel spenden Sie, Herr Stadtpräsident?

      St.Galler Diskurs bei der Preisübergabe

      Geschätztes Publikum,

      Sehr verehrter Stadtrat,

      Sehr abwesender Regierungsrat von Kanton und Republik St. Gallen,** Der sanktgallische Regierungsrat (Kantonsregierung) hatte aus politischen Gründen der Kulturpreisübergabe der Stadt St. Gallen am 25. November 1990 nicht beigewohnt.

      Dear Representatives of the business school of Saint Gall,

      Estimable Kollegen aus dem Mediensektor & der Schriftstellerei, als da sind: Hugo Loetscher, Laure Wyss, Notker Balbulus, Kurt Marti, Notker Labeo, Jürg Laederach, Notker Teutonicus, Eveline Hasler, Ekkehard I., Gerold Späth, Ekkehard IV., Jürg Federspiel,

      und nicht zu vergessen Ihro Exzellenz Fürstabt Beda Angehrn, welcher den heute unabkömmlichen Bischof Mäder vorteilhaft vertritt,

      und natürlich lieber Herr Rabbiner Schmelzer, welcher als einziger Vertreter der monotheistischen Religionen die Einladung des Stadtrates zu diesem Anlass angenommen hat und, wie er schrieb, mit Freuden akzeptiert hat,

      erlauchte Spitzen-Politiker, von denen einer sogar aus dem Irak extra nach St. Gallen zurückgedüst ist,

      edle Verwalter und Seelenapotheker der Stiftsbibliothek, Ochsenbein und Vogler, über der Stiftsbibliothek steht bekanntlich, wie früher über dem Eingang der ungeheuren Bibliothek von Alexandria, PSYCHAES IATREION, Seelenapotheke,

      werte Vertreter der Wirtschaft, z.B. der Firmen von Roll, Stoffel und Mettler, aber auch der Wissenschaft, insbesondere die Abgesandten der Universität Zürich in Gestalt ihrer hervorragendsten Germanisten, Herzog u. von Matt,

      liebe Familie Scola aus den Dolomiten, aber auch aus Paris,

      und last but not least, ehrwürdige Madame Meienberg geborene Geiges, genannt MAGNA MATER SANGALLENSIS, Stamm-Mutter eines nachgerade über den ganzen Erdball verzweigten Clans –

      Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen allen heute die Grüsse und den ehrerbietigsten Dank des prämierten Meienberg zu überbringen. Er selbst, Niklaus Meienberg I., hat es vorgezogen, in dieser zeremoniösen Stunde in den Untergrund abzutauchen, weil seine sensible Natur die Feierlichkeiten nur ächzend bzw. grochsend überstehen könnte und natürlich auch deshalb, weil die Wogen der bü-bü-bürgerlichen Empörung, welche nach dieser Preisverleihung aufgebrandet sind, oder aufgequirlt oder aufgeschäumt oder abgeschäumt sind, sein Wohlbefinden doch recht sehr beeinträchtigen könnten. Einem Herrn im mittleren Alter kann es ja gesundheitliche Störungen verursachen, wenn er, wie das in der hiesigen Presse geschehen ist, in einer Zeichnung als Männeken Piss dargestellt wird, der auf seine Mitbürger herunterbrunzt, oder wenn er als abverstrupfter Klosterschüler und Nestbeschmutzer tituliert wird – nachdem er sich so lange als Nest-Entschmutzer betätigt hat. Er hat mich deshalb gebeten, an seiner Stelle ein paar Dankesworte, die er allerdings teilweise selbst redigiert hat, an die Festgemeinde zu richten. Es spricht also jetzt nicht das Original zu Ihnen, sondern ein Duplikat oder double des prämierten Meienberg, auch stuntman genannt. Lassen Sie sich von physischen Ähnlichkeiten nicht irreführen. Diese Einrichtung hat sich bewährt, seit Papst Johannes Paul II. seinen stuntman auf Schweizerreise schickte und sich zu Hause in Castel Gandolfo einen Schranz lachte, als er am Fernsehen verfolgen konnte, wie die ganze Schweiz vor seinem Duplikat katzbuckelte.

      Ich darf sogleich beifügen, dass ich diesen Part des Meienbergstuntman nicht zum ersten Mal spiele, sondern ihn schon öfters am Fernsehen, Radio und bei Streitgesprächen übernommen habe; immer dann, wenn es gilt, den angeblich wilden, bösen, sarkastischen, aggressiven M. zu spielen, nennen wir ihn Meienberg II. Um meine Vertreterrolle, die hiermit enthüllt ist, zu erklären, muss ich in der Geschichte etwas zurückgreifen und Ihnen erläutern, wie das real existierende Medienwesen diese Abspaltung erzwungen hat. Meienberg I., so darf ich in Erinnerung rufen, hatte während seiner Pariser Korrespondentenzeit recht viel in seine Arbeiten investiert und auch immer versucht, den philosophischen Strömungen der damaligen Zeit auf den Grund zu gehen, etwa in grossen Interviews mit einem Michel Foucault, einem Pablo Neruda; und auch die politischen Strömungen wollte er erkunden, im Gespräch z.B. mit Charles Tillon und François Mitterrand, sowie in grossen Pariser Reportagen. Bald musste er feststellen, dass diese aufwendigen Stücke ziemlich echolos über die Bühne gingen und kaum je eine Debatte provozierten. Als er dann, nach seinen Pariser Lehrjahren, in die Schweiz zurückkehrte und die Instrumente, welche er in Frankreich gewetzt hatte, an heimatlichen Themen erprobte,

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