Reportagen 1+2. Niklaus Meienberg

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Reportagen 1+2 - Niklaus Meienberg

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und entschuldigen Sie bitte die Störung, Ihre Sabrina G. – Beilage: Apparat, Foto von mir, Rückantwortadresse und Porto.

      Nun hätte also der umgedrehte bzw. verdrehte Kopf gefötelet werden müssen, aber eine unüberwindbare Scheu vor der Technik hinderte den etwas in Verlegenheit geratenen Exploranden daran, und so stand der Föteler lange in einer Ecke des Vestibüls, halb lockend, halb drohend, und das dritte Auge von Sabrina G., welches so weit gereist war, ist blind geblieben. Es ging einfach nicht, obwohl es bei Franz Jaeger auch gegangen war. Aber vielleicht hätte man doch drauflos knipsen und u.a. ein Foto an Frau P. in Lenzburg schicken sollen mit der Unterschrift: «Schweizerische Persönlichkeit».

      Damit man nicht übermütig wird, kommt am nächsten Tag ein Geschenk von Philipp Engelmann ins Haus geplumpst, nämlich sein nun in Buchform erschienenes Theaterstück «Die Hochzeitsfahrt» (Ammann Verlag). Darüber hatte Andreas Simmen in der WOZ eine Glosse geschrieben – ziemlich scharf. (Und intelligent.) Und Philipp Engelmann schenkt mir nun also sein Buch mit der Widmung: NIKLAUS DEN SCHAFSECKEL I. KLASSE. (Er hat halt gern Dialekt.) Und Dieter Bachmann schreibt im Vorwort: «Es ist bei Engelmann so, als schreite einer auf einer hauchdünnen Schicht Hochdeutsch, einer sprachlichen Trag- oder Oberfläche, unter der der See oder das Reservoir des unermesslichen reicheren Mundartlichen sich abteuft.» (Aha!) Der junge aufstrebende Geschäftsmann Engelmann hatte mich seinerzeit dringend ersucht, eine Besprechung seines Schwankes zu liefern, auch ein Verriss sei ihm recht, nur einfach etwas von mir müsse es sein, so eine tüchtige Kontroverse würde der Sache Beine machen. Und, so sagte er noch vor der Uraufführung seines Stückleins, er habe Angst, dass sein opus II, welches er jetzt gleich zu schreiben beginnen wolle, nicht mehr so toll gerate wie «Die Hochzeitsfahrt».

      Ja, so sind die Zustände am Schauspielhaus.

      Nun muss man ihm wohl etwas antworten und die nette Widmung verdanken –

      Sehr geehrter Zappel-Philipp, handelt es sich um einen Knall i de Bire? Ich habe Ihr Stück aufmerksam gelesen, noch im ungebundenen Zustand, und habe Ihnen detailliert meine Kritik daran telefoniert. Ich fand es missglückt (das ist wohl meine Freiheit?). Dann habe ich es gesehen und fand es noch missglückter. Darauf habe ich mir die Freiheit herausgenommen, nichts darüber zu schreiben. Ihre Vermutung, «Andreas Simmen» sei ein Pseudonym für «Meienberg», ist nicht die intelligenteste. Wenn ich ein Pseudonym benutze, dann sicher nicht die echten Namen von WOZ-Redakteuren. Simmen ist, wie Sie vielleicht notieren mögen, ein exzellenter Kultur-Kritiker (vgl. seine Artikel zur südamerikanischen Literatur) und ein selbständig urteilender Mensch. Sie sind also auf dem falschen Dampfer und sollten den Gedanken, dass dieser N.M. alles manipuliert und fernlenkt, aus Ihrem Köpfchen verbannen. Es ist ein typischer NZZ-Gedanke. Mit zahlreichen Grüssen und Wünschen für einen frohen Lebensabend, Ihr N.M.

      Auch Herrn Pest A. Lozzi in Herrliberg habe ich veranlasst, einen Brief zu schreiben. Den schickte er allerdings nicht mir, sondern der «Zürichsee-Zeitung», und dort las ihn mein Cousin, der Kantonsrat G., und hat ihn mir geschickt. Dergestalt hat man wieder einmal Kontakt mit der Verwandtschaft! Lozzi, auch so ein Energiebündel wie Engelmann, soll identisch sein mit dem Hersteller des Kraftfutters BIOSTRATH, wovon er offensichtlich ein Kilo verschlungen hat, bevor er schrieb:

      Ärgerliche Tagesschau. – In den Abendnachrichten vom Mittwoch, 19.30 Uhr, brachte das Schweizer Fernsehen zum Abschluss des kurzen Manöverberichts eine einmalig schlechte Einlage, die vom Kamerateam wahrscheinlich als Gag gedacht war. Auf die gezielte Frage des Journalisten an den im Feld anwesenden Schriftsteller Niklaus Meienberg, weshalb er hier sei, meinte dieser, «er wolle noch einmal die Schweizer Armee sehen, bevor sie abgeschafft würde …». Eine Ohrfeige ins Gesicht all jener, die zur Zeit gern oder ungern und unter meist widrigen Umständen für unser Land ihre Bürgerpflicht erfüllen. Allen Wehrmännern sei hierfür gedankt. F. Pestalozzi, Herrliberg.

      Da ist er aber falsch orientiert, ganz falsch. Die Wehrmänner, welche damals in der Kaserne Kloten ihr Abendessen verzehrten, während die Tagesschau lief, haben sehr laut applaudiert und Freude gehabt, als sie jene Äusserung hörten. Das war eine richtige Freuden-Explosion, die konnten fast nicht mehr essen vor Freude. Allen Wehrmännern sei hierfür gedankt! Ich hab' ja auch nur meine Bürgerpflicht erfüllt und gern darauf hingewiesen, dass nun bald die Initiative zur Abschaffung der Armee vor das Volk komme und eben deshalb diese Maschine noch einmal besichtigt werden müsse. Diesen Zusammenhang hat der Kraftfutter-Fabrikant P. offensichtlich nicht ganz begriffen.

      Bisschen aufpassen das nächste Mal, Herr Biostrath!

      Lieber Niklaus. Du kennst mich bestimmt nicht, aber das ist das Schicksal aller Schriftsteller. Ich schreibe Dir eigentlich aus zwei Gründen:

      Als Leser hast Du mich schon so oft unterhalten und vergnügt oder auch nachdenklich gemacht, dass es an der Zeit ist, Dir das einmal dankend mitzuteilen, (…), und habe ich beschlossen, Dir dafür ein Exemplar meiner Diss zu widmen. Sie ist zwar im Gegensatz zu Deinen Produkten fast unlesbar und sie macht mit ihrem nackten Rücken auf jedem Büchergestell den denkbar schlechtesten Eindruck. Notfalls kann man sie aber immer noch als Notizbuch benutzen, halt von hinten nach vorne, umgekehrt in den Händen haltend. Ich hoffe, Du entschuldigst mein ungebetenes Eindringen in Deinen Briefkasten und bleibst weiterhin so tätig wie bisher! Alles Gute und freundliche Grüsse, Martin J.

      Nun, das ist keine einfache Lektüre, aber lohnend; man kann Chinesisch lernen: «Trapping der Cu-Be-Folien. Die Qualität der BeO-Oberflächen wurde durch Testbeschüsse mit 'He von 75 eV Energie und anschliessender massenspektrometrischer Mengenbestimmung überprüft. Die Beschussdaten und die Betriebsdaten des Massenspektrometers sind in Tabelle 2 angegeben. Als Extraktionsprogramm wurde das normale Einstufen-ExtraktionsprogrammIGE EX 1 bzw. IGE EX 2 mit einer Extraktionstemperatur von ca. 1650° C verwendet.» (Seite 9, 1.1.2). Da habe ich aber nun doch meine Bedenken wegen der Beschussdaten und möchte bezweifeln, dass hier das normale Einstufen-Extraktionsprogramm zu befriedigenden Resultaten führt, ich jedenfalls hätte da andersherum getrappt und auch die Temperatur um fünf Grad auf 1655° C erhöht, auch hätte ich das Schmelzing und Glühing der Cu-Be-Folien ganz ohne Testbeschüsse durchgeführt.

      Aber trotzdem ist diese INAUGURALDISSERTATION der philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde, vorgelegt von Martin J. von Dürrenroth/BE, ENTWICKLUNG VON METHODEN ZUR ANALYSE DER FOLIEN DER «INTERSTALLAR GAS EXPERIMENT», ist sie von der philosophischen-naturwissenschaftlichen Fakultät auf Antrag von Herrn Prof. Dr. J. Geiss angenommen worden, Bern, den 20. November 1986. Der Dekan: Prof. Dr. A. Ludi.

      Ob Ludi & Geiss da nicht ein bisschen voreilig, beinahe fahrlässig gehandelt haben? Aber in Bern ist ja nichts mehr wie früher, da wird sogar ein linker Hetzbruder wie Linder, der Politologe, welcher eigentlich auch schon lange hätte sein Schweizerbillet abgeben müssen, zum Professor ernannt.

      Als Briefkopf figuriert auf dem Schreiben von Martin J. ein bläulicher Pierrot lunaire, also ein Clown, der auf dem Halbmond sitzt, um dort vermutlich das INTERSTELLAR GAS EXMPERIMENT zu beobachten.

      Aus Bern kommt gleich darauf noch andere Post, direkt aus dem Ancien régime. Das ist hektographiert und also nicht persönlich gemeint, aber es ist trotzdem gut gemeint. Da steht ja auch ein Mensch dahinter, nämlich J.L. Steinacher von der «Schweizerischen Fernseh- und Radio-Vereinigung» (sog. Hofer-Club). Im Bulletin Nr. 23/86 steht u.a. geschrieben:

      Faschistoides bei Radio DRS. – Niederreissen und Verächtlichmachen des Parlamentarismus und seiner Formen – das war eine konstante, wesentliche Komponente faschistischer und national-sozialistischer Massenagitation. Mit dem Parlamentarismus habe die Demokratie eine «Spottgeburt aus Dreck und Feuer» geschaffen, schrieb Hitler schon 1924 in «Mein Kampf». (…) Den Parlamenten und ihren Handlungen gilt aber der grenzenlose Hass aller Demagogen, weil sie die direkte Umsetzung hoch geschürter Emotionen hindern. Daran (…) musste man am 10. Dezember ausgerechnet vom Jugendprogramm DRS3 erinnert werden.

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