Reportagen 1+2. Niklaus Meienberg

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Reportagen 1+2 - Niklaus Meienberg

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SJU-Mitglieder zustatten kommt, welche ja auch immer einsatzbereite, ernsthafte Journalisten sind, und so zahlt denn Ringier den SJU-Beitrag für seine SJU-Mitglieder aus dem eigenen Sack. Das ist ein Novum in der schweizerischen Unternehmensgeschichte, welches man, im Sinn und Geist des Arbeitsfriedens, ruhig auch auf die anderen Betriebe ausdehnen könnte. Das nannte man, zu Zeiten von Mao Tse-tung, die Aufhebung der Gegensätze im Schosse des Volkes oder die Versorgung aller Tassen im gleichen Schrank.

      Der gewerkschaftlichen und spirituellen Erfolge sind so viele, dass eine Aufzählung notgedrungen lückenhaft bleiben muss. Fast vergessen ist schon der Kampf auf dem ideologischen Terrain gegen die Beilegung einer Zeitschrift namens «Bonus 24», welches Schawinski-Produkt nicht wie geplant einmal pro Monat im ta eingewickelt geliefert wird, sondern, welche Notlösung, nun als Beilage der NZZ. Wie Altpräsident Karl «Biff» Biffiger es ausdrückte, wäre es pervers gewesen, dieses Blättchen, welches er als «Ozonloch des schweizerischen Journalismus» titulierte, einer seriösen, von der SJU beherrschten Zeitung periodisch beizulegen. Auch konnte eine Schawinski-Kolumne in der Tagi-Beilage «tv plus», welche die Geschäftsleitung, die sich an «Opus Radio» beteiligt, hatte ins Blatt knallen wollen, erfolgreich abgeschmettert werden. Wer die Kolumnen schreibe, bestimme nach wie vor die Redaktion, wurde von seiten der Red. geltend gemacht.

      Und schliesslich konnte die SJU-BG verhindern, dass der ebenso unfähige wie zackige Florian Heu der Zeitung als Unter-Boss vor die Nase gesetzt wurde. Man konnte dem Ober-Boss-Hächler dank wiederholtem gutem Zureden klarmachen, dass Florian Heu rein managementmässig, wegen seiner militärischen Troglodyten-Manieren, eine für die Firma unbekömmliche Fehlbesetzung sei. Hatte dieser Heu doch noch vorgestern gemeint, er könne die Redaktion wie eine Kompanie WK-Soldaten antreten lassen und ihnen eine sogenannte Sparübung verordnen, weil nämlich dieses im Geld buchstäblich schwimmende Profitblatt in den letzten zwei Monaten unbedeutende Einbussen im Stellen-Anzeiger hatte erleiden müssen. Und deshalb sollten nun augenblicklich, trotz gewaltigster Reserven auf der hohen Kante, 1,4 Millionen eingespart, 5 Stellen abgebaut werden (u.a. die Zentralamerika-Berichterstattung). Mit Hohngelächter wurde dieses Ansinnen von der SJU-durchwirkten Belegschaft quittiert, Gewerkschafts-Repressalien wurden stante pede in Aussicht gestellt; und schliesslich erzwang diese Einmischung in die eigenen Angelegenheiten den Respekt der obersten Leitung und eine Rückgängigmachung der unerspriesslichen Massnahmen, die ohne jede Anhörung der Gesamtredaktion verhängt worden waren.

      Abschliessend sei mir noch ein Wort zur Sprachkultur der SJU gestattet. Auch hier darf sich die Bilanz sehen lassen. Das mit der SJU aufs engste verknüpfte «klartext»-Magazin bemüht sich seit Jahren um das Vorexerzieren einer kreativen Beton-Sprache, etwa nach dem weiland Muster des hamburgischen «Spiegel», wie er vor 20 Jahren funktionierte, und hat damit schon recht viel Erfolg gehabt, indem nämlich dieses Sprachmuster gerade von der jungen Generation tapfer kopiert worden ist. Der «Spiegel» selbst schreibt heute nicht so spiegelhaft, hat andere Formen zugelassen, und darum ist das sprachliche Petrefakt des «klartext» erst recht reizvoll, es erinnert uns immer wieder neu an die Frühgeschichte des Magazinjournalismus.

      Ad multos annos, darf man also insgesamt und global wohl sagen. Die anarchistisch-ungebärdigen, basisdemokratischen, der Macht überall unerbittlich auf den Pelz rückenden, die Expronation der Expropriateure lustvoll betreibenden, lustig-umstürzlerischen und doch in disziplinierter Phalanx vorrückenden und statutenkonform wirkenden SJU-Belegschaften leben

      hoch – hoch – hoch.

      PS: Nach dieser am 6. Oktober abends im Empire-Festsaal des sog. Äusseren Standes in Bern gehaltenen Rede soll von seiten des SJU-Publikums allerhand Unmut laut geworden und darauf hingewiesen worden sein, dass die Betriebsgruppe des «Tages-Anzeigers» noch nie eine Streikdrohung formuliert habe und deshalb auch nie ein Editorial zugunsten der Armeeabschaffung erschienen sei, in Wirklichkeit. Und obwohl es zutreffe, dass Henry Hächler die ehemalige Kantine zu seinem Naherholungsgebiet umgebaut habe, sei dagegen nicht protestiert worden. (Keine Sauna-Benützung durch SJU-Mitglieder.) Auch sei nach der Entlassung des Kollegen Roland Kreuzer kein effizienter Druck auf die Geschäftsleitung ausgeübt und Kreuzer nicht wieder angestellt worden, in Wirklichkeit, und Rosemarie Waldner keineswegs in die Chefredaktion aufgenommen worden (statt dessen beschloss die Generalversammlung der SJU am Nachmittag des 6. Okt. die Schaffung einer Stelle für Frauenfragen; wenn der Arbeitgeber nicht zahlt, muss die Gewerkschaft zahlen). Das dümmlich-reisserische Schawinski-Heftchen «Bonus 24» werde, in Wirklichkeit, dem «Tages-Anzeiger» einmal pro Monat beigelegt, bei der NZZ wäre man nie auf dieses Niveau heruntergegangen, und die vom Verleger eingebrockte Kolumne des Schawinski habe auch nicht verhindert werden können, ebensowenig die Einsetzung des Herrn Heu samt Sparmassnahmen. Angesichts dieser Gravamina müsse jedoch in Anschlag gebracht werden, dass der «Verband des Personals der öffentlichen Dienste», also jene Dach-Gewerkschaft, der die SJU angeschlossen sei, eine etwaige kämpferische oder gar aufmüpfische Haltung der SJU keineswegs zu decken, geschweige denn zu ermuntern gesonnen sei und also die SJU, falls sie denn heftig aufzutreten gewillt wäre, auf keinerlei Unterstützung des grossen Bruders würde zählen können. Auf die Frage, warum man diesenfalls, als Linker, die beträchtlichen Mitgliederbeiträge der SJU nichtsdestotrotz zu entrichten bereit sei, wenn doch, in allen kapitalen Machtfragen, die Gewerkschaft den Schwanz einzuziehen sich bemüssigt fühle und nicht einmal der Inhalt der Zeitung, geschweige denn der Gang der Geschäfte auch nur im entferntesten beeinflusst werden könne, soll keine zufriedenstellende Antwort erteilt worden sein, obwohl doch immerhin, so wurde gesagt, ein psychologischer Gewinst insofern erzielt werden könne, als die vielen Sitzungen, ausserhalb der Geschäftszeit, ein Gefühl der Nähe zwischen den SJU-Mitgliedern durchaus begünstigen. Übrigens müsse auch berücksichtigt werden, dass man, als «Tages-Anzeiger»-Angestellter, so viele materielle Vorteile geniesse und soviel intellektuellen Komfort wie sonst selten irgendwo und selbstredend niemand seine handfesten Privilegien zugunsten etwa einer vermutlich doch nicht erfolgreich verlaufen könnenden Machtprobe mit der seltsamen, in völlig unjournalistischen Kategorien denkenden Geschäftsleitung aufs Spiel zu setzen gewillt sei.

      Der Unmut des Publikums richtete sich des weiteren gegen die, wie man behauptete, «Tages-Anzeiger»-Fixation des Festredners, der, wie verlautete, sich immer wieder zwanghaft-psychotisch an dieser Firma vergreifen müsse, worauf der Redner erwidert haben soll: Der «Tages-Anzeiger» bedeutet für ihn schon seit geraumer Zeit kein psychisches oder gar materielles Problem mehr, seelisch sei er jetzt in andern Nöten, sintemalen er von allen Seiten, auch aus dem deutschsprachigen Ausland, mit zahlreichen, kaum mehr zu bewältigenden Aufträgen von intellektuellster Seite eingedeckt oder zugedeckt sei, wohingegen das sozusagen objektive Machtproblem der SJU, die nur in einem einzigen grossen Betrieb, nämlich eben im «Tages-Anzeiger», über eine gewissermassen beherrschende Stellung verfüge, nach wie vor zu bestehen scheine; und ob er denn vielleicht die Problematik des gewerkschaftlichen Einflusses am Beispiel der NZZ, oder des «Wiler Tagblatts», oder des «Wynentaler Boten», hätte aufscheinen lassen sollen!

      Mut zur Feigheit

      Ein offener Brief an Salman Rushdie

      Sehr geehrter, sehr begehrter, lieber Salman Rushdie,

      fünf Jahre lang haben Sie an den «Satanischen Versen» geschrieben, etwa so lang wie Flaubert an seiner «Madame Bovary», sind also fünf Jahre lang in Klausur gegangen, weil Literatur nur in der Abgeschiedenheit entstehen kann (hin und wieder von ein paar Exzessen, Reisen, Freundschafts- und Liebesbezeugungen unterbrochen). Eine Tortur und eine Lust, Aufschwünge und Stockungen, diszipliniertes Phantasieren, phantastische Disziplin, die Verdichtung Ihrer Erfahrungen: Geschichte des indischen Films, Emigrationsgeschichte eines muslimischen Inders, von Bombay nach London und zurück, Traumsequenzen, die Chemiekatastrophe von Bhopal, Flugzeugentführung, der neu und frei interpretierte Koran als Fremdenführer im Labyrinth Ihrer kontrolliert wuchernden Erzählkunst (etwas allzu frei und neu, protestierten die Fundamentalisten), Humor und böser Realismus – ein von orientalischer Vitalität und Gescheitheit strotzender Schmöker.

      Wie schmeckt

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