Reportagen 1+2. Niklaus Meienberg

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Reportagen 1+2 - Niklaus Meienberg

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von Delegierten wählen zu lassen sich überlegt, um die Saalkosten noch weiter senken zu können. Hier dürfte durchaus noch weiter demokratisch rationalisiert werden im Sinne einer Ko-Optation des Vorstands oder der Wahl eines Präsidenten, oder, warum nicht, einer Präsidentin, auf Lebenszeit; Houphouët-Boigny von der Elfenbeinküste hat gute Erfahrungen damit gemacht, aber auch Erich Honecker. Hingegen wird man sich überlegen müssen, ob die Einführung des Zensus-Wahlrechts, wodurch die festangestellten Grossverdiener unter uns gegenüber den nicht-festangestellten Kirchenmäusen allzu deutlich bevorzugt werden, die richtige Lösung ist.

      Aber ganz abgesehen von diesen demokratischen Formalien können wir uns auch bez. unserer Personal-Politik oder Personen-Plazierung von berechtigter Dankbarkeit erfüllen lassen. Dank der Präsenzliste der Gründerversammlung der SJU wissen wir, dass allerlei Gattig am 10.10.1970 präsent war, nämlich ein ganzer Stall von trojanischen Pferdchen, welche damals schon ungeduldig scharrten, aber noch nicht wissen konnten, in welche Führungspositionen sie aufsteigen würden, so etwa Hugo Bü. Bütler, Frank Adalgott Meyer, Woldemar mui. Muischnek und Viktor mpf. Schlumpf, welche unterdessen die «Neue Zürcher Zeitung», die gesamte Ringier-Presse, das «Badener Tagblatt» und den «Tages-Anzeiger» auf SJU-Kurs gebracht haben. Das ist nicht bei jedem von diesen auf den ersten Blick ersichtlich, aber wer genauer liest, merkt die Raffinesse, zugleich aber auch die eminente Selbstverleugnung dieser alten militanten Garde der SJU. Hugo Bü. Bütler etwa, von Hause aus ein glänzender Stilist, legt seiner schriftstellerischen Kapazität ständig Zügel an und schreibt extra so garstig, dass man bei seinen Editorials nicht über die ersten Linien hinauskommt und verwirrt innehält und dadurch bei den NZZ-Lesern eine ernste Sinnkrise und Abbestellungen hervorgerufen werden, wodurch der Freisinn deutlich geschädigt wird, worüber sich die SJU nur freuen kann. Frank Arthur Alkuin Andy Anton Adalgott Ansgar Archibald Meyer seinerseits schädigt den aufgeblähten Ringier-Konzern, indem er diabolisch, wie er ist und war, ein falsches Konzept für die «Schweizer Illustrierte» ausheckt, welches Inserate- und Auflagenschwund zur Folge hat, wodurch die interessanten SI-Journalisten zum Auszug gezwungen werden und sich als Freie erst recht entfalten können, während Woldemar mutsch. Muischnek im «Badener Tagblatt» den Rechtsestremuismus derart übertreibt, dass dieser sich selbst lächerlich macht und ad absurdum führt und sogar seinem Verleger Otto Wanner nach der Lektüre der Muischnekschen Artikel der Schädel in der unverschämtesten Weise brummt. Diese Kollegen, obwohl Teilnehmer der Gründungsversammlung von 1970,sind formell nie Mitglied der SJU geworden, um als Partisanen desto hinterlistiger eingreifen zu können, und es gebührt ihnen jetzt endlich einmal ein öffentlicher Dank. (Applaus, Applaus)

      Denn um wieviel einfacher ist es, sich wie ein Frischknecht, ein Wespe, ein Ramseyer oder ein Meienburg von der organischen, d.h. linken Umgebung applaudieren zu lassen, als eben wie ein Bü., fam oder mui. von den bürgerlichen Kollegen mit Befremden betrachtet und von den eigentlichen Gesinnungsgenossen öffentlich befehdet zu werden! Also überall fremd zu sein, schliesslich auch in der eigenen Haut! Und trotzdem durchzuhalten, zwei geschlagene Jahrzehnte lang!

      Nun zu Viktor mpf. Schlumpf. Sein Fall ist komplizierter, kann er doch im allgemeinen ziemlich offen agieren, weil er dabei von einer bedeutenden SJU-Betriebsgruppe des «Tages-Anzeigers» unterstützt wird, bekanntlich sind über fünfzig Prozent der dortigen Belegschaft im SJU organisiert. Und gerade dieses macht Schlumpfens Situation prekär, denn die Geschäftsleitung soll nicht merken, dass er die Speerspitze der betrieblichen SJU ist, und so schreibt er also z.B. contrecœur und la mort à l'âme vor der Armeeabschaffungsabstimmung einen Leitartikel für die Armee und unterdrückt jede andere Meinungsäusserung, aber natürlich mit dem Hintergedanken, auf diese Weise einen rabiaten Protest der SJU-Betriebsgruppe zu provozieren, welcher dann bekanntlich zur Folge hatte, dass im «Tages-Anzeiger» doch noch ein geharnischtes Editorial zugunsten der Armeeabschaffung erscheinen konnte, am 31. November 1989. Auf diese Weise fanden die mentalen Mehrheitsverhältnisse in der Redaktion endlich ihren gebührenden Ausdruck in der Öffentlichkeit. Die SJU-Betriebsgruppe hatte, um dieses zu bewerkstelligen, im Bewusstsein ihrer Stärke kurzentschlossen eine Streikdrohung formuliert für den Fall, dass dieses ihr Editorial nicht hätte erscheinen können, und die Lahmlegung aller Textverarbeitungsmaschinen angedroht durch Herbeiführung von Kurzschlüssen via Überbeanspruchung, und tatsächlich war es für die Geschäftsleitung ein Ding der Unmöglichkeit, in so kurzbemessener Frist mehr als fünfzig Prozent der Belegschaft auszusperren und Ersatzleute zu engagieren. Es war denn auch ein seltenes Gefühl für den Aussen-, aber auch für den Innenstehenden, als die Tagi-Belegschaft prophylaktisch sich mit Thermosflaschen, Wolldecken und Feldbetten in ihren Büros niederliess, um, falls der Streik nicht nur hätte angedroht, sondern auch verwirklicht werden müssen, jeden potentiellen Streikbrecher abzuschrecken. Da kam der Belegschaft einmal richtig zum Bewusstsein, dass dieses Zeitungs-Produkt nicht ohne sie, aber sehr wohl ohne die Herren Futschknecht, Florian Heu und Heinrich Napoleon Hächler hergestellt werden kann. Als kleinlicher Racheakt von seiten des Vorsitzenden Hächler wurde es dann allerdings empfunden, dass dieser letztere darauf die ganze Kantine des «Tages-Anzeigers» für sich beanspruchte und eine Mehrzweckhalle für den eigenen Gebrauch daraus herrichten liess mit marmorverkleideter Sauna, teuersten Design-Möbeln und schickester Einrichtung, und konnte diese Selbstherrlichkeit nur insofern gemildert werden, als nach energischen Demarchen des SJU-Politbüros eine sonntagnachmittägliche Benutzung der Sauna durch den SJU-Vorstand in allen Monaten ohne R (Mai, Juni, Juli, August) zugestanden wurde; allerdings nur an jenen Sonntagen, da Heinrich Hächlers Sohn, der bekannte Sozialarbeiter, welcher von seinem Vater zweckentfremdet und in den Betrieb gehievt wurde, die Sauna nicht seinerseits beansprucht, nachdem er bereits über den Plänen für das neue Druckzentrum erfolglos geschwitzt hat.

      In aller Erinnerung ist auch noch, schon wieder Anlass zum Jubilieren, der erfolgreiche Einsatz der SJU-Betriebsgruppe für den Drucker-Kollegen Roland Kreuzer, welcher ohne jeden triftigen Grund von Herrn Feitknecht aus dem Betrieb entfernt worden war, in Missachtung aller traditionellen Gewerkschaftsrechte. Hier zeigte sich Solidarität über die professionellen Schranken hinweg, man überschritt die Grenzen eines engen Korporatismus, getreu der Plattform von 1975, ich zitiere aus der französischen Version: «L'Union Suisse des journalistes se sent solidaire de tous les salariés et s'engage avant tout à instaurer une collaboration entre tous les travailleurs au niveau de l'entreprise.» Eine blitzschnelle Unterschriftensammlung samt Streikdrohung hatte zur Folge, dass Henry Napoleon Hächler I., der nicht dumm ist, seinen Untergebenen Feitknecht, der es ist, zurückpfiff und Roland Kreuzer in allen Ehren wieder eingestellt wurde. Der Verweis, welchen der damalige Chefredaktor Peter Studer einem Unterschriftensammler hatte gemeint erteilen zu müssen, fiel auf diesen ersteren zurück und bewirkte schliesslich, dass Studer, nach erzwungener Annullierung eben dieses Verweises, den Finkenstrich nahm und Richtung Fernsehen verzischte.

      Von ähnlichen Erfolgen war der Kampf für den Einsitz mindestens einer Frau in der Chefredaktion gekrönt, ein Anliegen, das sich von selbst versteht und längst hätte realisiert werden müssen. Nachdem man sich in langen Palavern zwischen oben und unten auf die Person von Rosemarie Waldner, als Nachfolgerin von Mäni LaRoche, geeinigt hatte, wollte die Geschäftsführung in letzter Minute, Sparmassnahmen vorschützend, die Erneuerung abblocken und die Stelle von LaRoche vakant bleiben lassen. Die Wut und der Aufruhr, welchem sich sogar der grössere Teil der SJU-Mitglieder (Verein der Schweizer Journalisten, konservativ) anschlossen, und die Kündigungsdrohungen von ca. drei Dutzend der tüchtigsten Journalisten und Journalistinnen sowie die Drohung, geschlossen mit diesem Skandal an die Öffentlichkeit zu gelangen, bewirkten dann eine Sinnesänderung der Geschäftsleitung, so dass Rosemarie Waldner nun wie geplant auf den ersten Januar 1991 in die Chefredaktion aufgenommen werden wird.

      Das richtig verstandene Unternehmer-Interesse (denn ohne Frau in der Chefredaktion hätte sich der Betrieb als Ganzes blamiert) kann also durchaus koinzidieren mit dem Angestellten-Interesse, besonders wenn man, wie es die SJU 1989 getan hat, in einer sogenannten Protokollerklärung ein überschwengliches Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft abgelegt hat (von der wir ja alle profitieren, mit oder ohne Sauna), damit man vom Schweizerischen Zeitungsverlegerverband als Partner anerkannt wird. Zugleich hat die SJU auch versprochen, keine Sympathiestreiks durchzuführen – was aber gar nie nötig war, weil die Streikdrohungen, wie die

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