Die Gärten der Medusa. Dieter Bachmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Gärten der Medusa - Dieter Bachmann страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Gärten der Medusa - Dieter Bachmann

Скачать книгу

würde.

      Er sei sonst nicht so, sagte Borbakis. Aber bei diesem Aufenthalt habe er nur kurze Ausfälle hinunter in die nahe Ameisenstadt gemacht.

      Er sagte Ameisenstadt.

      Er habe sich in den Menschen-, Auto- und Tierverkehr gemischt, dann, ziellos gehend, einen Park besucht, in dem in einem Pavillon grellbunt bemalte Götterstatuen gestanden hätten. In einer Reihe merkwürdigerweise, wie Schießbudenfiguren.

      Er habe dort einer Passantin mit einem Kind, Großmutter und Enkel vielleicht, zugelächelt. Um nur gleich wieder auf seinen Hügel zurückzukehren. In die Maharadscha-Burg. Warum bloß hatte er diese zusätzliche Woche gebucht?

      Borbakis verlangte die Rechnung, er rief das Wort in den Raum, ohne sich umzusehen. Als Pascal ihm das gefaltete Papier hinlegte, schob er es zu Wild herüber.

      Machen wir doch halbe-halbe, sagte er.

      Er hatte die Sellerierahmsuppe mit Kerbel, das Kalbssteak mit Rösti und einen gemischten Salat gehabt, Wild eine halbe Portion Pasta und grünen Salat. Den Wein hatte Borbakis bestellt, obwohl Wild ihn ins «Eichhörnli» gebracht hatte.

      Die Dicken essen immer auf Kosten der Dünneren. Die Dicken fliegen zum gleichen Preis wie die Dünnen. Auch für die Krankenkasse, die die Dicken dann brauchen, zahlen die Dünnen, die sie nicht in Anspruch nehmen. Wild legte einen Fünfziger hin, Borbakis legte mit bedeutender Gebärde dreißig dazu.

      Das «Eichhörnli» machte zu. Pascal kann es jeweils nicht erwarten, bis der letzte Gast gegangen ist. Er führt sein Quartierlokal wie eines dieser Sterne-Etablissements, in denen man sich nach dem letzten Bissen den Mund abwischt, aufsteht, sich vor dem Wirt verbeugt, dem Koch gratuliert und geht.

      Es war kaum halb drei, eigentlich Viertel nach zwei. Sie gingen durch die Scheitergasse über die Magnusstraße zur Helmutstraße und die paar Schritte zum Park. Saßen in der Grünanlage. Es war ihre. Sie waren Quartierbewohner, und Schweizer, na ja, Borbakis ein bisschen weniger.

      Die drei Bronzepferde hoben ihre Vorderhufe. Sie saßen in dem Park, in dem die Stadt das Restaurant mit Tischen und Bänken im Freien eingerichtet hatte, ein Akt der Stadtsanierung, nachdem es im alten Pavillon jede Nacht gebrannt hatte. Junkies, Drogenhändler, Alkoholiker jede Menge. Wild erinnerte sich an ein rauchgeschwärztes Gusseisengerippe aus der Gründerzeit, ein Monument sinnloser Auflehnung. Oder Auflehnung gegen die Sinnlosigkeit?

      Nun war alles proper, benutzerfreundlich. Vorbei die Zeit der Platzkonzerte.

      Nachts sah man jetzt junge Menschen in der erleuchteten Helle des nüchternen Pavillons zusammensitzen, sah sie und hörte nichts, wie auf den Bildern von Edward Hopper. Der Lärm war wegsaniert.

      Inzwischen waren alle jung geworden. Solche Leute wie sie beide, dachte Wild, wurden rücksichtslos an den Rand gealtert.

      Der Park und seine Anlagen waren nun clean, wie man hier sagte. Nur am Rand und auch nur tagsüber lagerten auf den Bänken noch ein paar letzte Säufer vor dem hundeverpissten Lebhag, Buchsbaum, der aussah, als wäre er tausend Jahre alt. Letzte Raucher mit ihren ewigen Plastiktüten, ihren Bierbüchsen.

      Die jungen Frauen schoben ihren Kinderwagen an ihnen vorbei, als säßen die schon nicht mehr da.

      Borbakis Gesicht, zugewachsen hinter seinem Bart. Wir gehören zur Generation, die hinüber ist, dachte Wild, die jungen Männer vor Augen, ihre Kuriertasche schräg umgehängt, die Kuriertasche der fliegenden Boten, die sie auch beim Bier nicht ablegten. Ein Firmenname stand darauf, bei allen der gleiche: Freitag.

      Ich glaube, sagte Wild, sie trauen sich ohne ihren Computer nicht mehr ins Freie.

      Auf dem Fahrrad wehte die Tasche hinter ihnen her.

      Alles Freitage, sagte er, clean, proper, tüchtig. Ein bisschen Hasch, aber nicht zu viel. Viel Zeit für die Kinder. Mäßig im Alkohol. Schlafen auf flachen Matratzen am Boden. Foutonglück. Fluchen nicht.

      Ich wäre lieber Robinson gewesen.

      Die einsame Insel ist natürlich Kitsch, sagte Wild, aber so einen Saum um sich herum, ein bisschen Meer, das den einen von den andern trennt, dürfte man schon verlangen.

      Wild hatte an Einsamkeit gedacht, Borbakis sah sich auf einer solchen Insel gleich mit einer Schönen.

      Esther, sagte er, die Esther. Sie sei seine Zahnärztin gewesen, etwa gleich alt wie er. Von ihr sei, wenn sie sich mit dem Bohrer über ihn beugte, eine Wärme ausgegangen, so etwas wie eine Strahlung, unglaublich. Er habe nur noch angebohrt werden wollen von ihr. Sei trällernd in ihre Praxis gegangen, habe alles an den Zähnen machen lassen, was möglich war.

      Er meckerte.

      Ich hatte immer eine Begabung zum Musterpatienten, sagte Borbakis, als sei das ein Verdienst. Er wollte in allem etwas Besonderes sein, trug sein Gran des Fremden wie eine Monstranz vor sich her.

      Wir trafen uns nach der Behandlung bei einem Asiaten, sagte er, um die Ecke, im Shanghai. Bier her!, die Losung. Erst ein schäumendes Tsingtao gegen die langsam nachlassende Anästhesie, dann das scharfe Essen und die klein geschnittene Ware, das habe sich ideal mit der Rückkehr zum gewohnten Biss ergänzt. Am Ende des Essens sei er zugleich gesättigt und wieder auf dem Damm gewesen.

      Übrigens sollte man endlich eine Pille erfinden, sagte Bor­bakis, die einem das Gefühl des ersten Schlucks Bier an einem Tag vermittelt, den ersten Schluck und immer wieder nur den.

      Einmal gingen wir abends aus …

      Borbakis schaute Wild zweifelnd an, als ob er es sich überlegen würde, ob der solcher Mitteilungen überhaupt würdig sei. Als er sich entschloss, weiterzufahren, war das gewiss nur deshalb, weil er im Augenblick keinen besseren Zuhörer hatte.

      Borbakis schaute zum Fenster hin, auf die halbhohen Spitzenvorhänge, die davorhingen.

      Ich durfte bei ihr schlafen, sagte er, als ob er es sich nur gewünscht hatte; sie ließ mich in ihr Bett, und ich lag eng an ihrem Rücken, und ich spürte diese wahnsinnige Wärme.

      Einmal tanzten wir in einem kleinen Lokal, wie ineinander verwachsen, zwei Bäume, die zusammen in die Ewigkeit wollen. Sie war Esther, und sie wollte, dass ich sie verführte.

      Es war eine kurze Zeit. Ich war nicht wirklich verfügbar. Und nur ein Abenteuer sein, das wollte sie nicht. An dem Abend, bevor wir uns trennten, sagte sie: Du bist ein Arschloch. Mit uns wäre es gegangen. Sie konnte sehr klar sein, sehr trocken.

      Es sei merkwürdigerweise diese Hitze gewesen, die von ihrem Rücken ausging wie von einer Wärmelampe, an die er sich später am deutlichsten erinnert habe.

      Da saßen sie nun. Es war ihr Park. Ihre Grünfläche. Ihre Bronzepferde. Sie waren großzügig, kleine Kinder durften auf ihrem Rasen spielen.

      Drüben am Lebhag noch die paar Restalkoholiker.

      Die Liebe, ach ja. Wild erzählte nie von solchen Dingen. Da schwieg er ganz hörbar. Zu zart, zu schwierig.

      Ihm waren die Männer zuwider, die ihn mitnehmen wollten in ihre Intimitäten, zwischen ihre Geschlechtsteile und die ihrer Opfer. Habe die aber wohl immer schon angezogen, dachte Wild.

      Er sah im

Скачать книгу