Grundeinkommen von A bis Z. Christian Müller
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Wie kommt das Neue in die Welt? Das war eine Frage in der Stiftung. Das Bedingungslose schafft einen freien Raum, in dem das Neue in die Welt kommen kann. Was war nun das Neue? Einige der Geförderten machten das weiter, was sie vorher gemacht hatten. Aber – sagten sie: besser. Weil so ein bedingungsloser Betrag nicht nur Geld ist, sondern einen besonderen Zuspruch transportiert: eine «Wärmequalität». Manche der Geförderten gingen auf die Bedingungslosigkeit gar nicht ein. Sie nahmen das Geld als Erleichterung dankend an.
Schenken ist bedingungslos, wenn es Schenken ist, dann gibt man bedingungslos.
Dass man nicht einfach etwas schenken kann, das denken viele. Dass man sehen kann, ist geschenkt. Die Augen sind geschenkt. Dass man denken und empfinden kann, ist geschenkt. Das Schenken der Natur ist ein anderes als das Schenken bei Menschen. Bei Menschen ist es eine individuelle Beziehung.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Geschenk. Es ist für alle aus einer allgemeinen gesellschaftlichen Übereinstimmung. Es bezieht sich auf die Lebensgrundlage. Es ist eine gesetzliche Regelung zu einem Zweck. Der Mensch ist nicht ein Mittel für etwas, sondern er selbst ist der Zweck. Er ist das, worum es geht. Von ihm geht es aus, und zu ihm geht es hin. Ein Grundeinkommen kann eine Voraussetzung bilden, nicht ein Ergebnis.
Ein Recht auf das Bedingungslose?
Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Schenken, aber es enthält einen Aspekt davon. Es ist kein individueller Vorgang zwischen Zweien. Es garantiert die Lebensgrundlage aus demokratischer Übereinkunft. Das heißt, es ist ein demokratisch-rechtliches Einkommen. Es geht in die Richtung eines «sozialen oder wirtschaftlichen Bürgerrechtes», wie es Prof. Peter Ulrich sagt, emeritierter Ordinarius für Wirtschaftsethik an der Universität in St. Gallen. Ein Recht auf ein Einkommen, ja. Aber darauf, dass es bedingungslos ist? Ein Recht auf Freiheit? Kann es das in der Form für alle gleich und ohne Ansehen der Person geben?
Wenn man etwas bedingungslos gibt, sagen einige Kritiker, dann muss ein persönlicher direkter Zusammenhang da sein. Ein bedingungsloser Einkommensbetrag ist ein Eingriff in die Biografie. Dadurch ändern sich die Bezüge und die Lebenssituation eines Menschen. Das ist verantwortungslos, wenn es nicht eingebettet ist in ein persönliches Verhältnis und eine persönliche Begleitung.
Ohne es so zu nennen, ist das auch die Kritik der vielen, die fürchten, dass dann viele nicht mehr arbeiten. Man kennt die Leute ja nicht und man müsste ein Grundeinkommen auch denen gönnen, von denen man gar nichts hält. Bedingungslosigkeit setzt Vertrauen voraus. Das kann man nicht allen geben. In der allgemeinen Ordnung braucht es Rechte und Pflichten, die das Verhalten regeln. Etwas derart Bedingungsloses ist da ein Sprengsatz.
Care-Arbeit
Das bedingungslose Grundeinkommen polarisiert Feministinnen und Gleichstellungsbefürworter: Die einen fürchten das Grundeinkommen als Quasilohn der Care-Arbeit und verbinden damit die Rückkehr zu alten Rollenbildern. Die anderen sehen das Grundeinkommen als Fortschritt auf dem Weg zur Gleichstellung. Dabei wird übersehen, dass ein Grundeinkommen keine Lösung für irgendein bestimmtes Problem ist.
Care-Arbeit heißt Sorgearbeit und meint Hausarbeit, häusliche Pflege und Betreuung von Kindern, von kranken und betagten Menschen. Diese Arbeit, bei der sich Menschen um Menschen kümmern, macht in der Schweiz laut Berechnungen der Schweizer Ökonomin Mascha Madörin mehr Arbeitsstunden aus als die Erwerbsarbeit. Care-Arbeit wird zum größten Teil von Frauen geleistet, und sie ist zum größten Teil unbezahlt. Care-Arbeit macht den bezahlten Arbeitsanteil in der Gesellschaft, die Erwerbsarbeit, erst möglich. Sie ist der unbezahlte Teil der Wirtschaft. Allerdings wird sie von denen, die sich für ihren wirtschaftlichen Erfolg loben, oft ignoriert.
Es ist skurril: Care-Arbeit macht mehr als die Hälfte des notwendigen Arbeitsvolumens in der Gesellschaft aus und wird nicht gesehen, wenn über Arbeit debattiert wird. Sie wird auch übersehen, wenn über fehlende Arbeitsanreize bei einem Grundeinkommen spekuliert wird. Sie ist Arbeit um des anderen Menschen willen. Heilende Arbeit, bildende Arbeit, seelische, erzieherische Arbeit. Ohne sie wird niemand groß, die «Arbeitskräfte» kommen nicht aus dem Nichts. Mit der Diskussion um das Grundeinkommen ist diese Arbeit vermehrt in den Blick geraten, sichtbarer geworden, da ja – vereinfacht – auch Hausfrau oder Hausmann ein Grundeinkommen erhielten. Aber die möglichen Folgen sind umstritten.
Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung?
«Wir müssen Care-Arbeit auf andere Weise ermöglichen, als diejenigen Menschen, die sie erledigen, mit dem Existenzminimum abzuspeisen. Und genau das ist der Fall, wenn das Grundeinkommen als Ermöglichung von häuslicher Care-Arbeit betrachtet wird», sagt die Innovatorin Nadja Schnetzler aus Biel. «Die Sorge vieler Feministinnen ist, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen auch ein Rückschritt sein könnte, weil die Gefahr besteht, dass es als Quasilohn für häusliche Care-Arbeit angesehen wird. Frauen haben sich Gleichberechtigung und Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts hart erkämpft. Männer legen bis heute im Beruf einen viel größeren Wert auf Status und Einkommen, während es Frauen vor allem wichtig ist, dass sie etwas tun, was für sie und für andere sinnvoll ist. (…) Männer entscheiden sich aus diesem Grund wesentlich seltener als Frauen dafür, ihre Erwerbsarbeit aufzugeben oder zu reduzieren, wenn es zum Beispiel notwendig wird, für Kinder, die älter werdenden Eltern oder Schwiegereltern zu sorgen», so Nadja Schnetzler. «Frauen würden mehrheitlich das tun, was zu tun ist, und sich mit dem Grundeinkommen zufriedengeben, während Männer Status und Verdienst folgen. (…) Ein Grundeinkommen könnte zu einer Zweiklassengesellschaft führen, weil es das Dilemma nicht aufhebt, dass Menschen sich zwischen Geld, Karriere und öffentlichem Einfluss auf der einen und Sorgearbeit auf der anderen Seite zu entscheiden haben.»
So kann es betrachtet werden. Das bedingungslose Grundeinkommen ist tatsächlich keine Lösung für irgendein bestimmtes Problem, auch nicht für die mangelnde Gleichberechtigung. Es schafft mehr Möglichkeiten; wie sie genutzt werden, entscheiden die Menschen. Probleme, die unter den alten Bedingungen unter der Oberfläche blieben, könnten sichtbar werden durch die veränderten Grundbedingungen. Das Grundeinkommen ist keine Bezahlung, auch keine Bezahlung für Care-Arbeit. Aber was würden die neuen Bedingungen verändern?
Eine «Herdprämie»?
«Stellen Sie sich vor, was es kosten würde, wenn wir alle Hilfe für Betagte, Kranke, Behinderte und junge Menschen mit Löhnen bezahlen müssten», sagte die Ständerätin Anita Fetz aus Basel in der Parlamentsdebatte über das bedingungslose Grundeinkommen.
Wieso verdient ein Banker mehr als jemand, der in häuslicher Pflege für einen kranken Menschen da ist? Letzterer leistet vielleicht mehr. Leistung muss sich lohnen? Immerzu bezogen auf leistungsgerechte Bezahlung? Ist diese immer wiederholte Forderung blind oder zynisch? «Vielleicht ist den meisten Männern die Relevanz jener eher unsichtbaren Seite der Ökonomie, die sich nicht im Bruttosozialprodukt und nicht in der Steuerpolitik niederschlägt, sondern im sogenannten Privaten stattfindet, nicht bewusst», meint Nadja Schnetzler.
Leben wir heute in dieser Zweiklassengesellschaft? Das ist die Aussage. Haben Frauen sich Gleichberechtigung und Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt nur mit der Not einer zu knappen Haushaltskasse erkämpfen können? Ist das der Gedanke bei der Angst, ein Grundeinkommen könne als «Herdprämie» wirken? Weil der Mann dann sagen könnte: Du bleibst jetzt zu Hause, musst nicht mehr für