Kommunikationswissenschaft. Wolfgang Sucharowski

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kommunikationswissenschaft - Wolfgang Sucharowski страница 9

Kommunikationswissenschaft - Wolfgang Sucharowski bachelor-wissen

Скачать книгу

existieren.

      Hörsaal aus der Dozentenperspektive

      Wer zum ersten Mal einen Hörsaal betritt, findet alles Mögliche darin vor: Bänke und dazu gehörende Schreibflächen, einen Anstieg der Sitzreihen, eine breite Tafelwand vorne, links und rechts weiße Flächen für visuelle Präsentationen, an den Wänden Tafeln mit Schriftzeichen, Zeichen für Fluchtwege, Haken für Mäntel, leere Flaschen und liegen gelassene Papiere und anderes mehr. Das alles sind strukturelle Daten, die sich für ein Lebewesen wie einen Hund völlig anders als für einen Menschen darstellen würden. Wird der Raum vom Putzdienst aufgesucht, spielen leere Flaschen und weggeworfene Papiere eine andere Rolle als für Besucher, die am Tag der offenen Tür in den Hörsaal schauen.

      Hörsaal aus der Studentenperspektive

      Lehrende und Studenten sehen diese Dinge unter Umständen gar nicht. Was in einem solchen Raum Bedeutung erlangt und welche Bedeutung es erlangt, hängt also davon ab, was derjenige, der den Raum wahrnimmt, mit ihm machen möchte bzw. wofür er ihn nutzen will. Erst wenn eine Vorstellung über die Nutzung vorhanden ist, können die vorgefundenen Daten näher bestimmt und verstanden werden, und es lassen sich ihnen Eigenschaften zuweisen, aufgrund derer sie dann als Bankreihe und Wandtafel erkannt und benannt werden können, wenn die Vorstellung Hörsaal die Wahrnehmung ordnet. Aus strukturellen werden die relevanten Daten.

      Besuch auf einer Werft – ein Beispiel

      Wir sind im Alltag gewohnt, unbewusst und spontan auf Umgebungen zu reagieren. Zu Orientierungshandlungen kommt es erst dann, wenn sich die Umgebung mit den gewohnten Erwartungen nicht fassen lässt. Wir besichtigen eine Werft und werden in einen Schiffsrohbau geführt. Da sind wir von Metallplatten umgeben, die auf einzelne von uns wie bizarre Raumgebilde wirken, da fühlen wir uns verwirrt von Stiegen in höher gelegene Plateaus, die große runde Löcher enthalten. Jeder ordnet das, was er sieht, individuell. Der eine spricht von einem Schrottplatz, auf dem er sich befindet, der andere fühlt sich wie bei der Begehung einer modernen Skulptur, und wieder ein anderer sagt, er kenne sich überhaupt nicht aus und habe komplett die Orientierung verloren. Erst als uns der bauleitende Ingenieur erklärt, wir befänden uns im Bug-Teil des künftigen Schiffes, können wir den Formen und Flächen Eigenschaften zuweisen, die sie als Bug erkennbar machen. Das runde Loch wird als Öffnung nachvollziehbar, aus der die Ankerkette heruntergelassen wird. Bestimmte Bauteile lassen sich als Reling vermuten. Der uns angebotene Bezugshintergrund erlaubt es nun, den Daten Funktionen zuzuweisen.

      Solche Bezugshintergründe ermöglichen das Verstehen unserer Umgebungen und das gilt nicht nur in physikalischer Hinsicht. Durch weitere Hinweise des Ingenieurs werden wir plötzlich fündig. Er macht uns nämlich auf kleine Markierungen an bestimmten Stellen der Platten aufmerksam, die bisher als Rostflecken oder Verschmutzung wahrgenommen worden waren. Die Platten werden nicht nur als Bauteile eines Schiffes erkennbar, sondern sie werden mit einem Mal „lesbar“; auch wenn wir das, was dort steht, nicht verstehen, so erkennen wir doch, dass es sich um Mitteilungen handelt, die von den Schweißern, wie uns der Bauleiter erklärt, als Anweisungen verstanden und insofern kommunikativ benutzt werden. Dieses Wissen eröffnet die Möglichkeit, etwas als kommunikativ nutzbare Daten von anderen Daten zu unterscheiden. Die Schweißer müssen die Daten als Markierung auf den Metallplatten erkennen und können sie deuten. Eine Vorbedingung für kommunikatives Handeln ist das Erkennen von Daten, die kommunikativ genutzt werden sollen.

      DatenDatenDaten nennen wir bis auf Weiteres alles, was in der Umwelt von einer Person selektiv wahrgenommen und zu einem bestimmten Zweck kognitiv verarbeitet wird. Um mehr über die Daten zu erfahren, ist daher grundsätzlich zu fragen, welche Bedingungen für solche Daten gelten, die kommunikativ verwendet werden sollen. Denn an der Episode in der Werft ist deutlich geworden: Daten müssen sich von anderen abheben, um überhaupt in das Aufmerksamkeitsfeld der Beteiligten treten zu können. Sie tun das nicht aus sich heraus, sondern erst dann, wenn wir ihnen einen Funktionszusammenhang zuordnen können, d.h. wenn es einen Bezugshintergrund gibt, der sie für uns sichtbar und dann verarbeitbar macht.Kontext Dieser Vorgang wird intuitiv nachvollziehbar, wenn wir an sog. Vexierbilder denken, auf denen wir nicht ohne weiteres eine Figur erkennen und erst verschiedene Annahmen ausprobieren müssen, bis wir etwas gefunden haben, was als „ein Bild“ identifiziert wird, in dem sich die Einzelelemente aufgrund eines umfassenden Ganzen her verstehen lassen.

      Vexierbild: Charles Allan Gilbert: All is vanity

      Alles, was uns umgibt, kann daher zu relevanten Daten werden, wenn wir zu ihnen eine Position beziehen können und eine Einstellung ihnen gegenüber entwickeln. Solange diese unbestimmt bleiben, sprechen wir von strukturellen Daten. Diese existieren, ihnen sind jedoch noch keine Eigenschaften zugewiesen worden bzw. sie haben noch keine Funktion für uns. Um das Beispiel der Vexierbilder noch einmal aufzugreifen: Wir sehen auf einem Blatt viele graphische Elemente, Striche, schwarze Flecken, können sie aber nicht oder noch nicht weiterführend deuten. Wenn uns nun gesagt wird, es sei ein Spiegel abgebildet, suchen wir nach einer dafür geeigneten Gestalt.

      Das setzt voraus, dass uns Deutungshilfen verfügbar sind, durch welche im Wahrgenommenen das Gemeinsame und zugleich davon Unterscheidbare gesehen werden kann. Aus den verschiedenen graphischen Elementen erkenne ich eine Gestalt. Die Geräusche und das Stimmengewirr in einer Straßenbahn hindern nicht, das „Guten Morgen“ eines Arbeitskollegen zu erkennen, weil beide gemeinsam am Morgen zur Arbeit fahren.

      Wir sind ständig zum Handeln herausgefordert und können eigentlich gar nicht anders, als stets das, was uns umgibt, sofort „aufzuräumen“, ohne uns dessen bewusst zu sein, was wir genau tun. Dies wird immer wieder zum Problem unserer Alltagskommunikation werden, weil wir uns sehr schwer tun, anders zu denken, als wir es gewohnt sind. Eigentlich müssten wir immer auch die Möglichkeit des Anders-Denkens im Blick behalten, wenn wir mit einem Anderen kommunizieren. Denn er kann ja nur mit uns kommunikativ im Kontakt bleiben, wenn er mit der Umwelt so umgeht wie wir. In der Regel begnügen wir uns aber mit der Annahme, der Andere denke schon wie wir.

      Erklärung

      Um Kommunikation verorten zu können, brauchen die Akteure Daten aus ihrer Umwelt. Diese werden für sie räumlich und sozial sichtbar. Wollen sie miteinander kommunizieren, setzt das ein Gegenüber voraus, das möglichst auf dieselben Daten zugreift, wenn diese angesprochen werden, und sie auf eine möglichst ähnliche Weise sieht und verarbeitet. Je größer die Ähnlichkeit der Sichtweise und der Bearbeitung dieser Daten ist, umso wahrscheinlicher wird eine Kommunikation zwischen den Anwesenden und die Chance wächst, miteinander über dasselbe reden zu können.

      Kommunikation setzt Ordnung voraus

      Dinge, die wir tun, sind niemals völlig identisch, wenn wir sie wiederholen. Typisch dafür ist die gesprochene Sprache. Ein und derselbe Satz, den wir mehrmals vorlesen, klingt jedes Mal etwas anders. Trotzdem würden wir den Inhalt des Satzes als identisch bezeichnen. Das kann sich ändern, wenn wir Phrasen im Satz anders betonen. Durch das Verschieben des Satzakzentes können wir etwas, was als Aussage formuliert ist, in eine Frage umwandeln. Es gibt somit eine Varianz.

      OrdnungenVarietätenDer Umgang mit Varianz ist im Alltag etwas ganz Normales. Sie ist unproblematisch, wenn Regeln dafür sorgen, dass Überschreitungen dieser Varianz erkennbar sind. In der Phonologie ist z.B. das folgende Phänomen zu beobachten: Aus /bo:d ən/ wird, wenn die Rundung im /o/ zu schwach wird, /ba:d ən/, und das ist ein Wort mit einer ganz anderen Bedeutung. Wenn die Wortbedeutung eine andere wird, ist die Varianzgrenze überschritten.

      Pragmatisch

Скачать книгу