Kommunikationswissenschaft. Wolfgang Sucharowski

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Kommunikationswissenschaft - Wolfgang Sucharowski bachelor-wissen

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dass ein kognitives Defizit, wie das Nichtwissen der Uhrzeit, durch das Ansprechen eines Fremden behoben werden darf. Das Ansprechen bzw. Angesprochen-Werden von Personen, die sich nicht kennen, erfolgt in bestimmten Formaten des Umgangs miteinander, d.h. es gibt eine Reihe von entsprechenden Äußerungsformeln. Die verwendeten Daten sollen ein Verhalten ausdrücken, das geeignet ist, die Beziehung zum Anderen als akzeptabel erscheinen zu lassen.

      FragenDer Fragende muss durch die körperliche Distanz gegenüber dem Gefragten, die Körperhaltung und Bewegungen einzelner Körperteile, Kopf, Blick, Hände und Arme sowie die Wahl prosodischer Sprechmittel von diesem so wahrgenommen werden können, dass ein Kontakt zueinander als akzeptabel interpretiert werden kann. Erst wenn das gelingt, kann erwartet werden, dass sich der Andere darauf einlässt und eine Bitte um Information erkennt und zulässt.

      VariantenSprachhandlungUhrzeit erfragenBesehen wir das Beispiel erneut und konstruieren konkrete Ausprägungen. Wir legen einen Akteur fest: Der Fragende ist ein junger Mann, der charmant wirkt, flott gekleidet ist und von seinem Habitus her zum Flirten aufgelegt erscheint, d.h. es gibt Daten im Bereich der Körperlichkeit der Person, die diese Effekte bei der potentiellen Kontaktperson auslösen können. Der Mann richtet seine Frage an eine junge Frau, die zu solchen Typen ein distanziertes Verhältnis hat. Mit dem Ansprechen der jungen Frau wird aus dem physikalischen ein sozialer Raum. In diesem entsteht eine Varianz gemäß der Ordnung nach der Uhrzeit fragen, die zugleich auch andere Bezugsordnungen zulässt. Die Daten, nach denen der junge Mann von der Frau „gelesen“ wird, weisen ihm Merkmale zu, die in ihr einen potentiellen, aber unerwünschten Sexualpartner sehen. Der Versuch einer Kontaktaufnahme wird so vorrangig im Rahmen der sexuellen Beziehungsordnung verarbeitet. Weil es in der Ordnung die Uhrzeit erfragen um das Überwinden eines kognitiven Defizits geht, wird dort das Verhalten als Bitte um Information gedeutet. Ist der Bezugshintergrund indes das Suchen eines Sexualpartners, erhalten die Daten den Handlungswert einer „Anmache“, d.h. dem Fragenden wird unterstellt, dass er ein konventionell akzeptiertes Handlungsmuster – die Frage nach der Uhrzeit – missbraucht, um den Kontakt zum anderen Geschlecht herzustellen.

      Ein anderer Fall tritt ein, wenn der Fragende eine junge Person und der Gefragte eine ältere ist. Die jüngere Person wirkt in ihrem Habitus sehr locker und lässig. Die ältere ist ein Herr, der die Jugend von heute als distanzlos und unerzogen empfindet. Das Erscheinungsbild des jungen Mannes löst bei ihm genau diese Vorstellungen aus und erzeugt dadurch eine Ordnung, in der das Verhalten des Gegenübers entsprechend bewertet wird. Die Daten „ist es schon eins?“, die in einem saloppen Ton vorgetragen wurden, werden zwar als konventionelle Ordnung der Bitte um eine Information erkannt, die Daten der Kontaktherstellung indes werden als Unhöflichkeit „gelesen“. Dies kann als Begründung dafür genommen werden, den Kontakt abzulehnen und so zu tun, als habe man nichts gehört. Die Wirksamkeit einer solchen Ordnung bleibt den Beteiligten in der Regel unbewusst, wenn etwas nicht so verläuft, wie es erwartet worden ist, entsteht Irritation.

      OrientierungDie Kommunikation selbst muss sich immer wieder dahingehend beobachten, was Daten sind und worauf sich diese beziehenReflexivität. Die Beispiele sollen deutlich machen, wie die Akteure, die sich an bestimmten Bezugsgrößen orientieren, um sie kommunikativ zu nutzen, herausgefordert sind, Daten ihrer Umgebung ständig daraufhin zu prüfen, ob sie (noch) zu von ihnen genutzten Ordnungen passen. Ist das nicht mehr der Fall, muss eine Alternative gesucht werden, wenn der Abbruch der Kommunikation nicht riskiert werden soll. Der Satz vom Nicht-nicht-kommunizieren-Können Watzlawick (1969) stellt den Versuch dar, sich aus diesem Dilemma zu befreien. Es gibt aber auch eine andere Sicht auf diesen Sachverhalt. Luhmann (1984) spricht von der Unmöglichkeit der Kommunikation, denn die Akteure können sich nie sicher sein, wie das Gegenüber die Dinge sieht. Beide Aussagen, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen, verweisen auf ein und dasselbe Phänomen.

      Erklärung

      Kommunikation ist für die Beteiligten stets ein Risiko, weil die zu „lesenden“ Daten zu vielfältig sind, als dass immer vorhersehbar ist, welche vom Angesprochenen relevant gesetzt werden, und weil das Wie des „Lesens“ von vielen situativen Einflüssen abhängt, die ebenfalls nicht ohne weiteres berechenbar sind. Folgen die Betroffenen der „Strategie“ des Nicht-nicht-kommunizieren-Könnens, wird der Einzelne schnell überfordert. Gehen sie von der Unmöglichkeit der Kommunikation aus, müssen sie stark stereotype und ritualisierte Praktiken favorisieren, um Unsicherheiten auszuschließen. Das engt den Handlungsraum ein.

      DatenWenn die Kommunikation eine ähnliche Sicht auf Daten voraussetzt, müssen die Akteure über Ordnungen von Daten verfügen, von denen sie annehmen dürfen, dass sie auch ihrem Gegenüber vertraut sind. Eine solche Unterstellung ist immer gewagt. Akteure müssen daher in das Sicherstellen und Absichern ihrer Annahme investieren, d.h. sie müssen herausfinden, ob der Andere sich wie erwartet verhält. Sind sie sich nicht sicher, müssen sie dem Gegenüber Hinweise auf eine mögliche und gemeinsame Ordnung geben. Diese finden sie beispielsweise in ihrer gemeinsamen physikalischen oder sozial definierten Umgebung.

      Kommunikation als Wissenschaft – die Anfänge der TheoriebildungKommunikationTheorie Kommunikationswissenschaft

      Komplexe Phänomene, Kommunikation gehört dazu, zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht mithilfe einer einfachen kausalen Relation beschrieben werden können. Die das Phänomen bestimmenden Elemente sind in sich so heterogen, dass jeder Beobachter damit überfordert ist, sie als ein System zu identifizieren. Was er aber kann, ist sie genau beobachten und das, was er sieht, beschreiben sowie das Beschriebene analysieren.

      SignaltheorieDurch die Arbeiten von Shannon und Weaver (1949) wurde Kommunikation erstmals zum Thema für die Wissenschaft und erhielt so eine theoretische Begründung. Shannon gelangen theoretisch begründete ErklärungenShannon, Claude Weaver, Warrenerst durch die Entwicklung seiner Signaltheorie.Signaltheorie Seit den 1960er Jahren standen Beobachtungen zu Aspekten der Informationsverarbeitung im Mittelpunkt des Forschungsinteresses an der Kommunikation.

      Klaus, Georg (1912–1974): Philosoph, Logiker, Kybernetiker an der Humboldt Universität zu Berlin und Akademie der Wissenschaften der DDR

      Klix, Friedhart (1927–2004): Professor der Psychologie und Kognitionstheoretiker an der Humboldt Universität zu Berlin

      Klaus (1973) und Klix (1971) setzen sich mit Themen zur Wirksamkeit von Signalen auseinander. Die Aufmerksamkeit galt vor allem elektrischen Signalen, denn sie sollten möglichst sicher Informationen von einem Ort zum anderen transportieren. Das setzte einen spezifischen Informationsbegriff voraus.Transfermodell Informationen sollten transporttauglich sein, d.h. sie müssen über weite Distanzen hin schnell und sicher versendet werden können. Sie dürfen beim Transport möglichst wenig beeinträchtigt werden, d.h. sie müssten so transformiert werden, dass äußere Einflüsse wie beispielsweise Stromschwankungen im Netz die Information nicht verändern. Diese Umwandlung erfolgte mithilfe eines Codes.Code Das Versendete wurde einer Verschlüsselung anvertraut, die dem Empfänger bekannt sein musste bzw. einem Gerät, das das Codierte in die ursprüngliche Form zurückübersetzt.

      Aus der Rezeption dieser Themenstellung entstanden eigenständige Wissenschaftsdisziplinen wie die InformatikInformatik und KybernetikKybernetik. Die dabei entwickelte Signaltheorie verwies auf neue Erklärungsmöglichkeiten und -zusammenhänge von Kommunikation. Sie wirkte weit über den technischen Bereich hinaus in die nicht-technischen Disziplinen wie die Psychologie oder Linguistik hinein. Auch hier erhielten die Begriffe Information und Codes einen zentralen und tragenden Stellenwert.

      Digitale und analoge InformationDie Gruppe von Palo Alto um Paul WatzlawickWatzlawick, Paul (1969) beschäftigte sich mit dem Phänomen der Information im Rahmen ihrer psychotherapeutischen Arbeit und unterschied zwischen zwei Informationsverarbeitungsweisen. Ein Signal kann einem stringenten Regelkanon folgend in Information überführt werden. Es kann zur Informationsentnahme verschiedenen Deutungspraktiken unterliegen. Im ersten Fall wird von der digitalen,

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