PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Der jüngere Sokrates: Was denn?
Fremder: Daß sie jeden Buchstaben in den kürzesten und leichtesten Silben bald genug bemerken und ihn da richtig auszusprechen verstehen.
Der jüngere Sokrates: Das gewiß.
(278) Fremder: Diese selbige aber in anderen wieder verkennen und dann fehlen in ihrer Vorstellung und Rede.
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
Fremder: Ist es nun nicht so am leichtesten und schönsten sie zu dem zu führen, was sie noch nicht erkennen?
Der jüngere Sokrates: Wie?
Fremder: Daß man sie erst zu dem zurückführe, wo sie dasselbe richtig vorgestellt haben, und dann dieses neben das noch nicht von ihnen erkannte stelle, um ihnen durch Vergleichung die Ähnlichkeit und die selbige Beschaffenheit in beiden Verknüpfungen zu zeigen, bis das richtig vorgestellte neben alles noch unbekannte gestellt aufgezeigt ist und so aufgezeigt Beispiele abgibt, welche bewirken, daß von allen Buchstaben in allen Silben jeder wenn er verschieden ist auch verschieden, wenn er aber derselbe ist auch als derselbe immer auf gleiche Weise benannt werde.
Der jüngere Sokrates: Allerdings freilich.
Fremder: Das also haben wir zur Genüge gefaßt, daß ein Beispiel alsdann entsteht, wenn etwas, was dasselbe ist in einem andern getrennten, richtig vorgestellt und herbeigebracht, von jedem von beiden als gleichen eine und dieselbe richtige Vorstellung bewirkt.
Der jüngere Sokrates: Das leuchtet ein.
Fremder: Sollen wir uns also wundern, wenn unsere Seele, der es von Natur mit den Bestandteilen der Dinge überhaupt eben so ergeht, jetzt der Wahrheit gemäß über einzelnes in einigen Sicherheit gewinne, dann aber wieder über alle in anderen schwankt; und einige von ihnen doch in manchen Verbindungen richtig vorstellt, versetzt aber in weitläuftige und nicht leichte Verknüpfungen und gleichsam Silben von Gegenständen eben dieselbigen wieder nicht erkennt?
Der jüngere Sokrates: Gar nicht ist das zu verwundern.
Fremder: Denn von einer falschen Vorstellung anfangend könnte einer wohl auch nicht zum kleinsten Teile der Wahrheit gelangen und so irgend Einsicht gewinnen.
Der jüngere Sokrates: Gewiß auf keine Weise.
Fremder: Also wenn dies so beschaffen ist: so würden wir wohl nichts verstehen ich und du, nachdem wir zuerst versucht haben die Natur des gesamten Beispiels an einem kleinen auf etwas besonderes sich beziehenden einzelnen Beispiel zu erkennen, wenn wir uns nun daran gäben, indem wir zu dem Könige als dem größten schon den selbigen Begriff aus kleineren Dingen irgendwoher hinzubrächten, vermittelst des Beispiels auch zu versuchen die Besorgung derer in der Stadt nach der Kunst zu erläutern, damit wir nun statt im Traume es auch wachend haben.
Der jüngere Sokrates: Vollkommen richtig.
Fremder: So laß uns denn unsere vorige Rede wieder aufnehmen, (279) daß nämlich, weil mit dem königlichen Geschlecht so viele andere um die Besorgung im Staate sich streiten, wir diese alle absondern müssen um jenen allein zu behalten, und eben hiezu, sagten wir, bedürften wir eines Beispiels.
Der jüngere Sokrates: Und das gar sehr.
Fremder: Was für ein recht kleines Beispiel, welches aber doch dieselbige bürgerliche Verrichtung in sich schläfre, könnte einer nun wohl beibringen um das Gesuchte danach genau genug zu finden? Oder beim Zeus, Sokrates, sollen wir wenn wir nichts anderes bei der Hand haben eben so gern die Weberei nehmen? und auch die, wenn du meinst, nicht ganz? Vielleicht nämlich wird uns schon die hinreichen welche in Wolle arbeitet. Denn wenn wir auch nur diesen Teil von ihr herausnehmen, wird er uns wohl schon nachweisen, was wir wollen.
Der jüngere Sokrates: Warum also nicht?
Fremder: Und warum wollten wir nicht, wie wir vorher alles von jedem Teil wieder Teile abschneidend zerlegt haben, auch jetzt bei der Weberei dasselbe tun, und wenn wir alles so kurz als möglich schnell durchgegangen sind, wieder zu dem was uns jetzt brauchbar ist zurückkehren?
Der jüngere Sokrates: Wie meinst du das?
Fremder: Ich will dir durch die Ausführung selbst antworten.
Der jüngere Sokrates: Sehr gut gesagt.
Fremder: Alle Dinge also welche wir verfertigen oder erwerben dienen uns teils um etwas zu tun, teils sind sie, um etwas nicht zu leiden, Schutzwehren. Und von diesen Schutzwehren sind einige Heilmittel, sowohl göttliche als menschliche, andere Abwehrungsmittel. Und von den Abwehrungsmitteln sind einige Rüstungen für den Krieg, andere sind Einhegungen. Von diesen Einhegungen sind einige Vorbauungen gegen den Anblick, andere sind Sicherungen gegen Hitze und Ungewitter. Von diesen Sicherungen sind einige was wir Obdach, andere was wir Hülle nennen. Die Hüllen sind wieder teils Unterdecken, teils Anzüge. Von den Anzügen sind einige aus einem Stück, andere zusammengesetzt; die zusammengesetzten teils durchlöchert, teils ohne Durchlöcherung verbunden; und von den undurchlöcherten einige aus dem Baste der Pflanzen, andere von Haaren, und die härenen teils mit Wasser und Erde geklebt, teils durch sie selbst verbunden. Eben diese nun aus durch sich selbst verbundenem gefertigten Abwehrungen und Hüllen nennen wir Kleider; und die diese Kleider vorzüglich besorgende Kunst wollen wir, wie wir dort die den Staat vorzüglich besorgende die Staatskunst nannten, so auch diese von der (280) Sache selbst die Kleidermacherkunst nennen. Und wollen auch sagen daß die Weberei wiefern sie bei Verfertigung der Kleider bei weitem das wichtigste Stück ist, gar nicht als nur dem Namen nach von dieser Kleidermacherkunst unterschieden ist, so wie dort die königliche von der Staatskunst.
Der jüngere Sokrates: Vollkommen richtig.
Fremder: Und nun laß uns das weitere bedenken, daß nämlich diese so beschriebene Weberei der Kleider einer wohl für hinlänglich erklärt hatten würde, der nämlich nicht bemerken könnte daß sie von ihren nächsten Gehülfinnen noch nicht ausgeschieden, wenn gleich von vielen verwandten abgeteilt ist.
Der jüngere Sokrates: Von was für verwandten, sage.
Fremder: Du bist dem Gesagten nicht gefolgt wie es scheint. Also müssen wir wohl noch einmal zurückgehn vom Ende anfangend, ob du etwa das verwandte gewahr wirst was wir jetzt eben von ihr abgeschnitten haben, nämlich die Verfertigung der Teppiche welche wir absonderten, wiefern sie untergelegt jene aber angelegt werden.
Der jüngere Sokrates: Ich verstehe.
Fremder: Auch jede Bereitung aus Lein und Hanf und allem was wir in der Erklärung Pflanzenbast nannten, haben wir weggenommen; auch alles Filzen haben wir ausgeschieden und was mittelst Durchbohrung und Naht die Teile verknüpft, wovon das meiste die Lederarbeit ist.
Der jüngere Sokrates: Allerdings,
Fremder: