zur Philosophie in ihren Unterredungen mit den Tieren und unter sich von jedem Wesen erforschend, ob es irgend ein besonderes Vermögen besitzend, etwas von den Andern verschiedenes wahrgenommen habe zur Vermehrung der Einsicht: dann ist wohl leicht zu entscheiden, daß die damaligen tausendmal glückseliger daran waren als die jetzigen. Wenn sie aber reichlich mit Speise und Trank gesättiget sich untereinander und den Tieren solche Geschichten erzählten, wie auch jetzt noch von ihnen erzählt werden: so ist auch so die Sache wenigstens nach meiner Meinung gar leicht zu entscheiden. Doch lassen wir das jetzt bis einer kommt der uns gründlich berichte, auf welche von beiden Seiten sich die Lust jenes Geschlechtes neigte in Beziehung auf Erkenntnis und Gebrauch der Rede. Weshalb wir aber diese Geschichte in Anregung gebracht, das muß jetzt erklärt werden; damit wir nächstdem nun zum folgenden fortschreiten können. Als nämlich alles dieses seine Zeit erfüllt hatte und eine Umkehrung erfolgen mußte, da auch das aus der Erde gekommene Geschlecht ganz aufgerieben war, nachdem jegliche Seele alle ihre Entstehungen durchgemacht und, soviel ihr bestimmt war, Samen für die Erde zurückgelassen hatte; alsdann ließ der Steuermann des Ganzen gleichsam den Griff des Ruders fahren und zog sich in seine Warte zurück. Die Welt aber bewegte nun wiederum rückwärts das Geschick und die ihr angeborene Lust. Alle also an ihren Orten mit dem höchsten Geist mitherrschende Götter als sie bemerkten was geschah, ließen gleichfalls alle Teile der Welt los von ihrer Aufsicht und Besorgung. Sie aber die nun im Zurückdrehn, des Endes und des Anfangs entgegengesetzten Schwung vermischend, (273) einen neuen Umschwung nahm, indem sie in sich selbst große Erschütterungen erregte, richtete dadurch wieder anderes Verderben an unter allerlei Arten des Lebendigen. Als nun, nachdem eine geraume Zeit vergangen war, teils Getümmel und Verwirrung nachließen, und von den Erschütterungen eine Stille eintrat, teils sie nun zu ihrem gewohnten eignen Lauf wohl geordnet eine bereitet war, ging sie Aufsicht und Macht selbst ausübend über alles in ihr und über sich selbst, ihres Werkmeisters und Vaters Lehren dabei sich nach Kräften erinnernd. Anfänglich nun führte sie dies genauer aus, zuletzt aber lässiger. Und hieran ist das körperliche in ihrer Mischung Schuld, dieses noch von der ehemaligen Natur her mit ihr Aufgezogene, weil es mit großer Unordnung behaftet war, ehe es zu der jetzigen Weltordnung gelangte. Denn von dem welcher sie eingerichtet besitzt sie alles Schöne; alles aber was widerwärtiges und unrechtes unter dem Himmel geschieht, stammt ihr selbst von ihrer vorigen Beschaffenheit her, und auch in die Lebendigen bringt sie es mit hinein. So lange sie daher unter Aufsicht des Steuermannes ihre lebendigen Bewohner ernährt, erzeugt sie in ihnen nur wenig schlechtes und viel dagegen Gutes. Ist sie aber von jenem getrennt, so besorgt sie in der nächsten Zeit nach ihrer Freilassung noch alles aufs herrlichste; je weiter aber die Zeit vorrückt und Vergeßlichkeit sich einschleicht bei ihr, um so mehr nimmt auch überhand der Zustand der alten Verwirrung, welcher am Ende der Zeit vollkommen aufblüht, so daß sie nur aus wenig Gutem und einem großen Anteil des Entgegengesetzten jede Mischung zusammensetzend in Gefahr des Verderbens gerät, sie selbst und alles in ihr. Weshalb denn alsdann schon der Gott welcher sie eingerichtet hat, wenn er sie in diesen Nöten erblickt, aus Besorgnis, daß sie nicht zertrümmere und durch die Zerrüttung gänzlich aufgelöst in der Unähnlichkeit unergründlichen Ort versinke, sich selbst wiederum an das Ruder stellend, alles was erkrankt und aufgelöst ist, durch Umwendung in den ihm eigentümlichen Umlauf wieder in Ordnung bringt, und so alles wieder bessernd die Welt unsterblich und unveraltet darstellt. Dieses nun ist nur als das Ende von allem bisherigen gesagt; was uns aber zur Darstellung des Königes dient finden wir hinreichend, wenn wir uns nur an das vorige der Rede halten. Nämlich sobald die Welt sich wiederum in die Bahn für das jetzige Werden hineindrehte, stand zuerst wiederum das Alter still, und neues dem damaligen entgegengesetztes brachte sie demnächst hervor. Nämlich die vor Kleinheit fast schon verschwindenden Leiber der lebendigen Wesen wuchsen wieder und die neu aus der Erde schon als alt und grau hervorgegangenen kehrten sterbend wieder in die Erde zurück, und alles Andere veränderte sich den Zustand des Ganzen nachahmend (274) und ihm folgend. Eben so also auch, was zur Empfängnis, Geburt und Ernährung gehört, erfolgte dem Ganzen nachgebildet notwendig. Denn nun durfte nicht mehr in der Erde aus andern Bestandteilen ein lebendiges gebildet werden; sondern so wie der Welt aufgegeben war selbstherrschend ihre Bahn zu leiten, auf dieselbe Weise war auch ihren Teilen, aus sich selbst soviel als möglich wäre sich zu bilden, zu erzeugen und zu ernähren, durch dieselbige Anordnung aufgegeben. Und nun sind wir eben bei dem angekommen, worauf diese ganze Rede ausging. Von den übrigen Tieren nämlich wäre es lang und weitläuftig zu erzählen, woher sich jedes und weshalb verwandelt, von den Menschen aber ist es kürzer zu fassen und mehr zur Sache gehörig. Denn von der Sorgfalt des uns beherrschenden und hütenden Dämons verlassen erfuhren die Menschen, da die meisten Tiere von irgend rauherer Natur ganz verwildert, sie selbst aber schwach und schutzlos geworden waren, von diesen vielerlei Leides, und wären in den ersten Zeiten völlig hülflos und kunstlos, weil die von selbst sich darbietende Nahrung ihnen ausgegangen, und sich deren selbst zu verschaffen sie noch nicht kundig waren, indem keine Art des Mangels sie vorher dazu genötiget hatte. Alles dieses nun brachte sie in große Not. Weshalb denn die in alten Sagen schon gerühmten Gaben uns von den Göttern mit der nötigen Belehrung und Unterweisung geschenkt wurden, das Feuer nämlich vom Prometheus und die Künste vom Hephaistos und seiner Kunstverwandtin, Saat und Gewächse wiederum von anderen; und alles was zur Ausstattung des menschlichen Lebens beigetragen, ist uns hieraus geworden, weil nämlich, wie gesagt ist, die Obhut der Götter den Menschen fehlte, und sie nun sich selbst führen und selbst für sich Sorge tragen mußten eben wie die ganze Welt, welcher wir zu allen Zeiten nachahmen und folgen, und eben daher jetzt so und dann wieder auf andere Weise leben und entstehen. Und hiemit soll die Geschichte ein Ende haben. Zu Nutz aber wollen wir sie uns machen um zu sehen wie sehr wir gefehlt haben bei Darstellung des Herrschers und Staatsmannes in unserer vorigen Rede.
Der jüngere Sokrates: Wie so? und was für ein großer Fehler meinst du daß uns begegnet wäre?
Fremder: Auf der einen Seite ein kleinerer, auf der andern ein gar starker und weit mehr und größer als damals.
Der jüngere Sokrates: Wie so?
Fremder: Daß wir nämlich, gefragt nach dem Herrscher und König aus dem gegenwärtigen Umlauf und Art des Werdens, vielmehr aus dem entgegengesetzten Zeitlauf den Hirten der damaligen menschlichen Herde beschrieben haben, und also einen Gott statt eines Sterblichen, daran haben wir gar sehr (275) gefehlt. Daß wir ihn aber als den Herrscher des gesamten Staates angegeben haben ohne zu bestimmen auf welche Weise, daran haben wir zwar an sich selbst ganz wahr geredet; aber wir haben es weder ganz noch deutlich genug ausgedrückt, und deshalb hiebei auch weniger als an jenem gefehlt.
Der jüngere Sokrates: Richtig.
Fremder: Wir dürfen also, wenn wir nun noch die Art und Weise des Herrschens im Staate bestimmt haben, alsdann wie es scheint hoffen, daß der Staatsmann uns vollständig erklärt sei.
Der jüngere Sokrates: Sehr schön.
Fremder: Deshalb nun haben wir auch die Erzählung beigebracht, damit sie zeigen sollte nicht nur von der Herdenzucht überhaupt, wie sich alle darum streiten mit dem jetzt gesuchten, sondern auch damit wir eben jenen selbst deutlicher erblickten, welchem, weil er allein nach Art und Weise der Hirten und Hüter für die menschliche Erhaltung Sorge trägt, auch allein dieser Name gebühren kann.
Der jüngere Sokrates: Richtig.
Fremder: Und ich meines Teils wenigstens denke, Sokrates, daß diese Abzeichnung eines göttlichen Hüters auch den Vergleich mit einem Könige noch weit hinter sich läßt, dahingegen unsere jetzigen Staatsmänner hier weit mehr den Beherrschten ihrer Natur nach ähnlich sind, und auch an ihrer Bildung und Nahrung bei weitem mehr Teil nehmen.
Der jüngere Sokrates: Freilich wohl.
Fremder: Suchen müssen wir sie aber doch um nichts mehr oder minder, sie mögen nun so oder anders geartet sein.