Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder. Katja Walder

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Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder - Katja Walder

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      «Und Gott hat das gemacht, was er in solchen Situationen immer macht ...», schiebt der Basler ein: «Er hat auf die Pause-Taste gedrückt.»

      Voila. Die Beckenfrau kichert. Die Bobfrisur hat rote Backen. Der Basler haut sich auf die Oberschenkel.

      «Verzeeell wyyyter!!!»

      «Hampe war der Dritte. Schlechte Zähne, noch schlechtere Chancen bei Frauen. Drum macht er am Ende des Abends jeweils bei allen Frauen ein Kreuzchen, auch bei denen, die ihm nicht gefallen. Dann gibts mehr Chancen auf ein Wiedersehen.»

      Durchtrieben, Hampe. Durchtrieben.

      Aber mit der Pluderfrau wirds trotzdem nicht klappen: «Kei einzigs Chrüüzli hani gmacht. Kei einzigs!»

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      visavis #59

      Chicks mit Handys

      «Hallo Katja», schreibt Bettina F. aus St. Gallen. «Ich freu mi jedes mal uf dini Kolumne. Das trifft gnau au uf min Pendleralltag zue obwohl ich mit de S7 fahre». Bettina und ich, wir sind nun Facebook-Freunde. Und ich wette, Bettina hat sie auch schon erlebt, die kichernden Handy-Chicks. Sie tragen glitzrige Gürtel, knappe Jeans, manchmal Zahnspange und meistens dicken Lidstrich. Und immer, wirklich immer, sind sie in Gruppen unterwegs. Heute zum Beispiel dort vorne links. «Zeig! Zeig!», tönt es aus dem Abteil. Sie rangeln, sie kichern, sie riechen sehr stark nach viel zu süssem Parfüm. «Ich wett au luege!», quäkt die Blonde. Ein Handy wird herumgereicht. Klarer Fall: Die vier spielen das Lieblingsspiel aller Sechzehnjährigen: Zeig-mir-deinen-Freund-und-ich-zeig-dir-meinen.

      Eine Zugbeschäftigung, die strikten Codes folgt. Spielen wirs durch: Chick eins zeigt das Handyfoto ihres Freundes. Reaktion A: Chick zwei staunt: «Uaaa, de isch WÜRKLICH schön!» Bedeutet: «Sonja hatte recht, der ist viiiel zu hübsch für dich!». Reaktion B: Chick drei flötet mit lieber Stimme: «Ooh, de xeht mega sympathisch uus.» Bedeutet: «Ne Schönheit ist er nicht gerade ...». Reaktion C (die fieseste von allen ...): Chick drei schreit überrascht auf: «Heeee! De hätt ja de glich Ohrstecker wie min Cousin!» Bedeutet: «Meine Fresse, was soll man bei so einem Gnom auch anderes sagen?» In diesem Moment steigt eine alte Bekannte ein. Ich begrüsse sie herzlich. Sie schaut mich kritisch an: «Neui Brüle? Mini Cousine hätt di gliich.»

      Ein Opfer in der S8

      Die Schweiz hat Alltagspoeten wie Kuno Lauener. Die Schweiz hat begnadete Quasselstrippen wie Mona Vetsch. Die Schweiz hat grosse Literaten wie Dürrenmatt und Muschg. Die Schweiz hat vier Sprachen und viele tolle Worte. Die Schweiz hat das Idiotikon, ein fünfzehnteiliges Wörterbuch, in dem alle diese Worte festgehalten sind. Von A wie allwäg über G wie Gutsch bis Z wie Zable. Die Schweiz hat aber auch viele Pendler, die von alledem offenbar noch nie etwas gehört haben.

      «Ou er eh, er isch so voll tumm», sagt zum Beispiel das Handtäschchen-Mädel Nummer eins in meinem Abteil zu seiner Freundin. Die beiden waren an der Chilbi.

      «Wäge?», fragt Nummer zwei zweisilbig.

      Und Mädchen eins legt schäumend und im Balkan-Slang los: «Er so: Eh Mann, du nervsch! Ich so: Sälber Mann, du nervsch imfall uhuere! Er so: Eh Mann figg di, du bitsch. Ich so: Eh du Mongo. Lueg was seisch! Er so: Ey zum Glück bin ich dich los. Du stiiiinksch. Ich so: Ey du bisch sonen Vollweiche. Er so zrugg: Hey du Opfer! Dini Mueter hätt en Schnauz. Ich so: Mann, mit dir red ich nüme. Er so huere tumm glueget, weisch, so voll matschomässig. Ich so: Ey, wännd wiiter so tumm luegsch, ich schpuck dich aa.»

      Und so geht es weiter bis Effretikon.

      Dann der Zug so: Ich halt jetzt glaub aah, Lüüt.

      Sie so: «Effi, sones Scheisskaff, da wohnt d’Elif hey, si neeervt!»

      Ich so: Aussteigen und nichts wie weg.

      Vielleicht sollte ich wieder mal Dürrenmatt lesen.

      Von Worten und Wörtern

      Entwarnung! Es besteht doch noch Hoffnung. Am Dienstag habe ich an dieser Stelle das desolate Sprachverständnis der Pendlergemeinde gegeisselt (Er so! Ich so! Sie so!). Doch seit gestern weiss ich: All diese sprachliche Unfähigkeit wird ausgeglichen – durch eine einzige Person. Sozusagen durch die Sprachamazone unter den Pendlern. Durch die Wächterin über sprachliche Missgriffe.

      «Liebe Frau Walder», schreibt Frau S.Z. aus W. Und kommt dann unumwunden zum Kern: Messerscharf und gnadenlos bringt die diplomierte Übersetzerin ans Licht, dass ich die Wörter «Wörter» und «Worte» falsch verwendet habe. Sakrament. Ich lese weiter: «Wörter bestehen aus Buchstaben, Worte aus Gedanken. Wörter sind grammatische Einheiten, Worte sind Redewendungen, Zitate oder die Sprache. Ein paar Beispiele: Ihr fehlten die Worte, während er nur leere Worte von sich gab. Nach Wörtern ringen oder lobende Worte aussprechen. Dürrenmatt wusste dies bestimmt. ;-) Freundliche Grüsse.»

      Freundliche Grüsse zurück! Auf dass mir keine weiteren derartigen sprachlichen Lapsen passieren. (Und jetzt soll nie­mand kommen und mir sagen, wie der richtige Plural von Lapsus heisst.)

      Noch zu Dürrenmatt: Stimmt, der wusste wohl, was Worte von Wörtern unterscheidet. Aus einem Grund hat er es ja in die gros­sen Bibliotheken dieser Welt geschafft – und nicht bloss in den «Blick am Abend».

      HorrOhr auf dem Heimweg

      Aufhören! Das ist schlimmer als Kreide, die auf der Wandtafel kratzt. Nervtötender als das Nachbarskind, das auf den Geburtstag eine Blockflöte bekommen hat. Es ist kaum auszuhalten: Da sitzt im Nebenabteil eine Latina und feilt sich – chschchsch – seelenruhig die Fingernägel. Endlos. Und ich ziehe mir die Mütze tiefer über die Ohren, in der Hoffnung, dass es dämmt. Nix ist. Stattdessen mischen sich weitere S 8-Geräusche dazu: Klack. Klack. Klack – ein Kind öffnet den lauten Abfalleimer und knallt ihn wieder zu. Schräg gegenüber hört ein blondgesträhnter Vokuhila-Junge in synthetischem Trainingsanzug schlechten Balkan-Pop mit sehr schlechten Ohrstöpseln. Jemand ausserhalb meines Sichtfeldes zieht im Minutentakt die Nase hoch. Und die Lautsprecherstimme lässt ihr R rollen. Ich drehe durch. Versuche, mich durch Fixieren des Polstermusters abzulenken. Lese zum dritten Mal das Editorial in meinem Leibbahnblatt «Via». Spiele Tetris auf dem Handy. Und werde das Gelack-Schnief-Schnarch-Feile doch nicht los.

      Wie sehr wünsche ich mir jetzt Domenica Steiner aus Zürich ins Abteil. «Manchmal muss ich laut herauslachen auf dem Heimweg», schrieb sie gestern in einem Leserbrief an den «Blick am Abend». «Dann hoffe ich, dass Katja nicht im selben Zug sitzt und ich demnächst über meine Lacher lesen muss.» Domenica: Jetzt gerade wäre dein Lachen Balsam für meine leidgeprüften Ohren!

      Zwei Tickets gegen die SBB

      «Abzocker», zischt es von links durchs Abteil. «Unglaublich, was die sich erlauben», wettert es von rechts. In den Gratiszeitungen künden die SBB ihr neues Preissystem an – und die, die direkt davon betroffen sind, sitzen vereint in der S 8: die Pendler. Ich denke über Sitzstreiks nach, über Türblocka­den, über Sprayereien wie «AuSBBeuter», als ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen werde: «Billett vorwiise bitte!». Taschengekrame, GAs werden vorgewiesen, «Tankeschön, merci, tankeschön». Bis es einen grossen Blonden trifft. Der Kontrolleur nimmt den Bussenblock. Der Blonde windet sich. Und als er gerade aufgeben und seine ID rausrücken will, tönts von hinten: «Entschuldigung!» Ein Tamile ists, der sich da aus der Pendlermasse erhoben hat. «Ich habe ein zweites Abo bei mir. Gilt das für den Mann da?» Er streckt

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