Die Brandschutzdokumentation. Suad Semic
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Beginn jeder Begutachtung des Gebäudes ist die kritische Inaugenscheinnahme des Gebäudes und die Überprüfung der Brandschutzdokumentation anhand der in Abschn. 1.4.4 genannten Qualitätsmerkmale. Es muss im Endeffekt damit gerechnet werden, dass die Vollständigkeit und Brauchbarkeit der Unterlagen immer den Wert eines Gebäudes wesentlich mit beeinflussen und bei einem eventuellen Verkauf (oder Anmietung) ein wichtiges Verkaufsargument sind. Fehlende Unterlagen dürfen sich im Fall der Veräußerung des Gebäudes preismindernd auswirken, was eigentlich in der Praxis längst eine Selbstverständlichkeit ist. Die wirtschaftlichen Folgen aus fehlenden oder nicht brauchbaren Unterlagen treffen den Bauherrn/Eigentümern unmittelbar. Das Beseitigen von Mängeln kommt früher oder später, wofür der Bauherr/Eigentümer die Beweislast trägt.
1.4.3 Beweissicherung
Die formelle und materielle Beweisführung kann in der Praxis ohne geeignetes Beweismittel nicht problemlos sein, vor allem für diejenigen, die sich auf den ordnungsgemäßen Zustand des Gebäudes berufen. Deshalb dienen sorgfältig erstellte Unterlagen primär zu Beweiszwecken, unabhängig davon, ob sie bei einer Anordnung, Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung oder Instandhaltung des Gebäudes erstellt worden sind. Der Bauherr/Eigentümer muss beweisen, etwa bei einer Nutzungsuntersagung im Sinne des Art. 76 BayBO, dass seinem Gebäude keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies gilt sowohl für baugenehmigungspflichtige als auch für verfahrensfreie Gebäude, wobei für Letztere nur die materielle Legalität entsprechend Abschn. 2.1.6.1 entscheidend ist.
Aber auch im Falle eines Rechtsstreits mit Baubeteiligten, eines Brandes oder eines anderen Ereignisses können Unterlagen wertvolle Aufklärung liefern. Zum Beispiel gegenüber dem Brandschutzplaner muss der Bauherr beweisen, dass im Brandschutznachweis ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen vorliegt. Macht der Brandschutzplaner geltend, der Brandschutznachweis sei genehmigt und legitim, ist er hierfür beweispflichtig. Beweislast oder -pflicht liegt insofern bei dem, der sich auf Verstoß/Legitimität stützt. Anzumerken ist im Übrigen, dass die Beweislast ein Begriff des Zivilprozessrechts ist und nicht des Bauordnungsrechts.
Die Gerichte bedienen sich der Beweismittel, die sie nach ihrem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich und brauchbar halten. Dazu gehören insbesondere die in diesem Handbuch genannten Unterlagen.
Die Brandschutzdokumente dienen also dem Nachweis von Tatsachen oder als Schutzmittel. Als Beweise bzw. Schutzmechanismen sind schriftliche Dokumente am besten geeignet, unter der Voraussetzung, dass sie brauchbar, geeignet und ausreichend sind und ihre überzeugende Beweisfunktion für die Richtigkeit des Sachverhalts erfüllen, wie im Folgenden verdeutlicht wird.
1.4.4 Qualitätsmerkmale und Bestandskraft der Unterlagen
Die Unterlagen sind für den Lebenszyklus des Gebäudes nur dann nützlich, wenn sie die (gesetzlich und vertraglich) nötigen Zwecke bzw. Anforderungen vollumfänglich erfüllen. Denn sie müssen ihre Nachweisführung bzw. Beweisfunktion im Bedarfsfall definitiverfüllen können und im Besonderen inhaltlich hinreichend und nachvollziehbar bestimmt sein. Dies richtet sich danach, ob die Unterlagen den Beschaffenheitsmerkmalen nach Tab. 1.2 entsprechen.
Auf das Übereinstimmungsgebot entsprechend § 13 BauVorlV ist in diesem Zusammenhang besonders hinzuweisen. Das bedeutet, dass Bauzeichnungen, Baubeschreibungen, Berechnungen und Konstruktionszeichnungen, die dem Standsicherheits- und Brandschutznachweis (siehe Abschn. 2.3) zugrunde liegen, miteinander überstimmen müssen.
Tab. 1.2 Beschaffenheitsmerkmale der Dokumentation.
Merkmal | |
Form Vollständigkeit und Brauchbarkeit Faktizität Rechtsgültigkeit Eindeutigkeit Kennzeichnung Strukturiertheit | Weiterverwendbarkeit Lesbarkeit Aktualität Aufbewahrungsfristen Zugriffsmöglichkeit Archivierung Sicherungskopien/Zweitschriften |
In der Realität kommt es leider sehr häufig vor, dass die Dokumentationen deutlich von den Qualitätsmerkmalen abweichen, sodass die Dokumentationen in facto nicht brauchbar sind. bzw. nicht die erforderlichen Informationen liefern können.
1.4.5 Archivierung von Unterlagen
Eine entsprechende Archivierung, in der die erforderlichen Unterlagen greifbar oder elektronisch erfasst und geführt werden, kann einerseits künftige baurechtlich bedeutsame Sachverhalte oder Handlungen unterstützen und andererseits viel Ärger, Arbeit und Geld ersparen. Manche Unterlagen können nur wenige Monate wichtig sein oder auch für Jahrzehnte und länger. Die Brandschutzdokumentation soll, wie bereits in Abschn. 1.3.5 aufgeführt, während der gesamten Lebensdauer bzw. bis zur Beseitigung des Gebäudes durch den Bauherrn/Eigentümer existent archiviert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass nach Abbruch des Gebäudes ein Interesse an der weiteren Vorhaltung der Dokumentation nicht mehr besteht.
Im Hinblick auf die Zielsetzung der Archivierung ist neben der BauVorlV [3] auch die Bekanntmachung [2] des StMB, die Grundsätze für die Aufbewahrung und Archivierung von Baugenehmigungsakten regelt, ebenfalls erwähnenswert. Die Landratsämter dürfen demnach frühestens nach 20 Jahren Baugenehmigungsakten, nämlich
• Bauantrag,
• Baubeschreibung,
• Lageplan,
• Bauzeichnungen,
• Baugenehmigungsbescheid,
• Baubeginnsanzeige und
• Stellungnahme der Gemeinde
aus bauaufsichtlichen Verfahren an die staatliche Archivverwaltung im Original abgeben. Bis zu diesem Zeitpunkt muss das einschlägige Schriftgut bei der Behörde im vollem Umfang in der Zentralregistratur aufbewahrt werden. Die genehmigten Unterlagen können dort eingesehen und kopiert werden; die Herausgabe der Unterlagen ist nur an die Eigentümer oder deren Bevollmächtigten gestattet. Dem Bauherrn soll lediglich empfohlen werden, seine Baugenehmigungsakten aufzubewahren und sie an den Rechtsnachfolger weiterzugeben.
1.4.5.1 Elektronische Archivierung
Der Anteil der elektronischen Formen wächst und wird künftig wachsen, sowohl am Bau als auch in anderen Bereichen. Die Dokumente werden elektronisch erzeugt, ausgetauscht, archiviert und anschließend gelöscht. Dies bedeutet, dass die Dokumente, mit wenigen Ausnahmen, die in Abschn. 1.3.4 ausgeführt sind, nur noch elektronisch zur Verfügung stehen werden.
Da viele Unterlagen nur noch digital existieren, gewinnt die digitale Archivierung an praktischer Bedeutung.